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Veranstaltungsberichte

Prof. Dr. Bernhard Vogel: 20 Jahre Fall der Mauer

von Martin-Maurice Böhme

Auswirkungen auf Deutschland, Europa und die Welt

Am 15. Oktober 2009 führte die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gemeinsam mit der Federation of Indo German Societies in India (FIGS) in Neu-Delhi eine Vortragsveranstaltung zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls durch. Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Bernhard Vogel, beleuchtete in seinem Vortrag die unterschiedlichen Perspektiven dieses besonderen Ereignisses und befasste sich mit den Auswirkungen auf Deutschland, Europa und die Welt.

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In seiner Eröffnungsrede zog der FIGS-Präsident, Botschafter a.D. Satinder K. Lambah, Parallelen zwischen der Teilung Deutschlands und der Geschichte Indiens und Pakistans. Er sei im pakistanischen Peshawar geboren und der Kontakt zu Familienmitgliedern dort habe sich über viele Jahre sehr schwierig gestaltet, erklärte der Botschafter. Lambah war in den Jahren von 1995 bis 1998 als indischer Botschafter in Deutschland tätig und hat die Entwicklung Deutschlands nach der Wiedervereinigung genau beobachtet. In seiner Rede lobte er die deutsche Entwicklung nach dem Fall der Mauer und die Rolle Deutschlands als verantwortungsvoller Partner in Europa.

Prof. Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident a.D. und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, beschrieb den Mauerfall als ein die Welt bewegendes und ein die Welt veränderndes Ereignis. Der eigentliche Fall der Mauer am 9. November 1989 sei für nahezu alle Menschen völlig überraschend eingetreten. Der Grund hierfür ist in einer sprachlichen Ungenauigkeit zu finden. In einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz in Ost-Berlin gab ein SED-Parteifunktionär bekannt: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen – Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse – beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.“ Im Saal entstand damals Unruhe. Ein Korrespondent fragte nach, wann dies in Kraft trete. „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“, lautet die holprige und unsichere Antwort.

Diese missverständliche Äußerung – betonte Prof. Vogel – die gar nicht unmittelbar von Ausreise sprach, sondern von Anträgen, die zu stellen seien – und eine unbedeutend scheinende Nachfrage, lösten einen weltpolitischen Umbruch aus. Ab diesem Augenblick habe es kein Halten mehr gegeben. Gegen 21.30 Uhr seien die ersten DDR-Bürger im Westen gewesen, am Brandenburger Tor hätten sich unglaubliche Szenen abgespielt. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen, mit Freudentränen in den Augen. Gegen 1 Uhr nachts haben die Menschen mancherorts von sich aus bereits mit dem Abriss der Mauer begonnen. Zunächst hätten die Bürgerinnen und Bürger, die in Ostdeutschland auf die Straßen gingen, Reformen in ihrem Land gewollt. Das sei die Idee der Friedensbewegung, des neuen Aufbruchs gewesen. Nach dem 9. November allerdings sei die Überwindung der DDR zum Ziel der Menschen geworden. Und anders als am 17. Juni 1953 sind bei dieser unblutigen Revolution die sowjetischen Panzer in ihren Kasernen geblieben. Bernhard Vogel machte in seinem Vortrag deutlich, dass für dieses besonnene Handeln insbesondere Michael Gorbatschow besonders zu danken sei.

Was folgte, war der Einigungsprozess. In seinem Vortrag erinnerte Prof. Vogel auch an den 3. Oktober 1990, der nun zu einem besonderen Tag in der Geschichte Deutschlands geworden ist. In diesem Zusammenhang sagte er: „Wir verdanken es George Bush, dem alten Bush, der am frühsten und am mutigsten erkannt hat, was jetzt zu tun war. Und wir verdanken es nicht zuletzt Helmut Kohl, dem es gelang, den winzigen Spalt der Geschichte, der sich nur für wenige Monate 1989 und 1990 öffnete zu nutzen, um das Tor aufzustoßen und die Wiedervereinigung letztlich mit Zustimmung aller zu erreichen. Helmut Kohl nutzte die Grundlagen, die vier Jahrzehnte zuvor von Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik, für die Rückkehr Deutschlands in die Wertgemeinschaft der freien Welt gelegt worden waren. Seit Adenauer war die europäische Integration Bestandteil erst westdeutscher, heute gesamtdeutscher Staatsräson. Eine Politik, die sich für Deutschland als gewinnbringende Investition auszahlte, die die Bundesrepublik schnell zu einem gleichberechtigten Partner im sich vereinigenden Europa machte und die entscheidend zur Einigung Europas beitrugen.“

Bernhard Vogel machte auch deutlich, dass es verständlicherweise zunächst Zurückhaltung in manchen europäischen Ländern zu einer schnellen Wiedervereinigung Deutschlands gab. Alte Ängste seien wieder wach geworden, die Besorgnis, ein vereintes Deutschland mit fast 80 Millionen Einwohnern in der Mitte des Kontinents könnte die Statik des Europäischen Hauses sprengen. Doch es gelang – auch mit tatkräftiger Unterstützung, die Deutschland aus dem Ausland zuteil wurde – die Besorgnisse und Ängste zu zerstreuen. Das verständliche Zögern mancher Staaten habe durch eine stärkere Einbindung in den Entscheidungsprozess zur deutschen Wiedervereinigung gelöst werden können. Schließlich seien die entscheidenden Weichenstellungen bei den Zwei-plus-Vier-Gesprächen zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Mächten vorgenommen worden. Die Inhalte des abschließenden Vertrags wurden am 1. und 2. Oktober 1990 vor der KSZE-Außenministerkonferenz in New York mitgeteilt. Am 19. und 20. November 1990 unterschrieben alle 34 KSZE-Mitgliedstaaten die Charta von Paris.

Den Zerfall des Ostblocks und das weltweite Scheitern des Kommunismus beschrieb Prof. Vogel als ein Kapitel der Geschichte. In den zurückliegenden 20 Jahren habe sich die Welt wesentlich weiterentwickelt. Gemeinsam mit Indien wolle Deutschland die Geschichte einer freien und demokratischen Welt weiterschreiben. Eine strategische Partnerschaft zwischen beiden Staaten, zuletzt erneuert durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister Manmohan Singh, mache deutlich, dass die Förderung universeller Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die Zukunftsvorstellung von Frieden, Sicherheit und gemeinsamen Chancen in globalen Fragen im beiderseitigen Interesse Deutschlands und Indiens liege. Zudem sei Indien die größte Demokratie der Welt, habe eine freie Presse und das Militär stehe unter politischer Kontrolle. Indiens Wirtschaft sei marktwirtschaftlich organisiert, seine Wachstumsraten machten es insgesamt zu einem beinahe idealen Wirtschaftspartner. Damit seien beide Länder dazu bereit im internationalen globalisierten System des 21. Jahrhunderts eine größere Verantwortung zu übernehmen.

An der Vortragsveranstaltung nahmen etwa 140 hochrangige Vertreter aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien teil. Im Anschluss an den Vortrag folgte eine lebhafte Diskussion, die die Aspekte der Teilung Deutschlands und den Vergleich der Situation Indiens und Pakistans aufgriff sowie sich auf den wirtschaftlichen Angleichungsprozess zwischen Ost- und Westdeutschland bezog. Die überregionale Tageszeitung „The Statesman“ berichtete am Folgetag über die Vortragsveranstaltung.

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