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Internationale Grüne Woche

„Wir haben für Ernährungssicherheit zu sorgen“

Frisch vom Land zur Internationalen Grünen Woche - Interview mit Werner Schwarz, Minister für Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein

Energiewende, Ländliche Räume und Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln: Werner Schwarz Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, ist anspruchsvoll. Sein Bundesland hat in diesem Jahr den Vorsitz der deutschen Agrarministerkonferenz. Anlässlich der Internationalen Grünen Woche in Berlin erläutert Schwarz, was ihn antreibt.

Sie waren Landwirt und Bauernpräsident in Schleswig-Holstein. Nun sind sie ebendort Agrarminister. Was davon ist Ihr Lieblingsjob?

Werner Schwarz: Ich war mit vollem Herzen Bauer und Lobbyist für die Landwirtschaft. Jetzt bin ich mit vollem Herzen Minister. Die ersten vier Monate waren durchaus anstrengend. Durch den neuen Zuschnitt unseres Hauses mussten wir vier Abteilungen aus drei verschieden Ministerien zusammenstellen. Das ist nicht mal einfach so gemacht, aber wir sind jetzt soweit und die politische Arbeit läuft.

Apropos politische Arbeit: Schleswig-Holstein hat 2023 den Vorsitz der deutschen Agrarministerkonferenz. Was sind die drei wichtigsten Punkte Ihrer Agenda?

Schwarz: Ein wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung der Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union, kurz GAP, ab 2027. Die GAP ist derzeit sehr komplex. Gemeinsam mit meinen Länderkolleginnen und -kollegen sowie dem Bund möchte ich daher frühzeitig über mögliche Vereinfachungen und eine Neuausrichtung diskutieren. Inhaltlich geht es vor allem darum, ein Anreizsystem zu schaffen, mit dem wir gesellschaftlichen Ansprüchen und ökonomischen Erfordernissen gerecht werden. Eine Weiterentwicklung lässt sich nur erreichen, wenn Landwirtschaft in Einklang mit der Natur stattfindet und die Leistung der Landwirtinnen und Landwirte wieder angemessen gewürdigt und vergütet wird. Die in Schleswig-Holstein entwickelte Gemeinwohlprämie könnte dabei als gute Grundlage dienen. Ein weiterer Themenschwerpunkt wird der Umbau der Tierhaltung sein.

Die Bestände sind im freien Fall. Wieviel Tierhaltung gibt es denn überhaupt noch?

Schwarz: Das aktuell erhebliche Wegbrechen von Tierbeständen und -haltungen zeigt, dass unverzüglicher Handlungsbedarf besteht. Wir müssen den Tierhalterinnen und Tierhaltern endlich eine Perspektive bieten, an der sie ihre Tierhaltung nachhaltig, zukunftsfähig und gesellschaftlich akzeptiert ausrichten können. Es darf nicht soweit kommen, dass wir beispielsweise in der Schweinehaltung ein Mindestmaß an Selbstversorgung verlieren. Es wird höchste Zeit, ein verbindliches Gesamtkonzept für die Landwirtinnen und Landwirte zu entwickeln, das unter anderem tragbare Finanzierungskonzepte, Aspekte des Verbraucherschutzes und die Einbeziehung der Borchert-Vorschläge berücksichtigt. Hier sehe ich den Bund in der Pflicht, sein im vergangenen Dezember vorgestelltes Programm zum Umbau der Nutztierhaltung noch einmal grundlegend zu überarbeiten. Und der dritte Punkt unserer Agenda für die Agrarministerkonferenz ist die Anpassung des Düngerechts. Mit der neuen Landesdüngeverordnung haben wir in Schleswig-Holstein, wie die anderen Bundesländer auch, die jüngsten Forderungen der EU zur Nachbesserung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung der mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie fristgerecht umgesetzt. In nahezu allen Bundesländern kam es dabei zu einer Vergrößerung dieser Gebiete. In den ausgewiesenen Gebieten gelten für die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe strengere düngerechtliche Maßnahmen mit den entsprechenden betriebswirtschaftlichen Einschränkungen. Bedauerlich ist, dass es noch kein Verfahren gibt, das Betriebe hiervon entlastet, wenn sie nachweislich gewässerschonend wirtschaften. Hier gilt es noch nachzusteuern. In Schleswig-Holstein haben wir bereits ein elektronisches Meldesystem aufgebaut, damit geforderte Nachweise zukünftig gerecht und möglichst einfach erfolgen können. Mögliche Bewertungskriterien für Maßnahmendifferenzierungen in den belasteten Gebieten werden Teil der Diskussionen in den nächsten Monaten sein. Dafür, dass der Diskussionsprozess zügig auf Bundesebene aufgenommen wird, werde ich mich einsetzen.

Sie betonen die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln: Sehen das alle Agrarpolitiker im Bund und den Ländern so?

Schwarz: Wir haben als agrar- und ernährungspolitisch Verantwortliche für die Ernährungssicherheit zu sorgen. Deren Maßstab ist der Selbstversorgungsgrad. Als reiches Land in Mitteleuropa kann Deutschland Nahrungsmittel zwar zukaufen, aber der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat gezeigt, wie schnell Warenströme sich ändern können. Verfügbarkeiten sind plötzlich nicht mehr selbstverständlich.

Sie sprechen von gesellschaftlichen Ansprüchen an die Landwirtschaft. Bislang ging es in der öffentlichen Debatte meist um Tierwohl und Umweltschutz: Ändern sich die Ansprüche angesichts enorm gestiegener Lebensmittelpreise?

Schwarz: Der Fokus hat sich gegenwärtig verschoben. Es wäre jedoch ein falsches Signal, gesellschaftlich gestellte Anforderungen jetzt politisch zu vernachlässigen.  

Ist das billige Schweineschnitzel eine agrarpolitische Errungenschaft für Leute mit kleinem Geldbeutel?

Schwarz: Das Schnitzel hat seinen Wert und ist nicht billig. Eine sehr effiziente Landwirtschaft sorgt dafür, dass Schweinefleisch relativ günstig auf dem Markt angeboten werden kann.

Unabhängig vom Preis: Ist der Produktionsauftrag der Landwirtschaft allen Agrarpolitikern klar?

Schwarz: Ziel muss es sein, eine zukunftsfähige, klimagerechte Landwirtschaft mit aktiver Landbewirtschaftung und Nutztierhaltung zu erhalten und langfristig zu sichern. Das dürfte schon jedem klar sein.

Gilt das auch für Ihren grünen Koalitionspartner in der Landesregierung Schleswig-Holsteins?

Schwarz: Ja, unserem Koalitionspartner ist bewusst, dass die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein über einen Gunst-Standort verfügt. Daraus ergibt sich der Auftrag, Nahrungsmittel zu produzieren. Wir diskutieren aber natürlich über das „wie“. Dazu zählen die Zukunft der Landwirtschaft in Niederungsgebieten oder der Green Deal der EU, der unter anderem das Ziel verfolgt, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen.   

Als Minister sind Sie für die Ländlichen Räume zuständig und diese gelten entweder als „abgehängt“ oder müssen als Projektionsfläche für ein vermeintliches Idyll herhalten: Wie sehen Sie das?

Schwarz: Ländliche Räume verwirklichen gesellschaftliche Ansprüche. Wer hätte gedacht, als vor Jahren an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste die ersten Windkraftanlagen entstanden sind, dass sich daraus so ein Boom entwickelt? So etwas schaffen Sie nicht auf dem Gebiet einer Großstadt. Ländliche Räume haben großartige Entwicklungschancen und Potenziale, die es weiterzuentwickeln gilt.  

Offshore oder auf dem Land findet die Energiewende statt: Ist sie in den Dörfern willkommen?

Schwarz: Für energiepolitische Themen ist zwar grundsätzlich das Umweltministerium zuständig. Trotzdem ist aus meiner Sicht, als Minister für ländliche Räume, vor allem die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort besonders wichtig – nicht nur in der Frage, ob eine Windkraftanlage entsteht, sondern auch bei der Wertschöpfung. Nur so kann Akzeptanz in der Bevölkerung erzielt werden.

Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, sogenannte Agri-PV soll ebenfalls zur Energiewende beitragen – ist das praktikabel oder eher Theorie?

Schwarz: Deutschland und damit auch die schleswig-holsteinische Landesregierung sind damit konfrontiert, dass Energie aufgrund des Ukraine-Konflikts knapp und enorm teuer ist. Darauf gilt es zu reagieren, auch mit Photovoltaik. Natürlich kann mit Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen relativ schnell ein Zuwachs an Energie erzeugt werden. Dennoch sollte auf diesen Flächen grundsätzlich die Nahrungsmittelproduktion im Vordergrund stehen. Eine Möglichkeit, um perspektivisch landwirtschaftliche Erzeugung und Energieproduktion stärker zu verknüpfen, ist die Agri-Photovoltaik. Gerade auf wiedervernässten Moor-Standorten kann das eine mögliche Einkommensquelle sein. Aber noch sind wir damit im Anfangsstadium.

Ist es, trotz Energiewende, ein typisches Merkmal ländlicher Räume, dass ohne Auto nichts geht?

Schwarz: Es gibt schon tolle Initiativen im ländlichen Raum wie beispielsweise das Dörpsmobil SH (elektromobiles Carsharing), um alternative Mobilitätsangebote für Menschen ohne ein eigenes Auto zu schaffen. Und ich denke, dass sich hier in Zukunft – gerade im Zuge der E-Mobilität- auch noch einiges tun wird.  

Wissen die Bauern, dass sie auf dem Land eine Minderheit sind?

Schwarz: Es wäre vermessen, wenn sich die Berufsgruppe dessen nicht bewusst wäre, oder anders formuliert: Natürlich ist das allen klar. Es geht aber nicht um den Anteil an der ländlichen Bevölkerung, sondern um das vielfältige Engagement der Landwirtinnen und Landwirte in Gemeinderäten, Vereinen und anderen sozialen Projekten.

Das Gespräch führte Dietrich Holler, vox viridis, Berlin.

Frank Peter

Werner Schwarz (Jahrgang 1960) leitet in der Landesregierung Schleswig-Holstein seit Sommer 2022 das Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz. Zuvor war er langjähriger Präsident des Landesbauernverbandes Schleswig-Holstein und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Unionspolitiker Schwarz ist nicht der erste Minister in seiner Familie: Sein namensgleicher Großvater Werner Schwarz (1900–1982) war Bundestagsabgeordneter und von 1959 bis 1965 Bundeslandwirtschaftsminister.   

 

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