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"USA blockieren Resolution des VN-Sicherheitsrates zur COVID-19 Pandemie"

von Andrea Ellen Ostheimer
Nachdem die Regierung von US-Präsident Trump bereits Mitte April ihre Unterstützung für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entzogen hatte, machte sie nun am 8. Mai einen mühsam errungenen Kompromiss für eine Resolution des VN-Sicherheitsrates in der COVID-19-Pandemie zunichte.

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Die Paralyse des Sicherheitsrates dauert an
 

Seit drei Monaten steht die globale Weltordnung vor der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch das zur Bewältigung von Krisen und Konflikte mandatierte Organ, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN), hüllt sich bislang in Schweigen.[1] 

Dem Sicherheitsrat fällt es sichtbar schwer, sich in der COVID-19-Pandemie zu positionieren und Profil zu zeigen. Dabei ist vor allem der Antagonismus USA-China für die Paralyse des Sicherheitsrates verantwortlich.

Eine Resolution des Sicherheitsrates, als völkerrechtlich bindendes Dokument, würde alle Mitgliedstaaten zur Umsetzung verpflichten und könnte insbesondere in Bezug auf einen koordinierten Ansatz bei der Bekämpfung des Virus und internationaler Solidarität einen entscheidenden Schritt bedeuten. Gerade für jene Staaten, deren eigene Gesundheitssysteme der Pandemie nicht gewachsen sind, wäre dies ein wichtiges Element im Kampf gegen COVID-19.

Bereits am 23. März hatte VN-Generalsekretär António Guterres zu einem globalen Waffenstillstand aufgerufen, um in den zahlreichen bewaffneten Konflikten den Zugang humanitärer Akteure aufrechtzuerhalten, die bereits stark eingeschränkten Gesundheitssysteme zu entlasten und auch neue Optionen für Friedensverhandlungen zu eröffnen. Eine Resolution des Sicherheitsrates hätte hierfür ein wichtiges Instrument zur Umsetzung des Appells und auch für die Überwachung der Waffenruhe sein können. Die Dynamik der ersten Stunde hat man allerdings sukzessive im Sicherheitsrat verspielt.

Im März hatten vor allem Russland, China und Südafrika eine Diskussion der Pandemie mit dem Verweis abgelehnt, dass man sich damit vom eigentlichen Mandat des Sicherheitsrates – der Schutz des internationalen Friedens und der Sicherheit – entferne, da es sich primär um eine Herausforderung für die Weltgesundheit und Weltwirtschaft handele. Dieser Rekurs auf einen sehr traditionellen Sicherheitsbegriff ist sowohl bei China wie auch bei Russland nichts Neues und wird beispielsweise auch immer wieder angeführt, wenn es um den Nexus Klima und Sicherheit geht.
 

Die Bedrohung von Frieden und Sicherheit durch eine Pandemie


Allerdings hat sich der Sicherheitsrat bereits in der Vergangenheit mit Epidemien beschäftigt. Dies war während der HIV/Aids-Epidemie 2000 (UNSCR 1308), in der Ebola-Krise in Westafrika 2014/2015 (UNSCR 2177), wie auch bei der Verbreitung von Ebola im Ost-Kongo 2018 (UNSCR 2439) der Fall.

Auch hat Generalsekretär Guterres, als der Sicherheitsrat endlich am 9. April die COVID-19-Pandemie auf Betreiben Deutschlands und acht weiterer nichtständiger Mitglieder, auf die Agenda setzte, sehr gut die Bedrohung von Frieden und Sicherheit in seiner Unterrichtung herausgearbeitet. Bei den acht Punkten, die er anführte, stand der Vertrauensverlust der Bevölkerung in den Staat an erster Stelle und er forderte vor allem Transparenz im Krisenmanagement ein.

In fragilen Staaten, in stark polarisierten Gesellschaften, in solchen ohne soziale Absicherung oder mit einem hohen Anteil der Beschäftigten im informellen Sektor, können die Auswirkungen der Pandemie – wie auch die Maßnahmen zur Eindämmung – soziale Unruhen oder gar xenophobe Übergriffe provozieren.

COVID-19 stellt insbesondere in jenen Konflikten wie Syrien, Libyen oder Jemen, mit denen sich der Sicherheitsrat regelmäßig beschäftigt, eine weitere Bedrohung für die Bevölkerung dar. Der nur noch rudimentär vorhandene Gesundheitssektor in diesen Ländern wäre mit den Ausmaßen einer Epidemie komplett überfordert. Bereits heute hängen diese Gesundheitssysteme von externer humanitärer Hilfe ab. Versorgungsrouten für humanitäre Hilfe sind zudem durch Reisebeschränkungen und Versorgungsengpässe bei medizinischem Material beeinträchtigt.

Auch die diplomatischen Initiativen des Krisenmanagements werden durch die Pandemie auf allen Ebenen schwieriger.

Gleichzeitig wittern Terroristen eine Chance, die Ablenkung zahlreicher Regierungen auszunutzen, um Anschläge zu verüben und ihr Aktionsgebiet zu vergrößern.

In seiner Unterrichtung des Sicherheitsrates verwies Generalsekretär Guterres auch auf die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die durch die Pandemie entstehen oder weiter verschärft werden.[2]

Für die aktuell 13 Friedenssicherungsmissionen der Vereinten Nationen stellt die COVID-19-Pandemie bereits heute eine logistische Herausforderung dar (Einreiseverbote, Quarantänevorschriften, geschlossene Flughäfen). Truppenrotationen wurden bis Ende Juni aufgehoben, um die Sicherheit der Peacekeeper zu gewährleisten und um die notwendigen Kapazitäten für medizinische Versorgung vor Ort und Notfallevakuierungen erhöhen zu können.


“Die ohrenbetäubende Stille des Sicherheitsrates”, Deutscher VN-Botschafter, Dr. Christoph Heusgen (09.04.2020)[3]


Zur Enttäuschung vieler brachte die Diskussion am 9. April keine weiterführende Äußerung des Sicherheitsrates, wie eine Erklärung der Präsidentschaft des Sicherheitsrates. Es gab lediglich eine kurze Presseerklärung.

In den Wochen danach gelang es zumindest, den von Tunesien und acht weiteren nichtständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates vorgelegten Entwurf einer Resolution mit einer von Frankreich auf den Weg gebrachten Initiative zu verbinden.

Für die mit erweitertem Vetorecht ausgestatteten Mitglieder Russland und USA stellte zunächst der vom Generalsekretär eingeforderte globale Waffenstillstand ein Problem dar. Beide Staaten sahen ihre eigenen Einsätze der Terrorismusbekämpfung (Russland versteht darunter vor allem sein eigenes Engagement in Syrien) durch einen solchen globalen Waffenstillstand gefährdet. In den zähen Verhandlungen konnte man sich allerdings hier auf eine reduzierte Version und die Formulierung eines humanitären Waffenstillstandes für 90-Tage einigen.

Von russischer Seite wurde darüber hinaus immer wieder der Versuch unternommen, eine Forderung zur Aufhebung von Sanktionen unterzubringen, dabei vor allem die eigenen Interessen (Krim-Annektion und Ostukraine) und die der Verbündeten Iran und Venezuela im Blick habend. Allerdings ist davon auszugehen, dass Russland nicht so weit gehen und eine Resolution ohne Erleichterung der Sanktionsregime durch ein Veto blockieren würde.


Konfrontation USA - China


Allerdings scheiterte die Verabschiedung einer COVID-19-Resolution des Sicherheitsrates immer wieder an strittigen Punkten, welche die direkte Konfrontation USA-China dokumentieren.

Zu Beginn beharrten die USA darauf, dass SARS-CoV-2, welches die Krankheit COVID-19 auslösen kann, als „Wuhan-“ oder „chinesisches Virus“ in der Resolution bezeichnet würde. Dies konnte glücklicherweise in den Verhandlungen frühzeitig ausgeräumt werden.

Aktuell ist der strittige Punkt die Erwähnung der Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei der Eindämmung der Pandemie. China, welches interessanterweise in der Vergangenheit Verweise auf Sektoren wie Gesundheit oder Entwicklung nicht in Resolutionen des Sicherheitsrates sehen wollte, beharrt darauf. Und für die Amerikaner ist die WHO aktuell neben China das neue Feindbild, dem man absolut keinen Tribut zollen möchte.

Am Donnerstag, den 7. Mai schien es fast so, als ob man einen Kompromiss gefunden hätte. Der am Abend von China und den USA abgesegnete Resolutionsentwurf forderte eine verstärkte Koordination im Kampf gegen das Virus und die dringende Unterstützung aller Staaten und relevanten Institutionen der Vereinten Nationen, einschließlich der auf Gesundheit fokussierten Organisationen, anderer relevanter internationaler, regionaler und sub-regionaler Organisationen.

Die Zugeständnisse von amerikanischer Seite währten aber nur eine Nacht. Am Freitag, den 8. Mai brach man das Schweigen und entzog die Unterstützung für den Kompromiss. Als Argument wurde angeführt, dass eine Benennung der WHO, auch in indirekter Form, sich gleichzeitig kritisch mit der Rolle der WHO und Chinas auseinandersetzen und man Mitgliedstaaten auf Transparenz und Verantwortlichkeit im Management der Pandemie verpflichten müsse. Es scheint, dass man mit diesen Forderungen auf amerikanischer Seite wieder Rekurs auf Positionen von vor einigen Wochen nimmt.

Darüber hinaus dokumentiert diese jüngste Episode nicht nur die offensichtliche Inkonsistenz an Positionen und unklare Vorgaben für die Verhandlungsführung durch das US State Department, sondern auch das Primat innenpolitischer Interessen auf der multilateralen Bühne.


Die Stunde der Vereinten Nationen?


Generalsekretär Guterres bezeichnete den Kampf gegen COVID-19 als “[…] fight of a generation – and the raison d’être of the United Nations itself.” [4]

In einer Situation, in der Solidarität, gemeinsames und abgestimmtes Handeln mehr denn je benötigt werden; und die Pandemie die Notwendigkeit von multilateralen Institutionen zur Unterstützung und Koordination nationaler Politiken unterstreicht, verabschieden sich die USA von ihrer globalen Rolle und ihrem ehemaligen Führungsanspruch.

Die Abwesenheit der Stimme des Sicherheitsrates zu einem Zeitpunkt, wo die Generalversammlung der Vereinten Nationen es bereits geschafft hat, zwei Resolutionen zur Pandemie auf den Weg zu bringen, schadet dem Ruf der Institution Sicherheitsrat nachhaltig.

Bereits am 2. April verabschiedete die Generalversammlung einstimmig[5], das heißt auch mit der Stimme der USA,  die Resolution  „Declaration of Solidarity of the United Nations in the Face of the Challenges posed by the Coronavirus Disease 2019”.[6]

Darin bekennen sich die Staaten zu Multilateralismus und internationaler Kooperation und sprechen sich für eine zentrale Rolle des VN-Systems im Kontext der globalen Bekämpfung der COVID-19-Pandemie aus. VN-Generalsekretär Guterres schreiben sie dabei eine Führungsrolle in der Mobilisierung wie auch in der Koordination der globalen Krisenbekämpfung zu.

Auf Initiative Mexikos konnte am 20. April wiederum mit der Stimme der USA die Resolution “International cooperation to ensure global access to medicines, vaccines and medical equipment to face COVID-19”[7] verabschiedet werden. Diese fordert die globale Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen, Medikamenten und medizinischem Gerät ein. Der WHO wird in der Resolution explizit eine wichtige koordinierende Rolle zugeschrieben.

Wenn auch die Resolutionen der Generalversammlung keine Bindungswirkung für die Mitglieder haben, so zeigen sie doch, dass in der internationalen Staatengemeinschaft der weitgehende Wille besteht, diese Krise gemeinsam anzugehen.

Der Effekt einer COVID-19-Resolution, die auch nochmals die Relevanz und Präsenz des Sicherheitsrates im Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen (75 Jahre) unterstrichen hätte, ist mittlerweile verpufft. Eine solche zeitnahe Resolution hätte Symbolkraft gehabt und Generalsekretär Guterres’ Forderung nach einem Waffenstillstand, wenn auch in minimalistischer Form, den Rücken gestärkt. Sie hätte in Bezug auf die Forderung nach einem humanitären Waffenstillstand Monitoring-Möglichkeiten eröffnet.

Eine solche Resolution könnte eine Grundlage für weitere Diskussionen insbesondere im Kontext des Nexus Gesundheit und Sicherheit bieten. Allerdings würde eine solche Resolution die Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrates und damit den politischen Willen, globales Verantwortungsbewusstsein und die Kompromissbereitschaft aller ständiger Mitglieder voraussetzen. Doch davon scheinen wir aktuell weit entfernt zu sein.

 

[1] Siehe auch: Andrea E. Ostheimer: „Ist ein Ende der Paralyse in Sicht?“, Länderbericht KAS New York, April 2020.

[2]https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/un_policy_brief_on_human_rights_and_covid_23_april_2020.pdf

[3] https://www.tagesschau.de/ausland/un-sicherheitsrat-bioterror-101.html

[4] https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2020-04-09/secretary-generals-remarks-the-security-council-the-covid-19-pandemic-delivered

[5] Die neuen Abstimmungsregeln der virtuellen UN Generalversammlung sehen vor, dass eine Resolution bereits dann abgelehnt ist, wenn sich ein Staat dagegen ausspricht. Normalerweise sind je nach Thematik Mehrheits- oder Konsensentscheidungen vorgesehen.

[6] https://www.un.org/pga/74/2020/04/02/declaration-of-solidarity-of-the-united-nations-in-the-face-of-the-challenges-posed-by-the-coronavirus-disease-2019/, 06.04.2020.

[7] https://www.un.org/pga/74/wp-content/uploads/sites/99/2020/04/Letter-to-Member-States-for-20-April-on-COVID19-Silence-Procedure-resolution-re-L.56-Final.pdf

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Andrea Ostheimer

Leiterin des Multilateralen Dialogs Genf

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7. April 2020
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