Ausbildung und erste Schritte
Karl Friedrich „Fritz“ Burgbacher wurde am 1. September 1900 in Mainz in ein katholisches Elternhaus geboren. Seine Eltern Karl Burgbacher und Elisabeth (geb. Finkenauer) ermöglichten ihm unter erheblichen finanziellen Anstrengungen – der Vater arbeitete als Goldschmiedgeselle – den Besuch der Oberrealschule. Über seinen Vater kam er mit der christlichen Gewerkschaft in Kontakt, sein Religionslehrer vermittelte ihm die Ideen des Mainzer Bischofs Wilhelm von Ketteler. Nach dem Erwerb des Abiturs nahm er ein Studium der Volkswirtschaft und der Staatswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main auf, welches er 1921 im Alter von 20 Jahren mit einer Promotion über „Karl Büchers Bedeutung für die Statistik“ abschloss.
Bereits als Student trat Burgbacher dem Windthorstbund bei, der Jugendorganisation der Zentrumspartei. Das war aufgrund seiner Verwurzelung in der katholischen Jugendbewegung und Soziallehre nur folgerichtig. In Wahlkampfzeiten leistete er tatkräftige Unterstützung für Otto Rudolf von Brentano di Tremezzo, den Landesvorsitzenden der hessischen Zentrumspartei und Vater des späteren Bundesaußenministers Heinrich von Brentano di Tremezzo.
Anfänge in der Politik
Nach der Promotion war er in verschiedenen Branchen tätig, u.a. als Syndikus der Mainzer Niederlassung der Dresdner Bank AG, als selbstständiger Wirtschaftsberater und ab 1929 als Vorstandsmitglied des regionalen Kölner Energieversorgers Rhenag. Im selben Zeitraum wurde ihm ein Lehrauftrag für Energiewirtschaft an der Universität zu Köln erteilt. Seit dem 26. November 1929 gehörte er für die Zentrumspartei dem hessischen Landtag an, aus dem er 1931 wieder ausschied.
Bei der Kommunalwahl des 12. März 1933 zog er über Listenplatz 23 – einen Platz vor Karl Katzer, dem Vater des späteren Bundesinnenministers Hans Katzer – der Zentrumspartei in die Kölner Stadtverordnetenversammlung ein. Noch vor der Selbstauflösung der Zentrumspartei am 5. Juli 1933 trat Burgbacher zusammen mit einem Stadtverordnetenkollegen der NS-Ratsfraktion als Hospitant bei. Dieser Versuch der ehemaligen Zentrumsmitglieder, den Nationalsozialismus durch die Festlegung auf eine christliche Politik einzuhegen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Burgbachers Mandat endete mit der Auflösung des Stadtparlaments am 1. April 1934.
Zeit des Nationalsozialismus
1937 trat Burgbacher der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.965.444) bei. 1943 zählte er zu den maßgeblichen Initiatoren der Gründung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln. Einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge wurde das Institut jedoch seitens der Nationalsozialisten mehr geduldet denn aktiv unterstützt, sowohl Burgbacher wie auch der andere Lehrstuhlinhaber Theodor Wessels galten wegen ihres katholischen Glaubens als politisch fragwürdig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Burgbacher durch die britische Militärregierung entlastet und rehabilitiert.
Politiker in der Bundesrepublik
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur betrieb Burgbacher eine schonungslose Fehleranalyse und identifizierte materialistisches Denken, Bindungslosigkeit und Feindschaft gegenüber dem Christentum als entscheidende Gründe für den Aufstieg des Nationalsozialismus. Nicht materieller Fortschritt, sondern die geistigen Fundamente einer Gesellschaft bestimmten die Erfolgsaussichten ihrer demokratischen Perspektiven: „Die echte Demokratie kann nur in Freiheit bestehen.“
Sein politisches Engagement in der Nachkriegszeit begann mit dem Eintritt in die CDU im Jahr 1948. 1952 wurde er zum Landesschatzmeister der CDU Rheinland ernannt. Auf dem Karlsruher Parteitag am 23. Mai 1960 wurde er zum Bundesschatzmeister der CDU gewählt. Beide Ämter hatte er bis 1967 inne.
Seit 1955 lehrte Burgbacher als Honorarprofessor an der Universität zu Köln. 1960 erweiterte sich seine Lehrkompetenz, er hielt in der Geisteswissenschaftlichen Fakultät Vorlesungen und Übungen zur „Europäischen Integration“.
Bei der Bundestagswahl 1957 zog er das erste Mal, in diesem Fall noch über die Landesliste, in den Deutschen Bundestag ein. Er gehörte dem Parlament für die folgenden 17 Jahre an. Bereits 1958 übernahm er in Nachfolge des plötzlich verstorbenen Karl Arnold den Vorsitz der Arbeitsgruppe „Eigentum“. Seit 1959 entsandte ihn der Bundestag in die Nordatlantische Versammlung, der er bis 1976 angehörte. 1968 bis 1969 hatte er den Vorsitz des dortigen Wirtschaftsausschusses inne.
In der folgenden Bundestagswahl 1961 errang Burgbacher mit 64,4% der Erststimmen das Direktmandat im Wahlkreis Geilenkirchen – Erkelenz – Jülich, welches Karl Arnold bei der vorherigen Wahl gewonnen hatte.
Diesen Erfolg konnte er bei der Bundestagswahl 1965 mit 63,1% der Erststimmen wiederholen. Im selben Jahr fungierte er als stellvertretender Vorsitzender des Bundestagssonderausschusses zur Erarbeitung des Parteiengesetzes. Burgbachers Einfluss war 1968 maßgeblich bei der Entscheidung der CDU für den sogenannten Beteiligungslohn, einen gesetzlichen Investivlohn.
Auch bei der Bundestagswahl 1969 wurde er mit 60,9% der Erststimmen gewählt. Bei der Billigung des Warschauer Vertrags gehörte Burgbacher zu den 17 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, welche gegen eine Annahme votierten. In dieser Zeit war er zudem Vorsitzender der von Fraktion und Bundespartei gemeinsam eingesetzten Kommission „Eigentum/Vermögensbildung“.
Bei der Bundestagswahl 1972 trat er nicht mehr als Direktkandidat an, zog jedoch wie in seiner ersten Wahlperiode über die Landesliste in den Bundestag ein. Mit dem Ende der Legislaturperiode schied Burgbacher aus dem Parlament aus. Trotz persönlicher Ambitionen sollte ihm Zeit seiner parlamentarischen Tätigkeit nie der Vorsitz der Wirtschaftsausschuss vergönnt sein.
Der „Burgbacher-Plan“
Der zeitgenössischen bundesrepublikanischen Erinnerung blieb vor allem der sogenannte Burgbacher-Plan im Gedächtnis. Das maßgeblich durch Burgbacher erarbeitete und am 15. August 1969 vorgestellte Schwerpunktprogramm war das öffentlichkeitswirksame Flaggschiff der vermögenspolitischer Initiativen der Union in den späten 1960er Jahren. Sein Ansinnen, Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu beteiligen, symbolisierte einen klaren politischen Kurswechsel. Konkret sah der „Burgbacher-Plan“ die gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen vor, Abgaben zur Vermögensbildung ihrer Arbeitnehmer zu leisten.
Aus Arbeitgeber- und Wirtschaftskreisen regte sich erheblicher Widerstand, es wurden Bedenken hinsichtlich der Tarifautonomie oder eines gesetzlichen Sparzwangs eingebracht. Selbst Gewerkschaften sahen ihren Einfluss bedroht. Das Programm zielte auf den Gewinn von Arbeitnehmerstimmen ab, die Burgbacher als unerlässlich für den Weg zurück in die Regierungsverantwortung hielt. Er sah die Vorschläge in der Tradition des „Leitbild[s] des christlichen Sittengesetzes“.
Ausgehend von seinem Schwerpunktprogramm wurde 1970 ein Gesetzesvorschlag durch die CDU in den Bundestag eingebracht, dem jedoch kein Erfolg vergönnt war. Anstatt dessen setzte die Koaltion aus SPD und FDP das sogenannte „624-Mark-Gesetz“ durch. Burgbacher kritisierte gegenüber der Zeit am 28. März 1971, dass „das Kernproblem […] doch nicht das Geldsparen [ist], sondern die Beteiligung der Unselbständigen am Produktionskapital“. Die herkömmlichen Sparmodelle würden Arbeitnehmern lediglich Zinsgewinne auszahlen, weitergehende Gewinne „fließen als Eigentum dahin, wo Alteigentum besteht“.
Im Europäischen Parlament
Seit 1958 war er Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort führte er von 1962 bis 1967 den Vorsitz des Energieausschusses und gehörte dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung an. Weiterhin war er Teil des Vorstands der Christlich-Demokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments und des „Politischen Komitees“ der Europäischen Union Christlicher Demokraten. In Anerkennung seiner Verdienste fungierte er von März 1973 bis Dezember 1975 als Vizepräsident des Europäischen Parlaments.
Rückzug aus der Politik
Burgbacher starb am 29. Juli 1978 in Köln. Er wurde in Nachrufen „als ein großer Europäer und als bedeutender Energiepolitiker gewürdigt“ und habe „als ‚Pionier der Eigentumspolitik‘ und als ‚Anwalt der sozialen Partnerschaft‘“ (Günther Buchstab) ein starkes Vermächtnis hinterlassen. Der gebürtige Hesse „begriff Wirtschafts- und Sozialpolitik immer im Zusammenhang als Gesellschaftspolitik und verkörperte so das Wesen der Sozialen Marktwirtschaft“. Mit seinen vermögenspolitischen Vorstellungen war Burgbacher seiner Zeit voraus. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Kölner Melaten-Friedhof.
Der Nachlass von Fritz Burgbacher befindet sich im Archiv für Christlich-Demokratische Politik.
Lebenslauf
- Studium der Volkswirtschaft und der Staatswissenschaften in Frankfurt/Main
- seit 1921 als Geschäftsführer, Syndikus sowie Wirtschafts- und Steuerberater tätig
- 1928–1931: MdL Hessen (Zentrum)
- 1933/34: Stadtverordneter in Köln (Zentrum)
- 1948: Eintritt in die CDU
- 1952–1967: Landesschatzmeister der CDU Rheinland
- 1957–1976: MdB
- 1958–1977: Mitglied des Europäischen Parlaments (1973–1975 Vizepräsident, 1958–1967 Vorsitzender des Energieausschusses)
- 1959–1976: Mitglied der Nordatlantischen Versammlung (1968/69 Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses)
- 1960–1967: Bundesschatzmeister der CDU
- 1965: Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern
- 1975: Gregorius-Orden
Veröffentlichungen
- Gedanken zu unserer Zeit, 5 Bde. (1957–1976)
Literatur
- Günter Buchstab: Fritz Burgbacher (1900–1978). Ein Lebensbild, Sankt Augustin 2000.
- Günter Buchstab: Fritz Burgbacher (1900–1978), in: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 10, Münster 2001, S. 193–210.
- Günter Buchstab: Vom Mitarbeiter zum Miteigentümer. Der Burgbacher-Plan von 1969, in: Historisch-Politische Mitteilungen, Januar 1999, Band 7, Ausgabe 1, S. 269–288.