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„Die Freiheit muss man sich in diesem Beruf erobern“

von Dominik Stawski

Journalistische Initiativen. Geschäftsmodelle und Netzwerke

Auf diese Gemeinsamkeiten könnten italienische und deutsche Journalisten gerne verzichten: Journalisten stehen unter wirtschaftlichem Druck, die Zeilenhonorare sind niedrig, die Märkte oft so eng, dass es kaum Platz für neue Geschäftsideen gibt. Es hängt am Mut und Engagement einzelner Journalisten, ob neue Projekte glücken. Fünf Beispiele, die Hoffnung machen.

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1. Lorenzo Fazio gründete vor einigen Jahren das multimediale Verlagshaus Chiarelettere, das vor allem auf dem italienischen Buchmarkt regelmäßig Erfolge verbucht. Besonders die moderaten Preise, die für Sachbücher bei 12 bis 15 Euro liegen, die jungen Autoren und die Begleitung von Buchstarts durch verlagseigene Blogs haben zum Erfolg beigetragen. Regelmäßig landen die Titel in den italienischen Bestsellerlisten.

 

 

 

 

  • „Wir haben Berlusconi und italienische Großunternehmer, die einen großen Teil der Medien kontrollieren. Das ist die Anomalie Italiens. Chiarelettere ist völlig frei und unabhängig, das ist das besondere. Wir können beispielsweise über den Opus Dei schreiben. Vor kurzem haben wir ein kritisches Buch über die italienischen Staatsbahnen veröffentlicht.“
  • „Unsere Arbeit ist einfach, denn mit unserer Idee haben wir Lücken gefunden auf dem Markt. Aber man darf sich keinen Illusionen hingeben. Wir befinden uns in einer heiklen Übergangsphase.“
  • „Man kann heute selbst mit einer Printzeitung noch Erfolg erzielen. Das beste Beispiel ist Il Fatto Quotidiano, neu gegründet und erfolgreich.“

2. Angelo Perrino: Perrino war jahrelang in italienischen Tageszeitungen beschäftigt und gründete im Jahr 1996 die erste Online-Tageszeitung Italiens. 2010 wird er wohl Gewinn machen. „Unsere Zeitung kann sich über Wasser halten“, sagt Perrino.

 

 

 

 

 

 

  • „Die Finanzierung ist eine Frage der Qualität und der Inhalte. Die Leute müssen für unsere Artikel zahlen wollen. Am Ende wird sich die Online-Zeitung mit Werbung und Qualitätsinhalten finanzieren können.“
  • „Das Internet ist nur eine Prothese, eine zusätzliche Möglichkeit, alte Zeitungen auf neue Art und Weise zu verbreiten, aber es sind immer noch die alten Zeitungen. Papier ist eben nicht mehr zeitgemäß, die Online-Ausgabe ist schneller.“
  • „Wenn in den Chefredaktionen seit Jahrzehnten dieselben sitzen, wer kümmert sich dann um die jungen Leute? Es gibt in Italien nichts, was speziell für junge Leute gemacht wurde.“
  • „Wir haben 15 junge Leute in der Redaktion. Alle sind angestellt, sie kamen von der Universität. Es ist learning by doing, jeden Tag werden diese Leute besser. Sie sind alle auf ihre Themen spezialisiert. Wir haben auch Mitarbeiter, die gratis für uns arbeiten, weil sie viel Freude daran haben, zu schreiben.“
  • „Meine Leute sind versichert, aber natürlich sind es geringe Gehälter. Ich musste auch mein persönliches Geld einsetzen, damit wir keine Schulden machen. Die Freiheit muss man sich in diesem Beruf erobern.“
3. Eva Clausen: Clausen ist Korrespondentin von eurotopics in Italien. Eurotopics ist ein transnationales Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung. Korrespondenten in allen 27 EU-Ländern und der Schweiz sichten Zeitungen und bereiten die wichtigen Themen des Kontinents mehrsprachig auf. Im Mittelpunkt stehen Meinungsbeiträge aus den traditionellen nationalen Medien.

 

 

 

  • „Bei europics wählen mehr als 20 Korrespondenten jeden Tag Inhalte aus den traditionellen Medien aus. Wir kürzen, wir fassen zusammen, wir kommen dem Internetnutzer entgegen. Wir wählen nur Kommentare aus, gehen weg von den kleinen Pillen des Journalismus. Der Fokus liegt auf europäischen Themen. Entscheidend ist, dass unser Angebot fünfsprachig ist. Unsere Initiative versucht die Fragmentierung des Publikums zu überwinden.“
  • „Medienkritik hier in Italien gibt es gar nicht. Die habe ich noch nicht gesehen. Blogs müssten eigentlich einen wahnsinnigen Erfolg haben, weil sie dieses Vakuum füllen könnten. Italienische Blogs neigen aber zum Monolog, zur Nabelschau.“
4. Prof. Dr. Thomas Leif: Leif hat mit der Gründung des Netzwerks Recherche die erste Journalistenorganisation Deutschlands geschaffen, die sich diesem Thema speziell widmet. Das Netzwerk veranstaltet Konferenzen, fördert den Austausch unter Journalisten und weist mit kritischen Veröffentlichungen auf Probleme im Journalismus hin.

 

 

 

 

 

 

  • „Wir haben kein Defizit an gut recherchierten Sachbüchern. Wir haben eine Lücke in der Resonanz. In den Bestsellerlisten stehen Entertainmenttitel vorne. Das Bedürfnis an kritischer Information ist in Deutschland nicht groß. Für gute Recherchen braucht man finanzielle Ressourcen, die man auf den kommerziellen Märkten meiner Meinung nach nicht bekommen wird.“
  • „Ich halte die Marktkrise für einen Mythos. Unsere Medienkonzerne machen beachtliche Gewinne. Der Mythos der Krise dient nur dazu, Sparmaßnahmen durchzusetzen. Die alte Verlegerperson stirbt aus, es gibt nur noch Manager, die statt Medienprodukten auch Zuchtbullen verkaufen könnten.“
  • „Die Journalistengewerkschaften in Deutschland sind zu schwach. Es ist einfacher, die Obdachlosen vor dem Bahnhof in Rom zu organisieren als die deutschen Journalisten.“
  • „Die Stärken der Online-Publizistik werden nicht genutzt, weil der Sparwille regiert. Bislang sehen wir meist die Duplikation von Print-Inhalten. Heute ist der Online-Journalismus doch nicht viel mehr als die Investitions-Resterampe von Verlegern. Es geht aber nicht ohne Qualität und gute Autoren. Eine Chance sehe ich zum Beispiel in der absolut sauberen Analyse von Dossiers.“
  • „Der Schlüssel für die Zukunft wäre eine Medienkritik. Wir brauchen Leute, die sich etwas trauen. Wir leben in einer Fastfood-Gesellschaft, und die Menschen wollen auch nur Fastfood-Medien. Medienkritik ist verwaist, dafür ist auch unser eigener Berufsstand verantwortlich. Zum Beispiel gibt es gegen die niedrige Bezahlung zu wenig Protest.“
5. Lukas Heinser: Heinser verantwortet den BILDblog, dessen Hauptaufgabe ist es, Fehler deutscher Journalisten zu thematisieren. Längst widmet sich der Blog nicht mehr nur der BILD-Zeitung, sondern allen deutschen Medien. „Wir haben Werbung auf der Seite und ich kann davon leben. Unsere Marke ist etabliert“, sagt Heinser.

 

 

  • „BILDblog schreibt die Fehler anderer Medien auf. Jeder macht Fehler, auch jeder Journalist. Nur lassen sich deutsche Journalisten ungern kritisieren. Deutsche Journalisten sind wie die katholische Kirche: fehlerfrei.“
  • „Möglicherweise können Internet und Printtitel nebeneinander bestehen. Ich lese immer noch Artikel in Zeitungen, die ich im Internet sonst so nie gelesen hätte. Manchmal reizt mich eine besondere Aufmachung in der Zeitung.“

 

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