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Schottland-Referendum – mehr als nur eine Abstimmung

Wegfall Schottlands wäre für Großbritannien traumatisch

In zwei Tagen, am 18. September 2014, werden die Schotten in einem Referendum darüber abstimmen können, ob sie ihre nun rund 300-jährige Zugehörigkeit zum Vereinigten Königreich aufkündigen und wieder ein unabhängiges Land werden wollen.

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Vor exakt 700 Jahren, in der Schlacht von Bannockburn von 1314, hatte Robert the Bruce die Unabhängigkeit Schottlands vom übermächtigen England

erkämpft, nun setzt der amtierende schottische Ministerpräsident

Alex Salmond alles daran, dies mit friedlichen

Mitteln zu wiederholen.

Hinter der simplen Frage des

Referendums („Soll Schottland ein unabhängiges

Land werden?“)

steckt allerdings eine komplexe

Realität mit weitreichenden

Konsequenzen nicht nur für

das Vereinigte Königreich, sondern

voraussichtlich auch mit

Reaktionen auf andere Unabhängigkeitsbestrebungen

in Spanien (Katalonien), Frankreich (Baskenland) oder Italien (Venetien).

Seit Beginn des Jahres haben beide Kampagnen, die

„Better-together-Kampagne“ unter der Leitung des

ehemaligen Finanzministers Alistair Darling und die

YES-Kampagne mit Alex Salmond an der Spitze deutlich

an Fahrt aufgenommen. Dabei gelang es vor allem

Salmond Emotion und Dynamik und damit die Meinungsführerschaft

der Debatte für sich zu gewinnen.

Konsequent blendete er komplexe Sachfragen nach

Außen- und Sicherheitspolitik, EU-Mitgliedschaft und

Währungshoheit aus und setzte dezidiert auf eine fast

romantische Perspektive eines freien, unabhängigen

und wohlhabenden Schottlands.

IKPK14 mit Panel über schottisches Unabhängigkeitsreferendum
Auf der 12. Internationalen Konferenz für politische Kommunikation am 12. und 13. Oktober 2014 wird Professor James Mitchell, University of Edinburgh, Experte für schottische Innenpolitik und Autor des Buchs "The Scottish Question", einen Insiderblick auf Emotionen und Argumente beim schottischen Unabhängigkeitsreferendumdas werfen. Mehr Informationen auf der Veranstaltungsseite zur IKPK...

Die Anfangs noch deutlich auseinander liegenden Umfragewerte

(mit einem 20-Prozent-Vorsprung zugunsten

der Einheit) sanken kontinuierlich und schrumpften

zuletzt auf unter 10 Prozent Abstand. Bei zwischen 10

bis 20 Prozent unentschlossenen Wählern ist hier also

noch alles offen. Die jüngsten TV-Duelle zwischen Darling

und Salmond gingen in der Summe klar zugunsten

Salmonds aus (auch wenn Darling im ersten Duell mit

seinen hartnäckigen Fragen nach der Währungshoheit

zu punkten wusste), so dass die Zuversicht der Unabhängigkeitsbefürworter

anhält, das Referendum trotz

des nach wie vor signifikanten Abstands tatsächlich

gewinnen zu können. Wie genau es danach weitergehen

würde ist allerdings unklar, rechtlich bindend ist

das Referendum nicht, von daher müsste auch der

Fahrplan danach erst noch verhandelt werden.

Denkbar und machbar wäre ein unabhängiges Schottland

durchaus, der Preis dafür und die damit verbundenen

Ungewissheiten sind aber für beide Seiten

enorm. Allein die finanzielle Rechnung Schottlands mit

den Erdöleinnahmen seinen Wohlstand finanzieren zu

können, steht angesichts sehr schwankender Prognosen

über Reserven und Kosten auf tönernen Füßen.

Auch der Wegfall der Transferleistungen und Subventionen

aus London gehört dazu sowie die schon erwähnte

Frage nach der Währungshoheit und des staatlichen

Gesundheitssystems NHS. Und die Schotten

müssen sich auch fragen lassen, wie viel mehr Autonomie

sie denn in der Union noch verlangen wollen neben

den schon bestehenden Faktoren wie ein eigenes Parlament,

eigener Fahne und Hymne und sogar eigener

Fußball- und Rugbynationalmannschaft.

Für Großbritannien wäre der Wegfall Schottlands eine

geradezu traumatische Angelegenheit. Ein erheblicher

Teil des bisherigen Staatsgebietes würde wegfallen,

das verbleibende Kernland wäre kleiner als Rumänien,

und die Bevölkerungszahl läge unter der von Italien.

Die Reduzierung von Great Britain auf Little England

wäre dann wohl mehr Realität als nur eine griffige Floskel.

Aber selbst wenn das Referendum zugunsten eines

Verbleibs ausginge, kommt Großbritannien nicht um

eine ernsthafte Debatte über die zukünftige Gestaltung

der Beziehungen zwischen London und seinen

Landesteilen herum. Und in dieser Debatte sind die Parallelen

zum Verbleib Großbritanniens in der EU (und

dem möglichen diesbezüglichen Referendum 2017)

frappierend. Fast identisch sind die Vorwürfe aus

Schottland in Richtung London zu denen Großbritanniens

in Richtung Brüssels. Insofern wird viel institutionelle

und politische Flexibilität nötig sein, um das zusammenzuhalten,

was sowohl national als auch international

zusammengehört.

Der Artikel erschien im Original in der Fuldaer Zeitung.

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29. April 2014
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Referendum in Schottland KAS

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