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Berndt Seite

Tierarzt, Ministerpräsident 22. April 1940 Hahnswalde/Schlesien
von Michael Hansmann
„Denn nur wer gestaltet, hat die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen“: Berndt Seite sah sich selber nicht als Widerstandskämpfer in der DDR, ihm ging es darum Haltung zu bewahren, Mensch zu bleiben, sich nicht ständig von der SED gängeln und bevormunden zu lassen. Zunächst noch verhalten in jüngeren Jahren, dann prägend mit Beginn der Wende in der DDR, zieht sich der Anspruch auf Gestaltung und Veränderung durch sein Leben.

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Kindheit und Jugend

Berndt Seite wurde am 22. April 1940 in Hahnswalde, Kreis Trebnitz in Niederschlesien geboren.

Infolge von Flucht und Vertreibung gelangte die Familie bis an die Elbe, wo der Vater in der Sowjetischen Besatzungszone einen Bauernhof mit 9,5 Hektar Land aus der Bodenreform übernahm. In Ihleburg, jetzt Teil von Burg in Sachsen-Anhalt, besuchte Berndt Seite von 1946 bis 1954 die Grundschule. Zwischenzeitlich erfolgte ein weiterer Umzug, da der Vater sich vom Neubauernhof trennte und sich einen Bauernhof mit eigenem Land kaufte. Es schloss sich von 1954 bis 1958 der Besuch der weiterführenden Landessschule Pforte (heute Landesschule Pforta in Naumburg) an.

 

Veterinärmediziner

Nach dem Abitur begann er an der Humboldt-Universität im damaligen Ost-Berlin Veterinärmedizin zu studieren und schloss das Studium im November 1963 erfolgreich ab. Berndt Seite leistete seine Pflichtassistenzzeit als Tierarzt in einem Schlachthof in Mecklenburg ab. Während seiner Tätigkeit in einer staatlichen Tierarztpraxis lehnte er die Abgabe von Antibiotika ohne Diagnose ab, was zu Unmut bei den Genossenschaftsbauern und auch seinen Vorgesetzten führte. Man drohte, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Er machte sich nun eine Eigenart des Systems zunutze, -das Eingabewesen-, und schrieb an den zuständigen Bezirkstierarzt. Dies führte dazu dass ihm die Stelle erhalten blieb. Seite hatte gelernt, dass man auch in einer Diktatur mit Zivilcourage und vorsichtigem Taktieren bestimmte Dinge ändern konnte.

Aufgrund des Tierärztemangels in der DDR wurde Seite vom Wehrdienst freigestellt.

In Walow war er schließlich von 1964 bis 1990 als praktischer Tierarzt tätig. In dieser Zeit bildeten Tierseuchen, wie die gefürchtete Maul- und Klauen-Seuche, eine große Herausforderung. Seite bewährte sich bei der Bewältigung der Krisen und bekam weitere Aufgaben im Tierschutzbereich übertragen. Während des Umbruchs in der DDR im Herbst 1989 konzentrierte sich Seite, neben seiner politischen Tätigkeit, auf die Gründung eines unabhängigen Verbandes für Tierärzte. Er forcierte die Gründung des Verbandes der Tierärzte in der DDR (VdT), dessen erster Vorsitzender er wurde. Gleichzeitig kam es zur Gründung der ersten privaten Tierarztpraxen in der DDR.

 

Kirche und beginnende Opposition

Das Leben von Berndt Seite und seiner Frau Annemarie, die er bereits im Studium kennengelernt hatte, verlief auf dem Land in geregelten Bahnen, man richtete sich in seiner privaten Oase und einer wachsenden Bibliothek ein und beobachtete kritisch die Gesamtsituation in der DDR, vor allem unter dem Eindruck des niedergeschlagenen Prager Frühlings, den aufkeimenden Hoffnungen nach dem Besuch von Willy Brandt in Erfurt, dem beginnenden KSZE-Prozess, aber auch dem Kalten Krieg zwischen Ost und West.

Für Berndt Seite wurde das Engagement in der evangelischen Kirche zu einem bestimmenden Faktor im Umgang mit dem herrschenden System der SED. Dieses Engagement war zunächst nicht absehbar, die Familie war zwar Mitglied in der Kirche, darüber hinaus aber nicht aktiv. Dies änderte sich, als der Gemeindepfarrer Seite im Sommer 1974 bat, für die Landessynode der evangelischen Kirche in Mecklenburg zu kandidieren.

Dies war für Seite eine neue Situation: Er, dem es bislang gelungen war allen Werbeversuchen von CDU und LDPD zu widerstehen, musste jetzt Stellung beziehen. Nach Gesprächen mit seiner Frau, die ihm deutlich machte, dass er sich als Mitglied der Kirche nicht verweigern könne, traf Seite die Entscheidung, sich für die Kirche zu engagieren, auch wenn ihm seine Vorgesetzten mit beruflichen Nachteilen drohten. Seit 1975 Mitglied der Synode in Mecklenburg, lernte er eine für sich neue Welt kennen, mit kirchlich engagierten Menschen unterschiedlichster Herkunft und Zielen. Mit dem Abschluss der Schlussakte von Helsinki schien sich, zumindest auf dem Papier, der Handlungsspielraum der Kirchen zu erweitern und Seite nutzte dies für ein intensiveres Engagement.

 

Reisen für die Kirche und Umgang mit Atomkraft und Umwelt

Als Delegierter der Landeskirche in Mecklenburg wurde Seite gebeten 1979 an der Konferenz des Weltkirchenrates in Boston teilnehmen. Zur Überraschung Seites genehmigte der zuständige Staatssekretär für Kirchenfragen die Reise, was in Teilen seiner Umgebung für Misstrauen ihm gegenüber sorgte. Davon wollte er sich nicht beeindrucken und die Reise wurde für ihn zu einem prägenden Erlebnis. Vor allem die Begegnungen in den USA mit anderen Menschen dort sowie die Beobachtung der Lebensverhältnisse beeindruckten ihn. Wegweisend für sein weiteres Handeln war die Diskussion auf der Konferenz über den Umgang mit der Atomkraft, gerade vor dem aktuellen Hintergrund des Reaktorunfalls in Harrisburg.

Seite stimmte auf dem Weltkirchentag für ein Atom-Moratorium, was ihm später in der DDR Aufmerksamkeit einbrachte. Die Themen Atomkraft und Umwelt wurden zu seinen zentralen Anliegen. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl sowie die wachsende atomare Aufrüstung in Ost und West lösten bei ihm tiefe Besorgnis aus. Vorträge über seine Erfahrungen in Boston sowie über Umweltprobleme in der Landwirtschaft der DDR hielt er unter dem schützenden Dach der Kirche, doch stets unter Beobachtung des Staates.

Trotz der kritischen Haltung durfte er weitere Reisen im Auftrag der Kirche unternehmen, so auch nach Kiel und in das damalige Leningrad.

Gleichzeitig wurde Seite immer mehr in die Arbeit der Kirche eingebunden. Er wurde nach der USA-Reise als Mitglied in den Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“ beim Bund der evangelischen Kirchen der DDR berufen. Durch die Mitarbeit in der Kirche lernte er weitere Persönlichkeiten kennen, die während des Umbruchs in der DDR eine Rolle spielen sollten, wie beispielsweise Markus Meckel, der mit ihm 1988 Delegierter auf der ersten Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR wurde und Wolfgang Schnur.

 

Umbruchzeit - Vom Neuen Forum zur CDU

Ermuntert durch die positiven Erfahrungen auf der Ökumenischen Versammlung und dem mutigen Auftreten einiger Personen dort, plante Berndt Seite, sich aktiv in die Politik einbringen. Er wollte bei der Kommunalwahl 1989 als unabhängiger Kandidat antreten, wohlwissend dass dies nicht vorgesehen war. Vom Wahlleiter des Kreises wurde er deshalb auf die Nationale Front verwiesen. Als FDGB-Mitglied wurde er auf die Einheitsliste gesetzt und erhielt dann ein Mandat in seiner Heimatgemeinde Walow.

Der Sommer 1989 brachte erste Veränderungen mit sich, die einen Vorgeschmack auf die kommenden Umwälzungen brachten und Berndt Seite persönlich mit voller Wucht trafen. Die Zahl der Flüchtlinge aus der DDR schwoll an. Über Ungarn versuchten viele in den Westen zu gelangen, dazu gehörte auch seine Tochter, die er eigentlich im Urlaub in Rumänien wähnte.

Die Feier seiner Silberhochzeit glich nach seinen Aussagen eher einer konspirativen Versammlung, da dort Aufrufe des Neuen Forums sowie der Gründungsaufruf der SDP auslagen und diskutiert wurden. Unter dem Dach der Kirche fanden weitere Zusammenkünfte der Oppositionsgruppe statt.

Seite wollte sich aktiv einbringen und entschied sich für das Neue Forum. Umworben wurde er auch von der neu gegründeten SDP. Hier überwog bei ihm aber die Befürchtung, dass sie eines Tages den alten Kadern der SED/PDS die Türen öffnen würde.

Nach Konstituierung des Neuen Forums wurde Berndt Seite zum Sprecher der Gruppe im Kreis Röbel gewählt. Für den 4. November 1989 wurde zur ersten Demonstration aufgerufen, ein letzter Versuch der SED-Kreisleitung Druck auszuüben, wurde von Seite zurückgewiesen. Die Arbeit im Neuen Forum behagte ihm auf Dauer nicht, denn Seite wollte handeln und nicht ständig diskutieren oder an Papieren arbeiten. Mit dem Mauerfall kam die große Zäsur. Nach einigen Tagen der Hochstimmung bröckelte die Stimmung ab und es stellte sich die Frage, wie es weiter gehen sollte. Auch das Neue Forum begann von den Rändern her zu erodieren, da die Interessen der Mitglieder zu unterschiedlich waren. Zur Jahreswende 1989/1990 änderte sich langsam der politische Standort Berndt Seites und seiner Frau. In ihnen reifte die Erkenntnis, dass das Neue Forum als Bürgerbewegung ohne Machtanspruch, bei Wahlen kein gutes Ergebnis erzielen würde und damit auch keine Veränderungen bewirken könne. Aber genau das wollte Berndt Seite: Veränderungen und Verantwortung übernehmen und aktiv gestalten. Beide entschieden sich das Neue Forum zu verlassen.

Trotz großer Bedenken, vor allem aufgrund ihrer Geschichte als Blockpartei, trat Berndt Seite der CDU bei. Er, der lieber auf eine bürgerliche und konservative Neugründung einer Partei gesetzt hätte, hoffte auf eine Erneuerung der CDU und der Umgestaltung zu einer Partei, wie es die CDU in der Bundesrepublik war.

In der CDU wurde er offen empfangen, zumal er als Bürgerrechtler galt und mit seinem Beitritt signalisierte, dass die neue Haltung der CDU Zukunft hatte.

 

Vom Landrat zum Ministerpräsidenten – oder die Kunst des Regierens

Nach der erfolgreichen Volkskammerwahl und dem Sieg des Bündnisses „Allianz für Deutschland“ rückten die Kommunalwahlen in den Fokus und für Seite bot sich eine neue Chance zur aktiven Gestaltung an, als er zum Kandidaten für das Landratsamt in Röbel aufgestellt wurde. Er verfehlte zwar die absolute Mehrheit, wurde aber, Dank einer Koalition mit der SPD, FDP und Neuen Forum, zum Landrat gewählt. Bereits in seiner ersten Rede erfolgte eine scharfe Abrechnung mit der abgelösten Diktatur. Eine Entlassung von Mitarbeitern, die der Stasi zugearbeitet hatten folgte und sorgte für Aufsehen.

Als Landrat des mit knapp 18.000 Einwohnern kleinsten Kreises in ganz Deutschland war es ihm bewusst, dass der Aufbau des wirtschaftlich schwachen Kreises sehr schwierig werden würde. Er kam zu dem Schluss, dass nur die Zusammenarbeit bzw. Fusion mit einem Nachbarkreis zu wirtschaftlichen Erfolgen führen konnte. Dies stieß im eigenen Kreis aber auf Ablehnung.

Nach der Bildung des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern schuf die CDU das Amt des Generalsekretärs, um den strukturellen Neuaufbau der Partei voranzutreiben. Für dieses Amt wurde Berndt Seite, der sich einen Ruf als Reformer gemacht hatte, vom Landesvorsitzenden Günther Krause vorgeschlagen. Auf dem Landesparteitag am 26. Oktober 1991 in Greifswald gewählt, machte er sich sogleich an die Arbeit. Es galt den zu großen alten Parteiapparat zu straffen, eine schlagkräftige Landesgeschäftsstelle aufzubauen und den finanziell schwachen Landesverband auf ein solides Fundament zu stellen. Gleichzeitig musste Seite die Mitglieder betreuen, die sich seit der Wende vernachlässigt gefühlt hatten. Dazu reiste er durchs Land empfing zahlreiche Mitglieder in der Parteizentrale und versuchte, sie wieder in die Arbeit einzubinden und warb gleichzeitig neue Mitglieder.

Eine kritische Lage für den Landesverband und die Regierung entstand durch den Verdacht, dass sieben Abgeordnete der CDU-Fraktion Stasi-Mitarbeiter gewesen seien. Dazu waren der Landesvorsitzende Krause wegen des Verkaufs der Ost-Tankstellen und Ministerpräsident Gomolka u.a. durch die Werftenkrise politisch angeschlagen. Die Lage eskalierte als Gomolka Justizminister Ulrich Born wegen „Illoyalität“ entließ, und die Fraktion daraufhin Gomolka das Vertrauen entzog, so dass er am 15. März 1992 seinen Rücktritt erklärte.

Berndt Seite wurde namens Partei und Fraktion gefragt, ob er bereit sei, für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren. Nach Beratung mit seiner Frau, stellte er sich zur Verfügung. Sowohl im Landesvorstand, als auch in der Fraktion fand er eine breite Unterstützung. Die Wahl zum Ministerpräsidenten, die am 19. März 1992 im zweiten Wahlgang erfolgte, musste er von der Besuchertribüne verfolgen, da er kein Abgeordneter war. Fast zeitgleich übernahm er turnusgemäß das Amt des Bundesratspräsidenten.

Die Werftenkrise und der vorausgegangene Streit zwischen dem Landesvorsitzenden Krause und der CDU/FDP-Koalition zur Einigung mit der Treuhand, die der Kvaerner-Werftgruppe den Zuschlag brachte, waren beherrschende Themen im strukturschwachen Land. Direkt nach Amtsantritt besuchte Seite zwei Werften und traf auf Arbeiter, die fast alle Hoffnung auf die Zukunft verloren hatten.

Mit den Brandanschlägen und zeitgleichen pogromartigen Protesten gegen Asylbewerber und vietnamesische Gastarbeiter im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen, kam es zu einer schweren innenpolitischen Krise. Seite war über die Ausschreitungen erschüttert und fühlte sich nicht mehr als Herr des Geschehens. Er war beschämt darüber, dass seine Mitbürger zum Mob werden konnten, und das Land als Hort von Radikalen international gebrandmarkt wurde.

Vor allem Innenminister Lothar Kupfer stand wegen des unzureichenden Einsatzes der Polizei in der Kritik, was schließlich im Februar 1993 zu dessen Rücktritt führte.

Damit wurde es allerdings nicht ruhiger in der Regierung Seite. Die Vorgänge um die Mülldeponie Schönberg führte zur Entlassung von Umweltstaatssekretär Peter-Uwe Conrad und zum Rücktritt der Umweltministerin Petra Uhlmann.

Mit Bundesverkehrsminister Günther Krause stand der Landesvorsitzende bundesweit in der Kritik. Gründe waren seine Mautpläne für die Autobahn und der Verkaufs des ostdeutschen Tankstellennetzes und private Dinge. Nach seinem Rücktritt als Bundesminister war auch dessen Position als Landesvorsitzender erschüttert. Stand Seite anfangs noch hinter Krause, warnte er schließlich vor der Gefahr einer Zerreißprobe für die Partei. Auf der entscheidenden Landesvorstandssitzung gab es eine stürmische Diskussion an deren Ende Krause unterlag und mit Angela Merkel eine neue Landesvorsitzende nominiert wurde.

Berndt Seite hatte in den letzten Jahren hohes Ansehen im Land erworben und bei der Landtagswahl 1994 schnitt die CDU entgegen vieler Prognosen, gut ab und erhielt 37,7 % der Stimmen, während die SPD nur 29,5 Prozent erreichte. Durch den Verlust des Koalitionspartners FDP musste ein neuer Partner gefunden werden. Mit der SPD kam es nach langwierigen Verhandlungen im Dezember 1994 zur Bildung einer großen Koalition. Die Zusammenarbeit in der Koalition erwies sich, trotz beginnender wirtschaftlicher Erfolge, als schwierig. Seite setzte sich weiter für die finanzielle Unterstützung des Landes aus dem Westen ein, für den Umweltschutz, den er schon zu DDR-Zeiten anmahnte und für weitere Hilfen für die Werften des Landes. Trotz einiger Koalitionskrisen, wie 1996, die nur durch eine Kabinettsumbildung zu lösen war, hielt die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode. Berndt Seite konnte noch Reformen der Landesverwaltung auf den Weg bringen und erneut eine Lösung für die Werften, diesmal nach dem Konkurs der Vulkan-Werften, erreichen.

Im allgemeinen politischen Klima des Wahljahres 1998 verlor die CDU die zeitgleich mit der Bundestagswahl angesetzte Landtagswahl. Berndt Seite blieb bis 2002 Abgeordneter, strebte aber keine politischen Ämter mehr an.

 

Im Visier des MfS

Bereits während des Studiums in Ost-Berlin wollte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Berndt Seite 1957 für eine Zusammenarbeit gewinnen. Nach einer ersten eher zufälligen Begegnung nach einem Besuch im Westteil Berlins, wurde er im Studium konkret angesprochen, widerstand aber den Werbeversuchen.

Vollends in das Blickfeld der Staatssicherheit geriet Seite mit dem Beginn seiner Tätigkeit als Synodaler der evangelischen Kirche in Mecklenburg. Unter einem Vorwand wurde er zur Verkehrspolizei gebeten, wo ihn drei Mitarbeiter des MfS erwarteten und ihn anwerben wollten. Mit dem evangelischen Bischof Heinrich Rathke führte er danach ein Gespräch über die Begegnung mit dem MfS. Rathke eröffnete ihm, dass in der Synode bereits viele von der Stasi angesprochen wurden, er aber nicht wisse, wie sich der Einzelne entschieden habe. Bischof Rathke gab zu bedenken, wenn man einmal nachgäbe, käme man nicht mehr davon los. Entscheide er sich gegen eine Zusammenarbeit, würde er ein reines Gewissen behalten, aber es bestehe auch die Gefahr, in Schwierigkeiten zu geraten. Berndt Seite lehnte eine Zusammenarbeit ab und teilte dies den MfS-Mitarbeitern mit. Von ihm fiel eine innere Last ab, aber die Unsicherheit blieb.

1993 musste sich Seite in der Landtagsfraktion gegen Vorwürfe wehren, dass er mit der Stasi-Kontakte hatte. Eindrucksvoll konnte er dies mit Hilfe der Gauck-Behörde widerlegen.

Nach dem Ende der SED-Herrschaft konnte Berndt Seite, zusammen mit seiner Frau, Einsicht in die Stasi-Akten nehmen. Mehr als 50 inoffizielle Mitarbeiter des MfS waren auf ihn angesetzt, teilweise Kollegen und Nachbarn. Diese Berichte füllen 27 Bände mit ca. 6000 Seiten.

 

Zurück im Leben

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik, das er auch als Rückkehr ins Leben bezeichnete, widmete er sich dem Schreiben. Berndt Seite verfasste mehrere Lyrikbände und eine Autobiographie. Ein Buch über seine Stasi-Akte ist derzeit in Arbeit.

Lebenslauf

  • 1958-1963 Studium und Promotion
  • 1964–1990 Tierarzt im Kreis Röbel
  • 1975 Mitglied der evangelischen Landessynode Mecklenburgs
  • 1989/1990 Präsident des Tierärzteverbandes der DDR
  • 1989-1990 Mitbegründer und Sprecher des Neuen Forums in Kreis Röbel
  • Februar 1990 Beitritt zur CDU
  • 1990-1991 Landrat im Landkreis Röbel
  • Oktober 1991 – März 1992 Generalsekretär der CDU Mecklenburg-Vorpommern
  • 1992–1998 Ministerpräsident
  • 1994-2002 MdL, Autor.

 

Veröffentlichungen

  • Weisser Rauch – Eine Erzählung aus den Tagen des Mauerfalls 1989, Sankt Augustin 2004.
  • Schneeengel frieren nicht – Eine Biographie, Berlin 2009.
  • Gefangen im Netz der Dunkelmänner. Ein Gespräch mit Berndt, Annemarie und Sibylle Seite mit dem fiktiven Gesprächspartner Klaus Feld über die Akten, die das MfS über die Familie Seite angelegt hatte, Weimar 2015.

 

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