1. Die Gründung der CDU in Sachsen (1945)
Mit dem „Befehl Nr. 2“ der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 10. Juni 1945 wurde die Gründung von „antifaschistischen Parteiorganisationen“ in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) genehmigt. Zentral für die Entstehung des CDU-Landesverbandes Sachsen waren vor allem die Parteigründungen in den drei größten Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig. Bereits Mitte Juni starteten in Chemnitz die Vorbereitungen zur Gründung einer überkonfessionellen Partei. Zentrale Figur war hier der katholische Pfarrer und frühere Landesvorsitzende der Zentrumspartei, Ludwig Kirsch. Am 25. Juni 1945 wurde die Christliche Volkspartei (CVP) ins Leben gerufen, die sich am 4. Juli mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit wandte. In Dresden kam es Anfang Juli zu ersten Vorbesprechungen von evangelischen und katholischen Christen, die am 8. Juli zum Beschluss führten, die Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) zu gründen. Offiziell wurde die Gründung am 21. Juli 1945 unter maßgeblicher Beteiligung des evangelischen Theologen und früheren Vizepräsidenten des Sächsischen Landtages Hugo Hickmann und des katholischen Gewerkschafters Friedrich Koring durchgeführt. In Leipzig trafen sich am 8. Juli 1945 verschiedene Persönlichkeiten, um mit der Demokratischen Partei Deutschlands (DPD) eine Partei zu gründen, die nicht nur Christdemokraten, sondern auch Liberale umfassen sollte. Am 21. Juli wurde ein Gründungsaufruf verabschiedet. Bereits in den folgenden Tagen mehrten sich jedoch die Spannungen zwischen den beiden Gruppen. Als sich die DPD aufgrund der restriktiven Handhabung der sowjetischen Besatzungsmacht in Bezug auf die Zulassung der Parteien der CDU oder der Liberaldemokratischen Partei (LDP) zuordnen musste, neigte die Mehrheit der LDP zu. Dies führte am 4. August zur Spaltung der Partei und zur Gründung der CDU in Leipzig. Maßgebliche Figuren waren hier unter anderem der Historiker Karl Buchheim und der Rechtsanwalt Carl Günter Ruland.
Auch anderen Orten Sachsens kam es im Laufe des Julis und August 1945 zu Gründungen diverser weiterer Gruppen, die sich zum Teil, nach dem Vorbild des Berliner Gründungskreises direkt den Namen CDU gaben oder sich bald der Union anschlossen. Die dominierenden Organisationen blieben jedoch Chemnitz und Dresden, die um die Führungsrolle innerhalb der sächsischen Unionsgründungen rivalisierten. Letztlich konnte sich Hickmann durchsetzen, der Anfang August mit Berlin Kontakt aufnahm. Am 21. August 1945 registrierte die Sowjetische Militäradministration in Sachsen (SMAS) die neue Partei, allerdings nur unter dem Namen CDU. Dem Wunsch der Dresdner Gründer, den Namen CSV als Untertitel weiterzuführen, wohl um die Eigenständigkeit des sächsischen Verbandes zu betonen, war nicht entsprochen worden. Hickmann wurde Vorsitzender des neuen Landesverbandes, der zudem in den Block der „antifaschistisch-demokratischen“ Parteien aufgenommen wurde. Auf dem 1. Landesparteitag am 24. Februar 1946 in Dresden wurde Hickmann in seinem Amt bestätigt.
2. Bodenreform, Volksentscheid und Wahlen (1945–1946)
Erste Konflikte mit der Besatzungsmacht und den Kommunisten entzündeten sich bereits 1945 an der Frage der Art der Durchführung einer Bodenreform. Wie in der restlichen SBZ lehnte die CDU auch in Sachsen eine entschädigungslose Enteignung ab. CDU und LDP bemühten sich zwar um einen Kompromiss, diesen Versuchen setzte die SMAS im September 1945 jedoch ein Ende. Infolgedessen kam es auch zu ersten Konflikten zwischen Hickmann und dem Zonenvorstand über die Rolle der Landesverbände innerhalb der Parteistruktur.
Am 30. Juni 1946 fand in Sachsen ein von Sowjets und SED vorangetriebener Volksentscheid zur Enteignung der „Nazi- und Kriegsverbrecher“ statt. In Wirklichkeit ging es beiden jedoch weniger um Bestrafung von führenden Nationalsozialisten, sondern vor allem um die Neugestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen im Lande. Während die CDU zwar den Volksentscheid grundsätzlich unterstützte, sich jedoch auch um die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und die Begrenzung auf wirklich während des NS-Regimes schuldiggewordene Personen bemühte, entfalteten SED und sowjetische Besatzungsmacht einen umfangreichen Propagandafeldzug. Beide übten massiven Druck mit dem Ziel aus, eine klare Mehrheit für die Enteignungen zu erreichen. Am Ende stimmten fast 78 Prozent der sächsischen Wahlberechtigten mit „Ja“. Versuche der CDU, nachträglich noch rechtsstaatliche Prinzipien durchzusetzen scheiterten am Widerstand von SMAS und SED.
Im gleichen Jahr fanden die Gemeinde-, Kreis- und schließlich im Oktober die Landtagswahlen statt. Hatte die CDU bei den Kreistagswahlen noch den zweiten Platz belegt, blieb man bei den Landtagswahlen knapp hinter der LDP auf Platz drei. Hickmann zeigte sich enttäuscht über den Wahlausgang. Es muss jedoch zu berücksichtigt werden, dass die bürgerlichen Parteien massiven Benachteiligungen unterworfen waren. Dies bezog sich etwa auf die fehlenden Genehmigungen bei der notwendigen Registrierung von Ortsgruppen, geringere Papierzuteilung oder direkte Repressionen gegen Kandidaten. Dennoch verfehlte die SED im Oktober ihr Ziel eines überwältigenden Wahlsieges und verpasste mit 49,1 Prozent die absolute Mehrheit. Als Mehrheitsbeschafferin diente ihr vor allem die aus SED-Mitgliedern bestehende Massenorganisation der „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“ (VdgB). In der Folgezeit versuchten SED und SMA ein enges politisches Zusammenwirken der bürgerlichen Kräfte mittels einer Verstärkung der Blockpolitik zu verhindern und ihre Arbeit in den Parlamenten zu unterminieren.
3. Innere Konflikte und äußerer Druck (1946–1952)
Hickmann, der im November 1946 zum zweiten Vizepräsidenten des Sächsischen Landtages gewählt worden war, wurde auch vor dem Hintergrund der relativ geringen landespolitischen Gestaltungsmöglichkeiten vor allem in der Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit aktiv. Er unterstützte aktiv das Konzept des Zonenvorsitzenden Jakob Kaiser, wonach ein neutralisiertes Deutschland als „Brücke“ zwischen Ost und West dienen sollte. Vor diesem Hintergrund waren Hickmann und der Landesvorstand bemüht, keine Konfrontation mit der Besatzungsmacht aufzubauen. Sie waren an einem guten Zusammenwirken mit den Sowjets interessiert und auch bereit, an einigen Stellen Konzessionen zu machen.
Nachdem Kaisers Initiative Mitte 1947 aufgrund der fehlenden Einigkeit der Siegermächte und der Ablehnung durch den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher gescheitert war, rief die SED im November 1947 in enger Abstimmung mit den Sowjets zur Einberufung eines „Deutschen Volkskongresses für Einheit und gerechten Frieden“ auf, um ihre deutschlandpolitischen Vorstellungen durchzusetzen. Ein Konflikt zwischen Kaiser, der eine Teilnahme ablehnte, und den CDU-Landesvorsitzenden, die unter sowjetischem Einfluss und Druck grundsätzlich für eine Beteiligung am Volkskongress waren, konnte zunächst mittels eines Kompromisses entschärft werden.
Dennoch war die Besatzungsmacht nicht mehr gewillt, Kaiser als Parteivorsitzenden zu dulden. Hickmann versuchte zwischen der SMAD und Kaiser zu vermitteln, allerdings vergeblich. Am 20. Dezember 1947 wurde Kaiser durch die Sowjets abgesetzt, und die Landesvorsitzenden unter der Führung Hickmanns und Reinhold Lobedanz aus Mecklenburg, als vorläufige Parteiführung eingesetzt, der bis zur Wahl Otto Nuschkes zum neuen Vorsitzenden im Amt blieb.
Obwohl Hickmann im Landesverband Sachsen sehr angesehen war, stieß seine Haltung zur Absetzung Kaisers im Vorfeld des Landesparteitages im Juni 1948 auf Kritik. Dennoch wurde er mit großer Mehrheit wiedergewählt. Im Laufe des Jahres 1949 wurde zunehmend deutlich, dass die Sowjets Hickmann im Grunde misstrauten, da dieser weiterhin das Konzept eines demokratischen und neutralen Deutschlands verteidigte. Im Mai 1949 erschienen auf Veranlassung der SMA mehrere Artikel, unter anderem auch von dem CDU-Bürgermeister von Aue, Magnus Dedek, in denen eben diese Auffassung massiv angegriffen wurde. Zunehmend wurde die sächsische CDU von Anhängern Kaisers und Hickmanns gesäubert. Dagegen wurden Personen wie Dedek oder Josef Rambo in Leipzig unterstützt, die eindeutig zu den Kräften innerhalb der CDU zählten, die der SED und den Sowjets wohlgesonnen waren.
Hickmann war im Oktober 1949 zum Vizepräsidenten der provisorischen Volkskammer der DDR gewählt worden. Da er jedoch die Verschiebung der vorgesehen Wahlen auf 1950 kritisierte und deutlich auf der Abhaltung freier Wahlen bestand, geriet er zunehmend ins Kreuzfeuer der SED. Im Gegenzug kritisierte er die SED deutlich und warnte vor der Gefahr des Totalitarismus. Die Reaktion von SED und Sowjets erfolgte rasch. Zum einen ermunterte man die „fortschrittlichen Kräfte“ innerhalb der CDU um Dedek, sich von Hickmann zu distanzieren. Der Höhepunkt war jedoch die Erstürmung der CDU-Landesgeschäftsstelle am 23. Januar durch Teilnehmer einer „spontanen“ Demonstration, die in Wirklichkeit von der SED organisiert worden war. Unter Anleitung eines SED-Funktionärs bedrängte man die Mitarbeiter und skandierte gegen Hickmann Parolen wie „Hängt ihn auf, die Sau!“. Der plötzlich erschienene Georg Dertinger, früherer Generalsekretär der CDU der SBZ und mittlerweile zum Außenminister der DDR aufgestiegen, enthob Hickmann seines Postens und übernahm die Geschäftsführung des Landesverbandes. Nach massiven Auseinandersetzungen trat Hickmann am 30. Januar 1950 von seinem Amt zurück. Den vorläufigen Vorsitz übernahm nun gemäß der Satzung sein Stellvertreter Otto Freitag.
In der Folgezeit wurden die Repressionen gegen unbotmäßige CDU-Mitglieder nochmals verschärft und die SED-freundlichen Funktionäre gewannen mehr und mehr die Oberhand. Auf dem Landesparteitag im Juni 1950 wurde Josef Rambo in offener Abstimmung zum neuen Vorsitzenden gewählt, er flüchtete aber bereits im September desselben Jahres nach West-Berlin. Ihm folge Magnus Dedek nach, der das Amt bis zur Auflösung des Landesverbandes 1952 innehatte. Unter ihm ging die Transformation der CDU in eine SED-hörige Blockpartei nahtlos weiter.
4. Der frühere CDU-Landesverband Sachsen in der DDR (1952–1989)
Die Auflösung des Landesverbandes erfolgte im Zuge der Verwaltungsreform in der DDR. Im Wesentlichen traten an die Stelle des Landesverbandes die drei Bezirksverbände Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt), Dresden und Leipzig. Auf dem 6. Parteitag der CDU der DDR wurde neben dem „demokratischen Zentralismus“ als Organisationsprinzip auch die Anerkennung der führenden Rolle der SED festgelegt. Die CDU war damit, wie auch die übrigen kleineren Blockparteien LDP, DBD und NDPD, der SED unterstellt und erfüllte die Rolle eines „Transmissionsriemens“. Sie sollte den christlich eingestellten Teilen der Bevölkerung die Vereinbarkeit von marxistisch-leninistisch geprägtem Sozialismus mit christlichen Werten propagieren und so die Loyalität dieser Menschen gegenüber der DDR sichern helfen.
Zentrale politische Entscheidungen wurden von der SED getroffen. Durch den „demokratischen Zentralismus“ gab es eine strikte Anweisungskette vom Hauptvorstand über die Bezirks- und Kreisverbände bis zu den Ortsgruppen. Umgekehrt hatten die nachgeordneten Parteiorgane die Pflicht, Berichte über die Parteiarbeit nach oben und an die SED weiterzuleiten sowie geeignete Kader herauszubilden, die für weitergehende Aufgaben Lehrgänge an der Zentralen Schulungsstätte „Otto Nuschke“ in Burgscheidungen zu absolvieren hatten.
Unbotmäßige Parteimitglieder wurden verfolgt und verhaftet oder mussten in die Bundesrepublik fliehen. Dennoch blieben größere Teile der Parteibasis kritisch gegenüber dem Pro-SED-Kurs der Parteiführung eingestellt. Dies zeigte sich etwa am Konflikt um die „Junge Gemeinde“, den Jugendgruppen der evangelischen Kirche. Während die SED, unterstützt von der CDU-Führung, gegen diese unabhängige Form der Jugendarbeit mit massiven Repressionen vorging, löste dies bei der CDU-Basis Unbehagen und Unruhe aus, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Aktionen der SED und der staatlichen Stellen gehabt hätte.
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 , der schließlich nur mit Hilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagen werden konnte, wurde ebenfalls von Teilen der CDU-Basis mitgetragen. In Sachsen waren insbesondere Görlitz, Leipzig und Dresden die Zentren des Widerstandes gegen das SED-Regime Mit dem Aufstand ging eine kurze Phase einher, in der die CDU versuchte, sich von der SED zu emanzipieren und wieder etwas eigenständigere Wege zu gehen. Nachdem die alten Kader unter Walter Ulbricht ihre Macht jedoch stabilisiert hatten, musste sich auch die CDU wieder in ihre Rolle als „Blockpartei“ einfügen, einen Prozess, an dem insbesondere Generalsekretär Gerald Götting maßgeblichen Anteil hatte.
Nach dem Tode Otto Nuschkes 1957 folge ihm August Bach als Parteivorsitzender. Als Bach 1966 verstarb, konnte Götting, der schon seit langem die reale Macht innerhalb der Partei innehatte, sich nun auch offiziell zum Parteivorsitzenden küren lassen. Offener Widerstand seitens der Basis war kaum noch erwarten, auch wenn immer mal wieder einige kritische Stimmen aufflammten, etwa anlässlich des Mauerbaus 1961 oder der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968. Obwohl viele CDU-Mitglieder aufgrund ihrer christlichen Prägung dem „real existierenden Sozialismus“ sicherlich sehr kritisch gegenüberstanden, blieb die CDU bis 1989 fest in das Blocksystem der DDR eingebunden.
5. Friedliche Revolution (1989–1990)
Die friedliche Revolution in der DDR 1989, die in Leipzig mit den Montagsdemonstrationen einen ihrer Schwerpunkte hatte und mit der Veröffentlichung des „Briefes aus Weimar“ vom 10. September auch die CDU erfasste, blieb auch in den drei sächsischen Bezirken nicht folgenlos. In den Ortsgruppen und Kreisverbänden wurden die Forderungen nach einer Erneuerung der CDU immer lauter. Bereits am 26. Oktober erklärte etwa der Kreisverband Dresden-Stadt seinen Austritt aus dem Demokratischen Block, um die Eigenständigkeit der Partei deutlich zu machen. Zum Teil waren aber aus anderen Kreisverbänden auch abwartende Stimmen zu hören. Erst der Rücktritt des Parteivorsitzenden Gerald Götting und die Wahl Lothar de Maizières zu seinem Nachfolger Anfang November brachte den Durchbruch der Reformkräfte innerhalb der CDU in Sachsen und in der gesamten DDR. Auf dem Berliner Sonderparteitag im Dezember 1989 wurde die endgültige Abkehr vom Sozialismus beschlossen.
Der Reformprozess und die zunehmende Kooperation mit der westdeutschen CDU ließ für verschiedene Bürgerrechtler die Frage aufkommen, inwiefern eine erneuerte CDU für sie eine politische Heimat werden könnte, da man Bürgerrechtsbewegungen wie dem „Neuen Forum“ keinen dauerhaften politischen Erfolg zutraute. Am 21. Februar 1990 traten sechs Bürgerrechtler um Arnold Vaatz in die CDU ein. Am 3. März konstituierte sich der Landesverband Sachsen auf dem 1. Landesparteitag in Dresden. Erster Landesvorsitzender wurde der seit 1988 amtierende Bezirksvorsitzende von Karl-Marx-Stadt bzw. Chemnitz, Klaus Reichenbach, der sich mit klarer Mehrheit gegen Vaatz durchsetzen konnte. Als Mitte 1990 die Frage aufkam, wen die CDU als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten des zukünftigen Freistaates Sachsen aufstellen sollte, brach ein Machtkampf zwischen Reichenbach und Vaatz aus. Als Reichenbach Anfang Juli seinen Anspruch anmeldete, stellten sich Vaatz und andere Bürgerrechtlicher dagegen, weil sie der Ansicht waren, dass Reichenbach nicht die notwendigen Reformschritte für Sachsen voranbringen würde. Nach längerer Suche präsentierten sie mit dem Staatssekretär Walter Priesnitz einen Gegenkandidaten. Um eine Spaltung des Landesverbandes zu vermeiden, zogen sowohl Reichenbach als auch Priesnitz zurück und stattdessen wurde der frühere Generalsekretär der CDU der Bundesrepublik Kurt Biedenkopf, der seit März 1990 Gastprofessor in Leipzig war, neuer Kandidat. Mit ihm erlangte die CDU bei der Landtagswahl am 14. Oktober 1990 die absolute Mehrheit.
6. Die CDU Sachsen als Regierungspartei (seit 1990)
Obwohl Reichenbach vorerst Parteivorsitzender blieb, setzten ihn die „Erneuerer“ um Vaatz weiterhin unter Druck, so dass er schließlich seinen Rücktritt ankündigte und Biedenkopf auf einem außerordentlichen Parteitag am 7. Dezember 1991 zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Kurt Biedenkopf war als Ministerpräsident ein überaus beliebter und angesehener „Landesvater“. So konnte er bei der Landtagswahl im September 1994 die absolute Mehrheit der CDU sogar noch ausbauen. Im folgenden Jahr gab er den CDU-Landesvorsitz an den Fraktionsvorsitzenden Fritz Hähle ab. Bei der folgenden Landtagswahl 1999 verzeichnete die CDU zwar leichte Verluste, behauptete aber ein weiteres Mal die absolute Mehrheit.
Biedenkopfs Ankündigung, bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr anzutreten, führte zu einem Machtkampf zwischen ihm und seinem Finanzminister Georg Milbradt. Dieser wurde beendet, als Milbradt auf dem Landesparteitag im September 2001 den Kampf um die Nachfolge des nicht mehr angetretenen Fritz Hähle gegen den von Biedenkopf unterstützen Umweltminister Steffen Flath für sich entschied. Am 18. April 2002 wurde er nach dem Rücktritt Biedenkopfs neuer Ministerpräsident. Dieser innerparteiliche Streit hatte jedoch Folgen. Bei der Landtagswahl 2004 verlor die CDU fast 16 Prozent und musste erstmals eine Koalition mit der SPD eingehen. Im Mai 2008 trat Milbradt wegen seiner Verwicklung in die Affäre um die Krise der Landesbank Sachsen von allen Ämtern zurück. Sein Nachfolger als Landesvorsitzender und Ministerpräsident wurde Stanislaw Tillich.
Mit Tillich trat erstmals ein Sorbe an die Spitze der sächsischen Union. Bei der Landtagswahl 2009 konnte Tillich das Ergebnis von 2004 im Wesentlichen halten. In der folgenden Legislaturperiode bildete er eine Koalition mit der FDP. Nach der Landtagswahl 2014, bei der die CDU nur leichte Verluste verzeichnen musste, ging die CDU unter Tillich erneut eine Koalition mit der SPD ein. Bei der Bundestagswahl 2017 verzeichnete die CDU in Sachsen erstmals weniger Zweitstimmen als die AfD. Tillich geriet daraufhin immer stärker unter innerparteilichen Druck, unter anderem auch von Seiten Kurt Biedenkopfs. Sein Nachfolger als Parteivorsitzender und Ministerpräsident wurde der bisherige Generalsekretär Michael Kretschmer. Bei der Landtagswahl 2019 musste die CDU zwar Verluste verzeichnen, diese hielten sich allerdings dank des engagierten Wahlkampfes Kretschmers in Grenzen. Nach der Wahl wurde eine Koalition aus CDU, Grünen und SPD gebildet. Bei der Landtagswahl 2024 konnte die CDU ihr Ergebnis halten und landete knapp vor der AfD. Nachdem Gespräche zwischen CDU, dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) und der SPD gescheitert waren, wurde eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD gebildet. Michael Kretschmer wurde am 18. Dezember 2024 im zweiten Wahlgang erneut zum Ministerpräsidenten gewählt.
Oliver Salten
Ausführliche Informationen zur frühen Geschichte der CDU in der DDR erhalten Sie hier.
1945–1952
Vorsitzende
1945–1950 Hugo Hickmann
1950 Otto Freitag (komm.)
1950 Josef Rambo
1950–1952 Magnus Dedek
Geschäftsführer
1945–1946 Martin Richter
1946 Hermann Voigt
1946–1950 Hans Teubert
1950 Max Schmidt
Bezirk Dresden
Bezirksvorsitzende
1952–1953 Max Schmidt
1953 Johannes Pietzsch (amtierend)
1953–1968 Friedrich Mayer
1968–1984 Johannes Krätzig
1984–1987 Horst Korbella
1987–1990 Herbert Dreßler
Bezirk Karl-Marx-Stadt (Chemnitz)
Bezirksvorsitzende
1952–1956 Walter Wagner
1956–1963 Gotthardt Graupner
1963–1966 Lothar Fischer
1966–1988 Joachim Gelfert
1988–1990 Klaus Reichenbach
Bezirk Leipzig
Bezirksvorsitzende
1952–1954 Heinz Kühn
1954–1958 Wolfgang Heyl
1958–1982 Fritz-Karl Bartnig
1982–1989 Siegfried Berghaus
1989–1990 Rolf Rau
Landesverband Sachsen (ab 1990)
Vorsitzende
1990–1991 Klaus Reichenbach
1991 Berthold Rink
1991–1995 Kurt Biedenkopf
1995–2001 Fritz Hähle
2001–2008 Georg Milbradt
2008–2017 Stanislaw Tillich
Seit 2017 Michael Kretschmer
Generalsekretäre*
1991–1995 Fritz Hähle
1995–1999 Steffen Flath
1999–2001 Frank Kupfer
2001–2004 Hermann Winkler
2004–2017 Michael Kretschmer
2017–2024 Alexander Dierks
Seit 2024 Tom Unger
* identisch mit der Funktion des stv. Landesvorsitzenden
Geschäftsführer
1990 Johannes Schramm
1991–1993 Hans-Peter Marr
1993–1997 Rolf Wollziefer
1998–2005 Randolf Stamm
2005–2017 Stephan Lechner
2018–2019 Conrad Clemens
2020 Rainer Burgold (Mai bis Oktober)
2021–2023 Josua Littig (ab April 2021)
2023–2025 Tilo Schumann
Seit März 2025 Philipp Schneider
Literatur
- Baus, Ralf Thomas: Die Gründung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands in Sachsen 1945. In: Historisch-Politische Mitteilungen 2 (1995), S. 83–117.
- Baus, Ralf Thomas: Die Christlich-Demokratische Union in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948. Gründung – Programm – Politik (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 36). Düsseldorf 2001.
- Brümmer, Ulrich H.: Parteiensystem und Wahlen in Sachsen. Kontinuität und Wandel von 1990-2005 unter besonderer Berücksichtigung der Landtagswahlen. Wiesbaden 2006.
- Donth, Stefan: Die Sowjetische Militäradministration und die CDU in Sachsen 1945–1952. Eine bürgerliche Partei aus dem Blickwinkel der Besatzungsmacht. In: Historisch-Politische Mitteilungen 7 (2000), S. 109–133.
- Marschner, Wolfgang: Die Gleichschaltung des sächsischen Landesverbandes der CDU um 1950. In: Dresdner Hefte 9 (1991), S. 84–95.
- Patzelt, Werner J.: Die CDU in Sachsen. In: Demuth, Christian/Lempp, Jakob (Hg.): Parteien in Sachsen. Dresden u.a. 2006, S. 87–119.
- Richter, Michael: Die Ost-CDU 1948-1952. Zwischen Widerstand und Gleichschaltung (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 19). 2. Aufl. Düsseldorf 1991.
- Richter, Michael: Die Bildung des Freistaates Sachsen. Friedliche Revolution, Föderalisierung, deutsche Einheit 1989/90 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 24). Göttingen 2004.
- Richter, Michael: Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90, 2. Bände (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 38). Göttingen 2009.
- Salten, Oliver: Hugo Hickmann – ein Riese unter den Zwergen? Der CDU-Landesverband Sachsen und sein Vorsitzender 1945 bis 1950. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte 92 (2021), S. 163–212.
- Winkler, Maja: Die Christlich Demokratische Union in Leipzig 1945 bis 1948. In: Historisch-Politische Mitteilungen 15 (2008), S. 125-142.