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Veranstaltungsberichte

Komparativer Workshop: multi-konfessionelle Gesellschaften mit Bürgerkriegsvergangenheit

Am 2. und 3. Dezember fanden sich 20 internationale Akademiker und Experten zu einem komparativen Workshop in Beirut zusammen, um über Gemeinsamkeiten und Herausforderungen multikonfessioneller Gesellschaften zu debattieren, die sich nach langjährigen Konflikterfahrungen um Einheit und Frieden bemühen. An dem Expertenkreis, der gemeinsam mit dem KAS Buero Bosnien-Herzegowina organisiert wurde, nahmen neben libanesischen Experten sechs Teilnehmer aus Bosnien-Herzegowina sowie weitere Experten aus dem Irak und Nordirland teil.

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Der Workshop befasste sich mit dem Gleichgewicht, das in stark fragmentierten Ländern erreicht werden muss, deren ethnisch-konfessionell orientierte Politik auf ein hohes Maß an proportionale Repräsentation ausgerichtet ist. Mit besonderem Augenmerk auf den Libanon und Bosnien-Herzegowina wurden Modelle der Politik, Wirtschaft und Vergangenheitsbewältigung verglichen.

Die Expertenrunde begann mit einer Auseinandersetzung zum Thema Auswirkungen von Klientelismus auf die Regierungsführung und die gesamtwirtschaftliche Leistung. Deutlich wurde, dass ethnische Spaltungen den öffentlichen Sektor stark behindern können, insbesondere hinsichtlich des fairen Wettbewerbs und des öffentlichen Auftragswesens. Wenn der öffentliche Sektor keine effektiven Mechanismen entwickelt, um eine gute Regierungsführung und Inklusivität zu gewährleisten, kann die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden.

Daran anknüpfend wurde die proportionale Aufteilung von Posten in Schlüsselinstitutionen im Libanon, Bosnien-Herzegowina und Irak verglichen. Gesellschaften mit komplexen ethnischen Strukturen erfordern oft ethnisch sensible Institutionen, die Anreize zur Zusammenarbeit und Konfliktvermeidung bieten. Auf der anderen Seite wurden ebenfalls die negativen Auswirkungen ersichtlich, die sich aus der Betonung von ethnischen statt zivilen Identitäten bei der Postenbesetzung ergeben. 

Gefolgt wurde diese Runde von einer Rede zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Justiz in konfessionellen Proporzsystemen und einer intensiven Debatte über die Vereinbarkeit von Konfessionalismus und rechtlicher Unabhängigkeit. 

„Transitional Justice“ war ein weiteres zentrales Thema des Workshops. Wie geht man mit der eigenen blutigen Konfliktvergangenheit um, wenn sie unter den eigenen Bürgern stattfand? In diesem Panel wurde die rechtliche Aufarbeitung von Kriegsverbrechen debattiert. Hier stach der starke Gegensatz zwischen Bosnien-Herzegowina einerseits, der die Verbrechen durch den internationalen Gerichtshof ICTY untersuchen hat lassen, und dem Libanon andererseits hervor, der eine Generalamnestie für die Kriegsverbrechen des Bürgerkrieges erlassen ließ. Darüber hinaus wurde die kulturelle Verarbeitung der Vergangenheit diskutiert: Wie gehen Gesellschaften mit der Erinnerung an Bürgerkrieg um? Hier wurden insbesondere über Ansätze in der Bildung und Pädagogik diskutiert. Die große Herausforderung der untersuchten Länder liegt darin, dass die unterschiedlichen konfessionellen Gruppen andere Interpretationen der Vergangenheit vertreten und gleichzeitig Anspruch auf das Wahrheitsmonopol erheben. Damit hängt auch zusammen, wie eine Nation Kriegserinnerungen in Form von Nationalfeiertagen, Museen oder Statuen bewahrt.

Zentraler Punkt jeder Debatte um stark fragmentierte Nationen ist die Frage der nationalen Einheitsregierung – ist sie ein Weg zum Frieden, oder erstickt sie nicht nur eine effektive Opposition, sondern auch jegliche Handlungsfähigkeit der Regierung? Damit zusammenhängend wurden die unterschiedlichen Modelle der Wahlgesetze verglichen und diskutiert. Indem sie die seit Jahrzehnten unterbrochenen Verfassungsprozesse wieder in Gang setzen, spielen Wahlen eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung von Nachkriegsgesellschaften.

KAS Libanon und Bosnien-Herzegowina dankt allen Teilnehmern herzlich für die spannenden Einsichten aus den unterschiedlichen Ländern und die intensiven Debatten.

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Valentina von Finckenstein

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