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Veranstaltungsberichte

Rednertour 2009 - Weichenstellungen in die Zukunft

60 Jahre Bundesrepublik Deutschland - Eine Erfolgsgeschichte?

Im Rahmen der Rednertour "Weichenstellungen in die Zukunft" der Konrad-Adenauer-Stiftung begab sich Professor Arnulf Baring mit Vorträgen in Bückeburg, Hildesheim, Osnabrück und Oldenburg auf eine spannende Reise durch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

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Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates ausgefertigt und verkündet. Heute, 60 Jahre danach, will eine Feierstimmung aber noch nicht recht aufkommen. Zu sehr wird das Geschehen durch die weltweite Wirtschaftskrise und auch die bevorstehenden Wahlen bestimmt. Dabei bietet sich der abwägende Rückblick gerade in der Krise an, um aus den Erfolgen und Fehlern der Vergangenheit Erkenntnisse für den Umgang mit den drängenden Fragen der Gegenwart zu gewinnen.

Dies ist das wesentliche Ziel der Rednertour der Konrad-Adenauer-Stiftung „Weichenstellungen in die Zukunft“. Wir blicken mit unserer deutschlandweiten Tour keineswegs nur zurück, sondern verstehen die Auseinandersetzung mit der Geschichte unseres Landes als Beitrag zu den aktuellen Debatten um gute Lösungen für die Gestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im 21. Jahrhundert.

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Das Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim

Niemals zuvor erlebten die Deutschen eine so lange Phase des Friedens. Blicken wir zurück in die Geschichte, seien die vergangenen 60 Jahre insofern eine Ausnahme, meinte Professor Baring. Diese Errungenschaft dürfe nicht als Selbstverständlichkeit begriffen, sondern müsse vielmehr als Geschenk und Auftrag verstanden werden. Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheine, war in der Nachkriegszeit noch keineswegs entschieden. Die Folgen des schrecklichen Krieges prägten die Generationen noch heute, manche Erfahrungen drängten erst in den letzten Jahren in das Bewusstsein der Öffentlichkeit: Die Vertreibung von Deutschen, die Opfer des Bombenkrieges oder etwa die Vergewaltigungen, vor allem durch Soldaten der Roten Armee.

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Prof. Dr. Arnulf Baring
Professor Baring unterteilte die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in drei Phasen: 1949-1969, 1969-1989 und die Jahre ab 1989. Die „tüchtigste“ Phase seien die Jahre zwischen 1949 und 1969 gewesen. Auch heute zehrten wir von Grundlagen, die in jener Zeit gelegt worden seien. Für den Redner war dabei der entscheidend positive Faktor bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft das selbstbewusste Bürgertum. Fleiß und Optimismus seien jedoch in allen Gesellschaftsschichten niemals so groß wie in den 1950er Jahren gewesen. Man baute auf, konnte aufsteigen und den Familien eine bessere Zukunft hart erarbeiten. Dies zeigten auch die Geburtenraten, die in diesen Jahren sehr hoch gewesen seien.

Die Ära Adenauer könne zudem nicht mit der Bezeichnung „angebräunte Jahre“ abschätzig charakterisiert werden. Auch die Masse der Millionen ehemaliger NSDAP-Mitglieder sei nach 1945 durch die gewaltigen Zerstörungen in Deutschland, vor allem aber durch die aufgedeckten Verbrechen des Nationalsozialismus ernüchtert und „belehrt“ gewesen. Deshalb habe es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, anders als vom linken Rand, letztlich niemals mehr eine intellektuell ernstzunehmende Gefahr von „Rechts“ gegeben. Diesbezügliche Besorgnisse seien auch heute gegenstandslos.

Herausragende Protagonisten des Erfolges jener Zeit sind Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Dabei werde das Modell der Sozialen Marktwirtschaft heute jedoch nicht selten falsch wiedergegeben. Erhard sei der Auffassung gewesen, dass eine optimierte Soziale Marktwirtschaft aus sich selbst heraus „sozial“ sein werde. Der Staat sei eben kein Wirtschaftslenker, wie ein Blick auf die Geschichte der DDR vor Augen führe. Konrad Adenauers Politik der Westintegration stieß auf große Widerstände und war in den durch die Rote Armee besetzten Gebieten nicht populär. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hätten manche Politiker einen Kompromiss mit Stalins Sowjetunion erhofft, illusorische Bemühungen, die den Charakter der Diktatur Stalins verkannten. Das Erbe dieser Auseinandersetzungen um Ost- und Westpolitik sei weiter virulent und berühre auch aktuelle Fragen der außenpolitischen Orientierung Deutschlands.

Herausragende Weichenstellungen jener Jahre waren der Lastenausgleich, die Einführung des umlagefinanzierten Rentensystems und der paritätischen Mitbestimmung in der Kohle und Stahlbranche. Keine Rede könne deshalb davon sein, dass unter Konrad Adenauer etwa soziale Aspekte vernachlässigt worden seien.

In den 1960er Jahren gewann die SPD besonders bei jungen Leuten an Boden. Die erste große Koalition mit Kurt Georg Kiesinger, Helmut Schmidt, Franz Josef Strauß und Karl Schiller sei die „wohl beste“ Regierung der vergangenen Jahrzehnte gewesen. Als Ursache dafür bezeichnete Professor Baring vor allem die jahrelange Anbahnung und schließlich bewusste Herbeiführung der Koalition zur gezielten Bewältigung von Problemen, wie etwa die Verabschiedung der Notstandsgesetze.

Die Erwartungen der Menschen an den weiteren Ausbau des Sozialstaates wurden in den 1970er Jahren gesteigert, und daraus entsprang ein rasantes Wachstum der Sozialausgaben. In der Folge sei viel zu wenig für die Bildung der jungen Generationen getan worden, die auch in der Zukunft die durch hohe Staatsausgaben entstehenden Lasten zu tragen haben werden. Mit den „68ern“ sei zudem die „Entbürgerlichung“ Westdeutschlandes auf vielen Gebieten rasant fortgeschritten.

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Im Roemersaal des Museums
Die dritte Phase der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist geprägt durch die friedliche Revolution in der DDR und die Wiedervereinigung 1989/90. Professor Baring machte deutlich, dass es sich bei der Wiedervereinigung um ein „großes Glück“ handelt, das nicht zuletzt Helmut Kohls zupackendem Einsatz zu verdanken sei. Denn Frankreich oder Großbritannien hätten versucht, die Vereinigung zu verzögern, „wenn nicht zu verhindern“. Helmut Kohl habe im Gegensatz zu vielen anderen das „Fenster der Gelegenheit“ erkannt und die vorübergehende Chance mit Unterstützung des amerikanischen Präsidenten George H.W. Bush beherzt ergriffen. Dabei schreibt Baring vor allem dem besonnenen Verhalten vieler Ostdeutscher eine große Bedeutung zu: Was wäre passiert, wenn auch nur ein einziger Posten auf die friedlichen Demonstranten oder Ausreisewilligen geschossen hätte? „Dann hätte alles schief gehen können.“ Die durch die marode Wirtschaft der DDR für Gesamtdeutschland entstandenen Lasten seien aber überwiegend nicht durch Steuern, sondern durch enorme Schulden finanziert worden.

Zu den aktuellen Debatten um die demographische Entwicklung meinte Professor Baring, dass man die entstehenden Lücken nicht durch Zuwanderung füllen könne. Überhaupt dürfe das Thema nicht „leisetretend“ und beschönigend dargestellt werden, was häufig geschehe, wenn vom multikulturellen Zusammenleben geschwärmt werde. Die Integration funktioniere bei manchen Gruppen gut, etwa bei den aus Polen stammenden Menschen. Sie seien rasch heimisch, Deutsche geworden. Eine große Zahl türkischstämmiger Einwanderer lebe hingegen in Parallelgesellschaften. Daß die Deutschen mit sich selbst nicht einverstanden seien, dass es ihnen an Selbstgefühl mangele, zeige zudem die Debatte um die fehlende „Leitkultur“ und das Unvermögen, Ansprüche an die Integration von Ausländern zu stellen oder überhaupt erst zu formulieren.

Dem Redner geht es um ein neues Selbstbewusstsein in Deutschland, um eine Selbstachtung, der allerdings nationalistische oder ausländerfeindliche Haltungen fremd sind. Fleiß und Optimismus seien nötig, nicht das bequeme Einrichten in sozialen Sicherungssystemen. Außerdem sei die Erinnerung wichtig und ermutigend, dass deutsche Geschichte nicht nur aus der Zeit des Nationalsozialismus bestehe, sondern die Deutschen über Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg und Jahrzehnte nach 1945 eine positive Rolle gespielt hätten. Der Redner plädierte eindringlich für eine gelassene, positive Haltung zu Deutschland und zur Zukunft.

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