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Ferdinand Friedensburg Ferdinand Friedensburg © picture-alliance/dpa | dpa

Ferdinand Friedensburg

Bergassessor, Landrat, Regierungspräsident, MdB, MdEP Dr. phil. 17. November 1886 Schweidnitz (Schlesien) 11. März 1972 Berlin
von David Grehn
Ferdinand Friedensburg, dessen politische Karriere 1933 abrupt endete, konnte diese 1945 wieder aufnehmen. Sein Einsatz galt dem demokratischen Neubeginn und der Einheit Deutschlands.

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Frühe Jahre und Erster Weltkrieg  

Friedrich Wilhelm Ferdinand Friedensburg wurde am 17. November 1886 im schlesischen Schweidnitz geboren. Er entstammte dem gehobenen Bürgertum: Sein Vater Ferdinand Friedensburg (der Zweite) war ein angesehener Jurist, der nebenbei numismatische Forschungen betrieb. Sein Großvater väterlicherseits Ferdinand Friedensburg (der Erste) war Politiker der linksliberalen Deutschen Fortschrittspartei (DFP) und von 1879 bis 1891 Oberbürgermeister von Breslau; sein Großvater mütterlicherseits, der Rittergutsbesitzer Hermann Severin, war dort Stadtrat. Friedensburgs Familie siedelte 1889 zunächst nach Berlin über und zog dann 1893 in das damals noch eigenständige Steglitz. Dort besuchte er das Gymnasium Steglitz, damals wie heute ein humanistisches Gymnasium. Von 1906 bis 1908 studierte er an der Universität Marburg Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geologie und wurde Mitglied im Verein Deutscher Studenten, einer nichtschlagenden, nichtfarbentragenden Studentenverbindung. Anschließend studierte er Bergbaukunde an der Bergakademie Berlin und beendete das Studium dort im Jahr 1910 mit dem Bergreferendarsexamen. 1911 wurde er an der Universität Breslau zum Dr. phil. im Fach Geologie promoviert. Im April 1914 legte er sein Examen als Bergassessor ab. Zwischendurch hatte er den Wehrdienst in seiner Geburtsstadt Schweidnitz abgeleistet; 1910 wurde er zum Leutnant der Reserve ernannt.

Im Mai 1914 trat Friedensburg eine Studienreise in die Vereinigten Staaten an, wo er vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht wurde. Fest entschlossen seinen Verpflichtungen als Reserveoffizier nachzukommen, machte er sich unverzüglich auf den Rückweg nach Europa. Das deutsche Generalkonsulat in New York riet heimkehrwilligen Deutschen an Bord eines italienischen Schiffes dorthin zu reisen. So begab sich Friedensburg auf den Passagierdampfer Ancona mit dem Zielhafen Neapel. Bei der Durchfahrt durch die Straße von Gibraltar wurde der Dampfer aber von britischen Seestreitkräften gestoppt und alle sich an Bord befindlichen wehrfähigen Deutschen in Gibraltar interniert. Im Oktober 1914 versuchte Friedensburg aus dem Internierungslager ins neutrale Spanien zu fliehen, brach sich dabei aber beide Beine und wurde schließlich wieder von britischen Soldaten aufgegriffen. Zum Jahreswechsel 1914/15 verlegten die Briten ihn gemeinsam mit seinen Mitgefangenen nach England, wo er gemeinsam mit anderen deutschen Offizieren recht komfortabel in einer Villa nördlich von London untergebracht wurde. Im Juni 1916 wurde er, wegen seiner nie völlig verheilten Beinverletzungen als Kriegsinvalide eingestuft und in die Schweiz entlassen, wo er bis zum Kriegsende für die Deutsche Botschaft tätig war. Dort lernte er Nelly Schilling kennen, die er im März 1917 heiratete. Noch im selben Jahr wurde Friedensburgs erster Sohn Ferdinand (der Vierte) geboren, ein Jahr später seine Tochter Eva, die Anfang der 1920er Jahre noch im Kindesalter verstarb. Zum Jahreswechsel 1919/20 kehrte er gemeinsam mit seiner jungen Familie nach Berlin zurück, wo er zunächst als Korrespondent für die Basler National-Zeitung tätig war.

 

Weimarer Republik

Friedensburg zählte von Anfang an zu den Unterstützern der neuen republikanischen Staatsordnung und schloss sich, als Reaktion auf den Kapp-Putsch, im Frühjahr 1920 der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an. Zum 1. Januar 1921 wurde er auf Betreiben gleichgesinnter Beamter im preußischen Innenministerium zum Landrat des Kreises Rosenberg in Ostpreußen ernannt. Seine Ernennung stieß vor Ort sogleich auf den Widerstand der mehrheitlich republikfeindlichen Großgrundbesitzer. Deren inoffizieller Anführer Elard von Oldenburg-Januschau, ein Vertrauter des späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, versuchte sogar Friedensburgs Amtsantritt durch Sabotage zu verhindern. Auf seinen Druck hin hatte der Kreisausschuss vor Friedensburgs Ankunft unter anderem beschlossen sämtliche Beamte und Angestellte des Kreises bis auf weiteres zu beurlauben, die Dienstwohnung des Landrats weiterhin an Friedensburgs entlassenen Vorgänger zu vermieten und das Kreisauto zu verkaufen. Die sechs Mitglieder des Kreisausschusses hatten darüber hinaus Oldenburg-Januschau ihr Wort gegeben zu von Friedensburg einberufenen Sitzungen gar nicht erst zu erscheinen. Auf diese Weise sollte diesem die Übernahme der Amtsgeschäfte unmöglich gemacht werden. Gegen diese Sabotageversuche setzte sich Friedensburg aber erfolgreich zur Wehr: Im persönlichen Gespräch gelang es ihm zunächst zwei Mitglieder des Kreisausschusses auf seine Seite zu ziehen, wodurch er in die Lage versetzt wurde eine beschlussfähige Sitzung des Kreisausschusses einzuberufen. Auf dieser wurden alle gegen Friedensburg gerichteten früheren Beschlüsse rückgängig gemacht. Daraufhin erschienen Beamte und Angestellte tatsächlich wieder zum Dienst und Friedensburg konnte seine Tätigkeit als Landrat aufnehmen. In den folgenden Jahren erarbeitete er sich den Respekt vieler Einwohner Rosenbergs. Er führte unter anderem die zuvor kriegsbedingt in Stocken geratene Elektrifizierung des Landkreises erfolgreich durch und federte durch die Herausgabe von Notgeld (sogenannte Ferdinand-Rubel) die Folgen der grassierenden Inflation ab.

1925 betraute der preußische Innenminister Carl Severing (SPD) den durch seine auch von der Presse aufgegriffene Auseinandersetzung mit den Großgrundbesitzern mittlerweile recht bekannten Friedensburg zunächst mit der kommissarischen Leitung des Berliner Polizeipräsidiums. Nach der Ernennung eines regulären Präsidenten übte er das Amt des Polizeivizepräsidenten aus. Auch in dieser Rolle trat er als Verteidiger der republikanischen Staatsordnung auf und scheute sich nicht, das Umfeld von Reichspräsident Hindenburg öffentlich verfassungsfeindlicher Umtriebe zu bezichtigen. Dem Präsidenten missfiel dies, weshalb er 1927 bei der preußischen Regierung die „Wegbeförderung“ Friedensburgs erwirkte. Er wurde von Berlin nach Kassel versetzt, wo er zwar Regierungspräsident wurde, jedoch nicht mehr im Zentrum des politischen Geschehens wirken konnte.

 

Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Friedensburg zunächst in den einstweiligen Ruhestand versetzt und dann wegen „Unzuverlässigkeit“ aus dem Staatsdienst entlassen. Gezwungenermaßen zog er sich ins Privatleben zurück und begann mit der Abfassung umfangreicher bergbauwissenschaftlicher Studien, welche in Fachkreisen breite Anerkennung fanden. Bald galt Friedensburg als Experte auf diesem für die militärische Aufrüstung wichtigem Gebiet. Auf sein Fachwissen wollten Militär und Verwaltung nicht verzichten und engagierten Friedensburg daher trotz seiner politischen Haltung wiederholt als Berater. 1939 wurde er als Auswärtiger Mitarbeiter an das Deutsche Institut für Konjunkturforschung (später Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) berufen. Gleichwohl hatte Friedensburg immer wieder mit Repressalien des Regimes zu kämpfen. Bereits am 6. Februar 1935 war er auf Anordnung Hermann Görings verhaftet und in ein Gefängnis der Gestapo gebracht worden. Hintergrund war eine Entscheidung, die Friedensburg 1928 als Kasseler Regierungspräsident getroffen hatte. Damals hatte eine Ortsgruppe der NSDAP – vom örtlichen Landrat geduldet – im Landkreis Speckswinkel verbotene militärische Übungen durchgeführt. Als Friedensburg davon erfuhr, entließ er den Landrat und die Ortsgruppe wurde aufgelöst. Auf Grundlage dieser Episode wollte Göring nun eine Anklage wegen Landesverrat konstruieren. Felix Parrusius, Reichsanwalt beim Volksgerichtshof, zog die Ermittlungen auf Drängen von Friedensburgs Ehefrau aber nach kurzer Zeit an sich und stellte das Verfahren zügig ein. Erst sechs Wochen später ordnete Göring Friedensburgs Haftentlassung zum 26. Juni 1935 an. In einen weiteren ernsthaften Konflikt mit der Staatsgewalt geriet Friedensburg im Frühjahr 1940. Während einer Urlaubsreise nach Kärnten äußerte er sich gegenüber einer anderen Urlauberin skeptisch über die Chance eines deutschen Sieges im Krieg. Diese denunzierte ihn daraufhin bei der Polizei, welche gegen Friedensburg ein Verfahren wegen „Heimtücke“ einleitete. Mit Hilfe eines nationalsozialistischen Anwalts und des geschiedenen Ehemanns der Denunziantin gelang es ihm aber diese vor dem Sondergericht als unglaubwürdig, sich selbst hingegen als staatstreuen Bürger darzustellen, der lediglich vor verfrühter Euphorie habe warnen wollen. Folglich wurde Friedensburg freigesprochen. Wiewohl er zu einigen Widerstandskämpfern wie Ernst von Harnack freundschaftliche Beziehungen pflegte, leistete er selbst keinen aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Vielmehr bemühte er sich um tragfähige Arbeitsbeziehungen zu den verantwortlichen Funktionären in Militär und Verwaltung, denn von diesen hing seine Publikationserlaubnis und damit auch sein finanzielles Auskommen sowie die Sicherheit seiner Familie ab. Auch wenn er dementsprechend in die Planungen zum Attentat vom 20. Juli 1944 nicht eingeweiht war, erhielt er in dessen Nachgang ein Publikationsverbot.

 

Einladung zu einer Wahlkundgebung 1948 KAS/ACDP 10-004 : 54
Einladung zu einer Wahlkundgebung 1948

Nachkriegszeit und Bundesrepublik

Nach Kriegsende übernahm Friedensburg die Präsidentschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und gehörte im Juni 1945 zu den Berliner Gründungsmitgliedern der CDU. Zunächst bemühte er sich erfolgreich um gute Beziehungen zur sowjetischen Besatzungsmacht. Im August 1945 ernannte ihn Marschall Schukow zum Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltung der Brennstoffindustrie in der Sowjetischen Besatzungszone. Aus diesem Amt wurde er allerdings kaum ein Jahr später wegen seines Widerstands gegen die entschädigungslose Enteignung von Bergwerken wieder entlassen. Nach der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin am 20. Oktober 1946 wurde Friedensburg für die CDU als Stellvertreter des Oberbürgermeisters Mitglied des Magistrats. Als solcher setzte er sich entschieden für die Erhaltung der deutschen Einheit ein, zu welchem Zweck er eine strategische Zusammenarbeit mit den Sowjets und der SED für nötig erachtete. Er gehörte zu den Mitorganisatoren einer Konferenz in Wannsee vom 9. November 1947, auf der verschiedene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter der spätere DDR-Kulturminister Johannes R. Becher (SED) und der frühere Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD), zusammentraten, um noch einmal eindringlich die Einleitung von konkreten Maßnahmen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit zu fordern. Dieser und ähnliche Versuche brachten Friedensburg vor allem seitens der westdeutschen SPD den Vorwurf ein er vertrete die Interessen der Sowjetunion und betreibe „Satellitenpolitik“.

In einer Stellungnahme der SPD-Parteivorstands im Vorfeld der Konferenz vom November 1947 hieß es:

„Seit Januar dieses Jahres bemüht sich die kommunistische SEP mit einem ungeheuren Aufwand an nationalen Phrasen, eine günstige Verhandlungsposition für die ihr nahestehende Siegermacht bei den kommenden politischen und diplomatischen Verhandlungen der Siegermächte zu schaffen. Deutschland ist ihr grade recht dazu, für die Interessen eines fremden Staates ausgewertet zu werden. […] Jetzt soll vor der Londoner Konferenz unter formaler Verantwortung des christlich-demokratischen Ostzonenpolitikers Dr. Friedensburg, der einer der Bürgermeister Berlins ist, eine Besprechung führender Persönlichkeiten des deutschen öffentlichen Lebens aus allen vier Zonen zustande gebracht werden. […]. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat mit diesem neuen Versuch der Satellitenpolitik nichts zu tun.“

Friedensburg antwortete auf diese Stellungnahme der SPD mit einem Brief an ihren Vorsitzenden Kurt Schumacher, in dem er unter anderem ausführte:

„Die Frage unseres Verhältnisses zur östlichen Besatzungsmacht stellt eines der schwierigsten Probleme für uns alle dar. Wollen wir aber trotz der aus diesem Problem sich ergebenden Spannungen die innerliche deutsche Gemeinschaft aufrechterhalten und ihre äußere Verwirklichung erreichen, so bleibt gar nichts anderes übrig als sich mit dieser Besatzungsmacht loyal und verständig auseinanderzusetzen […].“

Die SPD-Führung zeigte sich aber nicht bereit von ihrer Haltung abzuweichen und lehnte weiter jede Zusammenarbeit mit der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED ab. Unter diesen Bedingungen konnte Friedensburgs Konferenz ihren Anspruch, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit zu repräsentieren nicht aufrechterhalten und erzielte somit keinerlei Wirkung. Stattdessen beschleunigte sich der Prozess der Teilung Deutschlands und Berlins. Im Juni 1948 wurde Berlin durch die Währungsreformen zunächst fiskalisch geteilt, was Friedensburg bis zuletzt zu verhindern versucht hatte. Anschließend begann die Sowjetunion sämtliche Zufahrtswege nach Berlin zu blockieren, weshalb die Westsektoren die nächsten Monate lang durch Amerikaner und Briten aus der Luft versorgt werden musste. Wegen der Zunahme willkürlicher Verhaftungen im sowjetischen Sektor, entließ Friedensburg, der im Magistrat für die Polizeiaufsicht zuständig war, Ende Juli dann den kommunistischen Präsidenten der Berliner Polizei und ersetzte ihn durch seinen sozialdemokratischen Stellvertreter. Diese Entscheidung wurde aber nur von den Westmächten akzeptiert, was de facto die Spaltung der Berliner Polizei bedeutete. Im Oktober spaltete sich auch die Stadtverordnetenversammlung. Aus Sicherheitsgründen mussten ihre Sitzungen in den Westsektor verlegt werden, worauf die SED-Abgeordneten nicht mehr erschienen. Tatsächlich galten die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung fortan nur noch in West-Berlin. Seit dem 14. August vertrat Friedensburg die erkrankte Oberbürgermeisterin Louise Schröder (SPD) und versuchte weiter dem Teilungsprozess entgegenzuwirken. In der gesamtstädtischen Verwaltung Groß-Berlins sah er das letzte Bollwerk eines einigen Deutschlands und setzte daher alles daran, sie so lange wie möglich zu erhalten. Aus diesem Grund verweigerte der Magistrat unter seiner Führung trotz sowjetischer Repressalien bis zuletzt die freiwillige Verlegung seines Sitzes von dem im Ostsektor gelegenen Stadthaus nach West-Berlin. Immer wieder appellierte Friedensburg zudem sowohl öffentlich als auch privat an die sowjetischen Verantwortlichen ihren Kurs zu korrigieren. Am Abend des 30. November 1948 wurde die Teilung Berlins aber allen Bemühungen Friedensburgs zum Trotz endgültig vollzogen. Mehrere hundert SED-Funktionäre versammelten sich im Admiralspalast und wählten einen „Gegen-Magistrat“ mit Friedrich Ebert junior als Oberbürgermeister. Am nächsten Morgen verweigerte die Ost-Berliner Polizei Friedensburg den Zutritt zum Stadthaus. Damit war die Tätigkeit des verfassungsmäßigen Magistrats endgültig auf den Westteil der Stadt beschränkt worden. Die Neuwahl der Stadtverordnetenversammlung fand vier Tage später nur noch in West-Berlin statt. Friedensburg wurde zwar von der CDU im Bezirk Spandau als Spitzenkandidat aufgestellt und auch in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Jedoch erzielte die SPD mit einem Stimmanteil von 64,5 Prozent einen Erdrutschsieg. Neuer Oberbürgermeister wurde Ernst Reuter (SPD), dessen Ernennung in der vorangegangenen Legislatur noch von den Sowjets blockiert worden war. Zwar entschloss sich die SPD trotz eigener Mehrheit dazu die bisherige All-Parteien-Koalition fortzusetzen, Friedensburg war im neuen Magistrat aber nur noch zweiter Stellvertreter des Oberbürgermeisters und als solcher deutlich weniger einflussreich, zumal er mit Reuter weder politisch noch persönlich harmonierte. Bei der ersten Wahl zum West-Berliner Abgeordnetenhaus zwei Jahre später trat er erneut an und konnte sich kurzzeitig Hoffnungen auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters machen. Da die SPD nur noch 44,7 Prozent der Stimmen erzielte, die CDU 24,7 Prozent und die FDP 23,1 Prozent, wäre die Bildung eines Senats aus Union und FDP möglich gewesen. Konrad Adenauer hatte vor der Wahl Friedensburg bedeutet, dass er in diesem Fall Regierungschef werden sollte, änderte aber nach der Wahl – womöglich unter amerikanischem Einfluss – seine Meinung und drängte auf die erneute Bildung einer All-Parteien-Koalition unter Führung Reuters. Einem Senat Reuter wollte Friedensburg nicht weiter angehören und verzichtete deshalb auf den abermaligen Eintritt in die Regierung. Von 1952 vertrat Friedensburg Berlin im Deutschen Bundestag und schied damit endgültig aus der Berliner Landespolitik aus. Ab 1954 gehörte er zusätzlich dem Europaparlament an.

Seine Politik in den Berliner Jahren war stets von der Überzeugung geleitet worden, dass die deutsche Einheit, deren Wiederherstellung für ihn oberste Priorität hatte, nur im Einvernehmen mit der Sowjetunion möglich sei, weshalb er, im Gegensatz zu Reuter und Adenauer, nie bereit gewesen war, vollständig mit ihr zu brechen. Seinen diesbezüglichen Grundüberzeugungen blieb er auch nach 1949 treu. Weiterhin sprach er sich für eine „werbende Ostpolitik“ aus und begrüßte noch im hohen Alter die neue Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition. Dem Bundestag und dem Europaparlament gehörte er noch bis 1965 an. Seinen anschließenden Ruhestand widmete er der Abfassung seiner Memoiren.

Ferdinand Friedensburg starb am 11. März 1972 in Berlin.

Lebenslauf

Besuch eines humanistischen Gymnasiums in Berlin; Studium der Rechts- und Bergbauwissenschaften in Marburg und Berlin

1910                  Referendarexamen

1911                  Promotion in Breslau

1914                  Assessor an der Berliner Bergakademie

1919                  DDP

1921–1925      Landrat des westpreußischen Kreises Rosenberg

1925–1927      Vizepräsident der Berliner Polizei

1927–1933      Regierungspräsident in Kassel

Febr. 1933       Amtsenthebung

1935                  Verhaftung

1945                  Mitgründer der CDU in Berlin

1945–1946      Präsident der Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)

1945–1968      Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

1946–1951      Stellvertretender Oberbürgermeister von Berlin

1948–1950      Stadtverordneter

1950–1952      Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin

1952–1965      MdB

1954–1965      Mitglied des Europäischen Parlaments

Veröffentlichungen

Friedensburg, Ferdinand: Lebenserinnerungen – Kaiserreich, Weimarer Republik, Hitlerzeit. Frankfurt/Main 1969.

Friedensburg, Ferdinand: Es ging um Deutschlands Einheit. Rückschau eines Berliners auf die Jahre nach 1945. Berlin 1971.

Literatur

Agethen, Manfred: Ferdinand Friedensburg (1886–1972). Stellvertretender Oberbürgermeister von Berlin. In: Günter Buchstab/Brigitte Kaff/Hans-Otto Kleinmann (Hg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Freiburg im Breisgau 2004, S. 179–186.

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