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Ermordung Dietrich Bonhoeffers im Konzentrationslager Flossenbürg

von Christine Bach
Wegen seiner Beteiligung am Widerstand einer Gruppe der militärischen Abwehr wurde der protestantische Theologe Dietrich Bonhoeffer nur wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. Protestanten und Katholiken in aller Welt orientieren sich bis heute an seinem Werk und seinem Vorbild.

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Dietrich Bonhoeffer mit Schülern im Frühjahr 1932 Bundesarchiv, Bild 183-R0211-316 / CC-BY-SA 3.0
Dietrich Bonhoeffer mit Schülern im Frühjahr 1932

Werdegang bis 1933

Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. April 1906 in Breslau als sechstes Kind des Professors für Psychiatrie und Neurologie Karl Bonhoeffer und dessen Ehefrau Paula (geb. von Hase) geboren. Die Familie lebte seit 1911 in Berlin, wo Karl Bonhoeffer an der Charité tätig war. Dietrich Bonhoeffers Kindheit und Schulzeit waren geprägt von den Erziehungs- und Wertvorstellungen des liberal gesinnten Bildungsbürgertums.

Nachdem er am humanistischen Grunewald-Gymnasium sein Abitur abgelegt hatte, studierte Bonhoeffer ab 1923 in Tübingen und Berlin Theologie. 1927 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Sein Vikariat absolvierte er anschließend in einer deutschen Gemeinde in Barcelona. Im Juli 1930 bestand Bonhoeffer in Berlin sein zweites theologisches Examen und er habilitierte sich in Systematischer Theologie. Um weitere Auslandserfahrungen zu sammeln, reiste er im September 1931 für ein Studienjahr nach New York. Als Student am Union Theological Seminary beeindruckten ihn weniger die amerikanische akademische Theologie, sondern seine Begegnung mit der Rassentrennung und persönliche Kontakte zu Afroamerikanern. Wichtige Anregungen, die nach seiner Rückkehr nach Deutschland Eingang in seine Tätigkeit als Pfarrer und in sein theologisches Werk fanden, erfuhr er durch die protestantische Bewegung des Social Gospel.

 

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Bonhoeffers internationale Erfahrungen immunisierten ihn gegen den zunehmenden Nationalismus in Deutschland. Sein Engagement für die Ländergrenzen überschreitende Verkündigungsarbeit der Kirchen kam in seiner Beteiligung an den Aktivitäten der „Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen“ zum Ausdruck. Im September 1931 wurde er in Cambridge zu einem der drei Internationalen Jugendsekretäre der innerprotestantischen ökumenischen Vereinigung gewählt. Zuvor war er im Juli 1931 in Bonn zum ersten Mal mit dem Schweizer evangelisch-reformierten Theologen Karl Barth zusammengetroffen, dessen Theologie ihn stark beeinflusste.

Nach seiner Ordination im November 1931 war Bonhoeffer als Stadtvikar im Hilfsdienst in Berlin-Mitte tätig. Vom Wintersemester 1931/32 bis 1933 wirkte er als Privatdozent an der Universität Berlin und als Studentenpfarrer an der Berliner Technischen Hochschule.

 

Pfarrer der Bekennenden Kirche

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten veränderte sich auch die Situation der protestantischen Kirchen im Deutschen Reich. Bereits 1932 hatte sich ein Teil der evangelischen Christen in der „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ zusammengeschlossen. Das Ziel der Vereinigung war die Umsetzung nationalsozialistischer Ideen in der Kirche. „Wir wollen, dass unsere Kirche in dem Entscheidungskampf um Sein oder Nichtsein unseres Volkes an der Spitze kämpft“, heißt es in den am 6. Juni 1932 erlassenen Richtlinien der „Deutschen Christen“. Nachdem sich 28 evangelische Landeskirchen am 1. Juli 1933 zur „Deutschen Evangelischen Kirche“ vereinigt hatten, fanden am 23. Juli reichsweite Kirchenwahlen statt, die die Deutschen Christen mit etwa zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen für sich entschieden. Bei einer Synode am 27. September 1933 wurde Ludwig Müller, Hitlers Bevollmächtigter für Fragen der evangelischen Kirche, zum Reichsbischof ernannt.

Dietrich Bonhoeffer gehörte seit dem Tag der nationalsozialistischen Machtübernahme zur innerkirchlichen Opposition. In seinem im April 1933 entstandenen und im Juli 1933 veröffentlichten Aufsatz Die Kirche vor der Judenfrage forderte er die Kirche dazu auf, Widerstand zu leisten, falls sie durch staatliches Handeln in der Gefahr stehe, ihr Wesen als Kirche zu verlieren. „Die Kirche kann sich ihr Handeln an ihren Gliedern nicht vom Staate vorschreiben lassen. Der getaufte Jude ist Glied unserer Kirche.“ In Konsequenz dieses Gedankens gründete er nach der Einführung des „Arierparagraphen“ am 5. September 1933 in der Kirche der Altpreußischen Union zusammen mit Martin Niemöller und anderen den „Pfarrernotbund“. Die Angehörigen des Pfarrernotbundes verpflichteten sich zu einer Amtsführung in alleiniger Orientierung an der Bibel und den lutherischen Bekenntnisschriften und erteilten damit der Übernahme nationalsozialistischen Gedankenguts in der kirchlichen Lehre eine Absage. Der Zusammenschluss war ein Schritt zur Entstehung der „Bekennenden Kirche“, die sich schließlich bei der Ersten Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche vom 29. bis 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen konstituierte. Bonhoeffer selbst war bei der Synode nicht anwesend, da er seit September 1933 ein Pfarramt in London ausübte.

Im April 1935 kehrte er nach Deutschland zurück, nachdem ihn der Bruderrat der Bekennenden Kirche gebeten hatte, die Leitung des Predigerseminars in Pommern zu übernehmen. In seiner Ausbildungstätigkeit für angehende Pfarrer entwickelte er in den nächsten Jahren eine Theologie der christlichen Nachfolge, die dem umfassenden Machtanspruch der nationalsozialistischen Ideologie entgegenstand. Der Druck, der von staatlichen Stellen auf die Bekennende Kirche ausgeübt wurde, verschärft sich jedoch zusehends. Mit der „Fünften Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 2. Dezember 1935 wurden Prüfungen und Ordinationen der Bekennenden Kirche verboten. Bonhoeffers Arbeit bewegte sich von da an zwei Jahre lang am Rande der Illegalität. Am 29. August 1937 wurden die Predigerseminare der Bekennenden Kirche schließlich auf Anweisung Heinrich Himmlers geschlossen.

 

Der so genannte Arierparagraf wurde erstmals in dem am 7. April 1933 von den Nationalsozialisten erlassenen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ formuliert. In Paragraf 3 verbot das Gesetz die Beschäftigung von "Nichtariern" im öffentlichen Dienst. Als "nichtarisch" galt, wer einen jüdischen Eltern- oder Großelternteil besaß.

 

Bonhoeffer selbst geriet zunehmend ins Visier der Gestapo. Aufgrund seiner Gegnerschaft zur Reichskirchenregierung erhielt er bereits im August 1936 ein Lehrverbot für die Berliner Universität. Im Januar 1938 wurde er mit einem Aufenthaltsverbot für die Hauptstadt belegt. Doch trotz der wachsenden Gefahr einer Verhaftung führte er die Predigerseminare weiter, nun im Rahmen inoffizieller Sammelvikariate in Hinterpommern. Zur Tarnung war er hier als „Hilfsprediger“ tätig. Eine Einladung des New Yorker Federal Council of Churches, die er seinen ökumenischen Kontakten verdankte, eröffnet ihm im Sommer 1939 die Möglichkeit einer Ausreise aus Deutschland. Nach einem Aufenthalt von nur wenigen Wochen in den USA entschloss er sich jedoch zur Rückkehr. An einen Freund schrieb er, er habe kein Recht, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens in Deutschland nach dem Kriege mitzuwirken, wenn er nicht die Prüfungen der Zeit mit seinem Volke teile. Bis zum März 1940 widmete er sich weiterhin den Sammelvikariaten, dann beendete die Gestapo auch diese Tätigkeit.

 

Widerstand und Tod

Bonhoeffers Gegnerschaft zum Nationalsozialismus fand in seiner Familie starken Rückhalt. Sein Schwager war Hans von Dohnanyi, der ehemalige Referent des Reichsjustizministers Gürtner. Von Dohnanyi war seit August 1939 im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht an Planungen für einen Umsturz beteiligt ist. Über Dohnanyi wurde Bonhoeffer erst zum Mitwisser, dann zum Beteiligten am militärischen Widerstand. Die von Admiral Wilhelm Canaris geleitete Abwehr war vor allem an Bonhoeffers Kontakten ins Ausland interessiert. Nachdem es gelang, ihn vom Militärdienst freizustellen, unternahm Bonhoeffer vom März 1940 an zahlreiche Reisen ins europäische Ausland, wo er unter anderem den Stab des Ökumenischen Rats der Kirchen über die Pläne und Ziele des deutschen Widerstands unterrichtet. Am 9. Oktober 1942 traf er in Freiburg mit den Juristen Constantin von Dietze und Erik Wolf zusammen. Er bat die beiden Wissenschaftler im Namen der „Vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche“ um die Ausarbeitung einer Denkschrift über die Grundsätze einer zukünftigen, auf christlicher Grundlage ruhenden Außen- und Innenpolitik. Dem sogenannten Freiburger Bonhoeffer-Kreis, der die Programmschrift „Politische Gemeinschaftsordnung - Ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unserer Zeit" in den folgenden Wochen erarbeitete, gehörten die Freiburger Nationalökonomen Constantin von Dietze, Walter Eucken, Adolf Lampe sowie der Historiker Gerhard Ritter und die Juristen Franz Böhm und Erik Wolf an. Der Hintergrund von Bonhoeffers Auftrag waren Pläne einiger Bischöfe der anglikanischen Kirche zur Einberufung einer Weltkirchenkonferenz nach Einstellung der Kriegshandlungen. Hierzu fanden über Bonhoeffer Beratungen mit Vertretern der Bekennenden Kirche statt.

Am 5. April 1943 wurde Bonhoeffer zusammen mit Hans von Dohnanyi verhaftet und in das Militärgefängnis Berlin-Tegel überstellt. Schon seit längerem bemühte sich das Reichssicherheitshauptamt darum, belastende Beweise gegen Angehörige der militärischen Abwehr zu sammeln, da dieses aus Sicht der SS zu eigenständig agierte. Nach monatelangen Verhören lautete die offizielle Anklage gegen Bonhoeffer auf „Wehrkraftzersetzung“. Seine Beteiligung an Umsturzplänen konnte man ihm zunächst nicht nachweisen. Doch nach dem misslungenen Attentat vom 20. Juli 1944 gelangte die SS in den Besitz des Geheimarchivs der militärischen Abwehr. Es enthielt Material, das auch Bonhoeffer belastete. Am 8. Oktober 1944 wurde er von Tegel aus in das Gefängnis des Reichssicherheitshauptamts in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße verlegt. Von hier erfolgte, nach einem Bombenangriff, bei dem das Gebäude in Teilen zerstört wurde, am 7. Februar 1945 Bonhoeffers Verlegung in das Konzentrationslager Buchenwald. Angesichts der vorrückenden US-Armee wurde er zusammen mit anderen Häftlingen am 3. April nach Schönberg im Bayerischen Wald gebracht. Hitler selbst gab am 5. April 1945 den Befehl zur Ermordung Bonhoeffers. Zusammen mit Wilhelm Canaris, Hans Oster, Ludwig Gehre und Karl Sack, wie Bonhoeffer Beteiligte am militärischen Widerstand, wurde er am Morgen des 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg durch Erhängen getötet. Noch am gleichen Tag ermordete die SS Hans von Dohnanyi in Sachsenhausen. Ein weiteres Opfer des nationalsozialistischen Terrors war Dietrich Bonhoeffers Bruder Klaus. Er starb kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin am 23. April 1945 durch die Hand eines SS-Mannes.

 

Rezeption

Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers wurden einem größeren Personenkreis durch die Edition Widerstand und Ergebung bekannt, die der Theologe Eberhard Bethge, der engste Vertraute Bonhoeffers im letzten Jahrzehnt seines Lebens, 1951 veröffentlichte. Grundlage der Edition waren die Briefe, die Bonhoeffer während seiner Haftzeit in Tegel an Bethge geschreiben hatte. Neben persönlichen Berichten enthalten sie auch theologische Überlegungen, Gebete und Gedichte. Das wohl bekannteste davon ist „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, das später auch vertont wurde. Überliefert ist es in einem der letzten erhaltenen Briefe Bonhoeffers, den er zu Weihnachten 1944 an seine Verlobte Maria von Wedemeyer sandte.

80 Jahre nach der Ermordung Bonhoeffers erinnern zahlreiche Publikationen und Veranstaltungen an Leben und Werk des protestantischen Theologen. Kritische Stimmen wenden sich dabei auch gegen eine Instrumentalisierung des christlich motivierten Widerstands gegen Hitler für gegenwärtige Positionen und eine falsche Darstellung historischer Fakten.

 

 

Literatur (Auswahl):

 

 

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