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Johannes Gronowski Johannes Gronowski © Stadt- und Kreisarchiv Paderborn S – S1/49/122

Johannes Gronowski

Maschinenschlosser, Oberpräsident, Landtagsabgeordneter 4. Februar 1874 Graudeuz/Westpreußen 27. August 1958 Paderborn
von Stefan Gronimus
Aus einfacher Herkunft stammend durchlief der gelernte Maschinenschlosser Johannes Gronowski eine im zeitgenössischen Kontext beeindruckende Karriere. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg war er als Parlamentarier tätig und stieg in der Weimarer Republik zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen auf. Nach 1945 zählte er zu den zentralen Gründungsfiguren der CDU Westfalen.

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Kindheit

Johannes Franz Gronowski wurde am 4. Februar 1874 in der westpreußischen Kreisstadt Graudenz (heute Grudziądz) als Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Er wuchs als Halbwaise auf, sein Vater starb noch vor seiner Geburt. Seine Kindheit verbrachte er daher in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen. Diese Erfahrung sollte für sein weiteres Leben prägend sein. Nach dem Verlassen der Schule begann er mit 15 Jahren in Berlin eine Lehre als Maschinen- und Bauschlosser, welche er mit der Gesellenprüfung abschloss. Es folgten die herkömmlichen Wanderjahre, an deren Schluss er sich in Dortmund niederließ. Im Beruf stieg Gronowski, nachdem er entsprechende qualifizierende Weiterbildungskurse beim „Volksverein für das katholische Deutschland“ durchlaufen hatte, vom Maschinenschlosser zum Werksführer der in Dortmund ansässigen Eisenbahnhauptwerkstatt auf. Mit seiner Frau Sophie (geb. Pott-Eckardt), die er 1904 heiratete, bekam er insgesamt fünf Kinder.

Berufliche Anfänge und Einstieg in die Politik

1895 entschloss er sich dazu, mit Gleichgesinnten das „Volksbüro“, einen Vorläufer der späteren Arbeitersekretariate, zu gründen. Am 1. April 1902 wurde ihm die Leitung des neu gegründeten Arbeitersekretariats im Dortmunder Stadtteil Hörde übertragen. In dieser Tätigkeit wirkte er, wie er selbst bekannte, immer auch im Sinne christlicher Politik. Ein Jahr später wurde Gronowski, der sich kommunalpolitisch in der Deutschen Zentrumspartei zu engagieren begann, in die Dortmunder Stadtverordnetenversammlung gewählt. Am 6. Mai 1906 war er einer der Gründungsväter des ersten katholischen Arbeitervereins in Dortmund.

In seinem Wirken als Arbeitersekretär erlangte Gronowski rasch lokale Bekanntheit, weshalb er am 1. Oktober 1908 zum Parteisekretär der Zentrumspartei in Dortmund ernannt wurde. Später im selben Jahr gewann er in einer Stichwahl gegen den Kandidaten der Nationalliberalen Partei den Landkreis Dortmund und zog in das Preußische Abgeordnetenhaus ein. Im Preußischen Abgeordnetenhaus machte er sich schnell einen Namen als äußerst kundiger Sozialpolitiker. In dieser Eigenschaft meldete er sich im Namen der Zentrumsfraktion häufig zu Wort, aber auch zu Belangen der Kultur-, Schul- und Kirchenpolitik. 1913 wurde er, nun im Wahlkreis Mönchengladbach, abermals ins Abgeordnetenhaus gewählt. Während des Ersten Weltkriegs war er ehrenamtlich in der Kriegsbeschädigtenfürsorge sowie im Ausschuss für Lebensmittelbeschaffung und Verteilung tätig und wurde dafür 1917 mit dem Verdienstkreuz der Kriegshilfe, 1919 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse am weißen Bande mit schwarzer Einlassung sowie mit der Roten Kreuzmedaille III. Klasse ausgezeichnet.

In der Weimarer Republik

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wirkte Gronowski politisch am Aufbau der Weimarer Republik mit. Er, dem das Denken in politischen Extremen nie behagte, warnte schon früh vor den Gefahren der radikalen Kräfte von rechts und links. Aufgrund der politischen Gemengelage in den Anfangsjahren der Weimarer Republik war das Bestreben, eine sozialistische Regierung zu verhindern, einer der Hauptgründe für die Wiederaufnahme seines politischen Engagements. Die Novemberrevolution 1918 lehnte er entschieden ab, wenngleich er 1920 in der Nachbetrachtung den „Geist, der in Preußen geherrscht hat“, und nicht die Revolutionäre, als ursächlich für den Zusammenbruch des Kaiserreichs hielt. In den Jahren von 1919 bis 1921 war er Mitglied der Verfassungsgebenden preußischen Landesversammlung. Dem Preußischen Landtag gehörte Gronowski von 1921 bis 1933 an. Von 1921 bis 1924 war er Teil des Fraktionsvorstands der Zentrumspartei.

Als Nachfolger von Bernhard Wuermeling, dem Vater des späteren CDU-Politikers und Bundesfamilienministers Franz-Josef Wuermeling, nominierte die Zentrumsfraktion Gronowski im Frühjahr 1922 für das Amt des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen. Der Vorschlag wurde durch erhebliche Proteste begleitet: Dem Arbeitersekretär stellten sich vor allem agrarische Interessensverbände und das gehobene Bürgertum der Region entgegen, die seine berufliche wie nicht-westfälische Herkunft nicht statthaft für das Amt hielten, doch auch innerhalb von Teilen der Zentrumspartei regte sich Widerstand. Manchen diente seine Ernennung schlicht als Vorwand für einen Angriff auf den republikanischen Beamtenstaat der Weimarer Republik. Am 28. April 1922 wurde offiziell ernannt.

Gronowski bemühte sich als Oberpräsident nach Kräften für die Republik zu werben, etwa durch die Einladung des Reichspräsidenten Friedrich Ebert nach Münster zum Verfassungstag am 11. August 1924 oder in Reden auf Kirchentagen und den Westfälischen Provinziallandtagen. Auch in Zeiten steigenden Stimmenanteils der NSDAP nutzte er die ihm zur Verfügung stehenden Mittel gegen antirepublikanische Kundgebungen und Zeitungen. Nach der Ernennung Franz von Papens zum Reichskanzler stand, obschon er nach dem Preußenschlag seit dem 22. Juli 1932 nun zusätzlich dem Regierungspräsidium Münster vorstand, Gronowskis Demission im Raum. Grund dafür war seine Nähe zum ehemaligen Reichskanzler Heinrich Brüning.

In der Zeit des Nationalsozialismus

Drei Wochen nach der Übertragung der Macht an die Nationalsozialisten wurde Gronowski am 22. Februar 1933 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Als Anlass diente seine Weigerung, ein auf zentrumsnahe Zeitungen abzielendes Zeitungsverbot umzusetzen. Gronowski verweigerte Hermann Göring, dem Reichskommissar für das preußische Innenministerium, schriftlich den Gehorsam und bat um seine Beurlaubung. Dieser Bitte entsprach Göring umgehend. In der Folge zog die Familie von Münster nach Köln. Ein halbes Jahr später, am 6. Oktober 1933, wurde er aufgrund § 4 des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Staatsdienst entlassen. Der vorgeschobene Vorwurf der nationalen Unzuverlässigkeit traf den Patrioten sehr, die mit der Entlassung einhergehende Kürzung seiner Pension um 25 Prozent stellte zudem ein Problem für die Solvenz der Familie dar. Es folgten „bittere Jahre der inneren Emigration“ (Jörg-Dieter Gauger), in denen er zur Finanzierung des familiären Lebensunterhaltes als Handelsvertreter auf westfälischen Landstraßen unterwegs war. Sowohl in Köln als auch in Paderborn, wo die Familie während des Zweiten Weltkrieges hinzog, wurden die Wohnungen durch alliierte Bomben zerstört.

Während der Jahre der nationalsozialistischen Tyrannei vermied er eine politische Betätigung, bewegte sich jedoch im Umfeld des Kölner Kreises, einem im politischen Katholizismus verwurzelten zivilen Widerstandskreis. Innerhalb des Kreises spielten zwei alte Bekannte aus der katholischen Arbeiterbewegung, Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß, eine wichtige Rolle. Auch traf Gronowski hier auf weitere spätere CDU-Politiker wie Jakob Kaiser, Andreas Hermes oder Johannes Albers. Er sagte nach dem Ende der Diktatur: „Ich habe keine Nazizeitung gehalten und in meiner Wohnung kein Nazibuch geduldet. Niemals wurde meine Wohnung durch ein Hitlerbild oder eine Hakenkreuzfahne entehrt. Die Menschen grüsste ich, wie es unter Kulturvölkern üblich ist, aber nicht mit ‚Heil Hitler‘.“

Ankündigungsplakat einer CDU-Großkundgebung in Paderborn vor der Landtagswahl am 20. April 1947. KAS/ACDP 10-009 : 66
Ankündigungsplakat einer CDU-Großkundgebung in Paderborn vor der Landtagswahl am 20. April 1947.

Politisches Wirken in den Anfangsjahren der Bundesrepublik

Beim Aufbau der CDU in der britischen Besatzungszone spielte Gronowski, besonders im Raum Paderborn, eine wichtige Rolle. Bereits in der unmittelbaren Anfangsphase wurde er auf dem Gründungsparteitag der CDU Westfalen am 2. September 1945 in Bochum in den Vorstand gewählt. Er hegte dabei keine eigenen politischen Ambitionen, wollte vielmehr, wie er in einem Brief an Konrad Adenauer schrieb, dass sich eine neue, unverbrauchte Generation an Politikern in vorderster Reise am Wiederaufbau Deutschlands beteilige. Den ihm im November 1945 angetragenen Kreisvorsitz der CDU Münster lehnte er daher ab. Auch andere Ansinnen, wie beispielsweise die im Frühsommer 1945 diskutierte Nominierung als Oberpräsident der Provinz Westfalen oder eine mögliche Nominierung zum nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten im Mai 1947, beschied er negativ.

In seinem vor den Kommunalwahlen vom September 1946 veröffentlichtem Aufruf „Warum ich dabei bin“ begründete er die Notwendigkeit einer Parteineugründung, welche „[d]ie Vereinigung der evangelischen und katholischen Christen auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet“ ermögliche. Gronowski betrachtete den überkonfessionellen Ansatz der CDU als politisch unerlässlich, denn „[d]er Streit Rom-Wittenberg ist Gott sei Dank erstickt“, wie er in einem Brief an den nunmehr in den Vereinigten Staaten weilenden Heinrich Brüning formulierte.

Seit 1946 fungierte Gronowski in Nachfolge von Lambert Lensing als Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Westfalen. Da er keine eigenen Ambitionen hatte, beschränkte er sich in seinem Wirken vor allem darauf, mäßigend zwischen den einzelnen Parteiflügeln und Interessensgruppen zu wirken. Auch die Gründung des Landschaftsverbandes Westfalen trieb er maßgeblich voran. Gronowski war ein vehementer Vertreter der politischen Eigenständigkeit des westfälischen Landesverbandes. 1948 wurde er für eine zweite Amtszeit gewählt und verblieb bis 1951 in dieser Funktion.

1946 wurde er zunächst durch die britische Militärregierung in den Ernannten Landtag Nordrhein-Westfalens berufen und war dort stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Bei der ersten Wahl zum nordrhein-westfälischen Landtag am 20. April 1947 wurde er als Abgeordneter für Paderborn direkt gewählt und gehörte dem Haus bis 1950 an. Gronowski engagierte sich in der Arbeit des Hauptausschusses, hielt aber keine Rede im Düsseldorfer Plenum. Zur Landtagswahl 1950 kandidierte er nicht mehr. Obwohl er sich bereits aus der Landespolitik zurückgezogen hatte, rückte er 1953 - wieder im Wahlkreis Paderborn – für den verstorbenen Josef Schrage in den nordrhein-westfälischen Landtag nach. Mit der Landtagswahl 1954 schied er jedoch aus dem Parlament aus.

1949 wurde er durch den Landtag Nordrhein-Westfalen in die Bundesversammlung berufen, welche Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten wählte.

Am 17. August 1958 erlag Johannes Gronowski in Paderborn einem schweren Herzleiden.

Vermächtnis

Obwohl Gronowski kein mitreißender Redner war, überzeugte er in seinen Redebeiträgen im Preußischen Abgeordnetenhaus dennoch mit Sachkenntnis sowie „eine[r] bildhafte[n] Sprache und Polemik“ (Karl Teppe). Aufgrund der prägenden Kindheitserfahrungen in Armut kämpfte er Zeit seines Lebens für die Belange der katholischen Arbeiterklasse. Fernab jeglicher linker Klassenkampfrhetorik plädierte er für eine die gesellschaftlichen Gegensätze überwindende Arbeits- und Sozialpolitik. So sollte der betroffenen Wählerschicht eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Staat vermittelt wurden, was wiederum dem Erhalt von Letzterem diene. Dass der Parlamentarismus eine seriöse Rezeption innerhalb der Bevölkerung erfahre, war ihm ein wichtiges Anliegen. Die Parteien seien gut beraten, keinen „Wettlauf um die Gunst der Wähler zu veranstalten“ um den Eindruck einer „Einrichtung der Gefälligkeitsschwätzerei“ zu vermeiden.

Gronowski konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Unterbrochen durch die Jahre der nationalsozialistischen Diktatur engagierte er sich knapp 30 Jahre in deutschen Parlamenten. In Westfalen zählte der einstige Arbeiterführer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den bekanntesten politischen Persönlichkeiten. Noch 1996 bezeichnete Norbert Blüm ihn in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung als zentrale Gründungfigur der westfälischen CDU neben Lambert Lensing und Friedrich Holzapfel.

Lebenslauf

  • 1889–1892 Maschinen- und Bauschlosserlehre in Berlin
  • 1902–1908 Arbeitersekretär des katholischen Arbeitervereins in Dortmund
  • 1908 Parteisekretär der Zentrumspartei in Dortmund
  • 1908–1919 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses
  • 1919–1921 Mitglied der Preußischen Landesversammlung
  • 1921–1933 MdL Preußen sowie Mitglied im Vorstand der Zentrumspartei
  • 1922–1933 Oberpräsident der Provinz Westfalen
  • 1933 von den Nationalsozialisten entlassen
  • 1946–1950 und 1953-54 MdL Nordrhein-Westfalen
  • 1946–1951 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Westfalen

Literatur

  • Jörg-Dieter Gauger: Johannes Gronowski (1874-1958). Vorsitzender der CDU in Westfalen, in: Günter Buchstab, Brigitte Kaff, Hans-Otto Kleinmann (Hgg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung, Freiburg im Breisgau 2004.
  • Rolf-Dietrich Müller: Das Dienstreisetagebuch des Oberpräsidenten Johannes Gronowski, 1922-1933, in: Westfälische Zeitschrift 150 (2000).
  • Karl Teppe: Johannes Gronowski (1874–1958), in: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 8, Mainz 1997.
  • Karl Teppe: Johannes Gronowski (1874-1958). Arbeitersekretär – Oberpräsident – Parteiführer, in: Westfälische Zeitschrift, 129 (1979), S. 117-144.

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