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Länderberichte

Angola im Wandel?

Zwischen Öffnung und Kontrolle

50 Jahre nach der Unabhängigkeit und 23 Jahre nach dem Ende eines langjährigen Bürgerkriegs steht Angola heute gleich doppelt auf dem Prüfstand. Eine rapide wachsende junge Bevölkerung fordert immer lauter substanzielle Reformen, die politische und wirtschaftliche Teilhabe ermöglichen. Gleichzeitig ist das Land ein zentraler Schauplatz im globalen Systemwettbewerb um Rohstoffe, Handelsrouten und politische Partnerschaften.

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Die angolanische Wirtschaft ist stark durch ihren Reichtum an natürlichen Ressourcen geprägt, allen voran durch Erdöl. Seit der Unabhängigkeit hat sich Angola zu einem der größten Ölproduzenten Afrikas entwickelt, wobei das schwarze Gold zeitweise über 90 % der Exporterlöse und einen Großteil der Staatseinnahmen ausmachte. Diese extreme Abhängigkeit vom Öl hat dem Land sowohl wirtschaftlichen Aufschwung als auch strukturelle Verwundbarkeit beschert. Einerseits ermöglichte der Ölboom den Wiederaufbau nach dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg, neue Investitionen in Infrastruktur und eine stärkere internationale Wahrnehmung. Andererseits führte die Konzentration auf den Rohstoffsektor zu einer Vernachlässigung anderer Wirtschaftsbereiche, zu starker Volatilität durch schwankende Weltmarktpreise und zu einer tiefen sozialen Ungleichheit. Angolas Wirtschaft ist nominal die siebtgrößte in Afrika. Im Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt rangiert das Land allerdings nur auf Platz 20 und das Gesamtwachstum schwankt aufgrund der Abhängigkeit vom Ölpreis. Zuletzt verzeichnete die Wirtschaft eine Erholung nach den Corona- Krisenjahren und konnte für das Jahr 2024 zuletzt ein Wachstum von 4,4 % erzielen. Allerdings betrug die Inflation im gleichen Jahr 27,5 %, was verdeutlicht, dass trotz Wachstum weite Teile der Bevölkerung keine Besserung ihrer Lebenslage sehen.

Angolas geographische Lage an der südwestafrikanischen Atlantikküste, die Nähe zu wichtigen maritimen Verkehrswegen sowie die Rolle als Energieexporteur machen das Land zu einem geopolitisch interessanten Handelspartner. Das wirtschaftliche Interesse an Angola erstreckt sich mittlerweile über die traditionelle Ölförderung hinaus und hat zunehmend Zukunftstechnologien wie grünen Wasserstoff und strategische Rohstoffe für Batterieproduktion im Fokus: zentrale Bausteine für das Gelingen der globalen Energiewende. Für globale Akteure, die ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen in Afrika ausbauen wollen, ist Angola daher ein zentraler Partner.

 

Wirtschaftliche Partnerschaften Angolas im Wandel: Eine Orientierung nach Westen

Angola, das lange als enger Partner Chinas galt, hat in den letzten Jahren begonnen, sich strategisch von chinesischen Krediten zu lösen. Zwischen 2000 und 2022 erhielt Angola rund 45 Milliarden US-Dollar von China – etwa ein Viertel aller chinesischen Kredite an Afrika. Diese Kredite wurden mehrheitlich in den Ausbau der Ölförderungskapazitäten und in Infrastruktur investiert. Dadurch, dass die Rückzahlung der Kredite oft an zukünftige Öllieferungen gekoppelt waren, litt Angola stark unter den Schwankungen des Ölpreises. Der Preis dieser Abhängigkeit wurde spätestens 2023 offensichtlich, als der Rückgang der Ölpreise und der Produktion zu einem Einbruch der Ölexporte von 22 % führte. Dies verursachte eine Währungskrise, in der die lokale Währung Kwanza rund 40 % ihres Wertes verlor.

Seitdem ist ein Gegensteuern der angolanischen Regierung zu beobachten, die die Schulden gegenüber China seitdem fast halbiert hat und internationale Kredite transparenter zu gestalten versucht. Dabei gewinnen die Partnerschaften mit Deutschland, Europa und Amerika klar an Bedeutung. Die vorsichtige Abwendung von China brachte Angola verstärkte Aufmerksamkeit von den USA. So besuchte der damalige US-Präsident Joe Biden 2024 Angola als eins der beiden einzigen afrikanischen Länder, die er während seiner gesamten Amtszeit bereiste. Im November 2025 besucht auch der deutsche Bundespräsident Frank Walter Steinmeier Angola zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation.

Deutsche Unternehmen sind zwar in Angola präsent, jedoch bremsen bürokratische Hürden und infrastrukturelle Defizite weitergehende Kooperationen. Von angolanischer Seite besteht ein klares Interesse an der Kooperation mit Deutschland insbesondere in Bereichen wie Agrarwirtschaft, verarbeitende Industrie und Berufsbildung. Hier verfügt Deutschland über Modelle und Technologien, die zur Produktivitätssteigerung und Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen und lokale Wertschöpfungsketten stärken können. Strategisch bietet Angola für Deutschland Chancen zur Diversifizierung von Exporten und Lieferketten für strategische Rohstoffe außerhalb chinesischer Einflusszonen.

 

Der Lobito Korridor

Angola ist auch Ziel europäischer Zukunftsprojekte zum Aufbau neuer globaler Partnerschaften im Kontext der Global Gateway Initiative der EU, die darauf abzielt, weltweit nachhaltige, hochwertige und wertebasierte Infrastrukturprojekte zu fördern. Im Rahmen dieser Initiative ist der Lobito-Korridor eines der Flaggschiffprojekte, mit einem Investitionsvolumen von fast einer Milliarde Euro.

Der Lobito-Korridor ist ein rund 1.300 Kilometer langer Eisenbahnkorridor, der den Hafen von Lobito an der Atlantikküste Angolas mit den rohstoffreichen Regionen im Süden der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und im Nordwesten Sambias verbindet. Ziel ist es, insbesondere den Export von kritischen Mineralien wie Kupfer und Kobalt zu erleichtern – Rohstoffe, die für die Energiewende und die Produktion von Batterien essenziell sind. Darüber hinaus soll der Korridor regionale Integration fördern, Transportkosten senken und neue wirtschaftliche Chancen für die beteiligten Länder schaffen.

Das Lobito-Korridor-Projekt ist Beispiel eines europäischen Paradigmenwechsels im globalen Rohstoffhandel: Statt eines reinen Extraktionskorridors soll ein regionaler Entwicklungskorridor entstehen. Die geplanten Investitionen sollen nicht nur die Infrastruktur verbessern, sondern auch lokale Wertschöpfungsketten stärken, Arbeitsplätze schaffen und nachhaltiges Wachstum fördern.

 

Kampf gegen Korruption und Armut

Um die angolanische Wirtschaft nachhaltig zu stärken – durch Diversifizierung und internationale Partnerschaften, die zur Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung beitragen – bedarf es von angolanischer Seite des echten politischen Willens, tiefgreifende Reformen umzusetzen. Dazu gehört insbesondere die konsequente Bekämpfung von Korruption, die Stärkung administrativer Dezentralisierung, die Priorisierung von mehr Transparenz in staatlichen Institutionen sowie die Entflechtung politischer und wirtschaftlicher Interessen.

Staatspräsident João Lourenço kam 2017 mit dem Versprechen ins Amt, mit der Korruption auch in den eigenen Reihen, den Reihen der langjährigen Regierungspartei MPLA, aufzuräumen. Eine Anti-Korruptions-Kampagne gegen seinen Vorgänger und dessen Familienangehörige sorgte dabei für viel internationale Aufmerksamkeit, wurde aber auch unter dem Gesichtspunkt der politischen Nützlichkeit dieses Vorgehens kritisiert. Laut Afrobarometer-Umfragen ist die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Leistung der Regierung bei der Korruptionsbekämpfung seit 2019 von 54 % auf 32 % gesunken, während das Misstrauen bezüglich des Schutzes von Hinweisgebern einen Höchststand von 63 % erreicht hat. Dies deutet auf ein Nachlassen des Reformwillens im Kampf gegen Korruption hin und zeigt, dass eine eng mit staatlichen und wirtschaftlichen Eliten verflochtene Regierungspartei nur allzu leicht an die Grenzen ihrer Reformfähigkeit stößt.

Hinzu kommt, dass das Thema Armut das Leben der Menschen in Angola weiterhin beherrscht. Laut dem Multidimensionalen Armutsindex (MPI) der Vereinten Nationen von 2024 leiden insgesamt rund 51 % der angolanischen Bevölkerung unter akuter multidimensionaler Armut. Auf dem Land liegt der Anteil sogar bei 88 %, in städtischen Regionen bei etwa 30 %. Die junge Bevölkerung des Landes sieht sich daher besonders perspektivlos und stellt für die herrschende Elite zunehmend einen politischen und gesellschaftlichen Unsicherheitsfaktor dar. Über 64 % der Bevölkerung sind unter 24 Jahre alt, weshalb der Druck, das Angebot an Bildung, Wohnraum und Arbeitsplätzen rapide zu verbessern, sehr groß ist.

 

Politische Spannungen nehmen zu

Im Juli 2025 eskalierten Proteste, die durch die Entscheidung der Regierung ausgelöst wurden, Dieselzuschüsse zu streichen, wodurch der Preis des Kraftstoffs um etwa 33 % anstieg. Ausgehend von einem Dreitagesstreik der Minibus‑Taxi‑Fahrer in Luanda, breiteten sich die Proteste schnell auf weitere Provinzen aus, wobei Protestierende ihren Unmut über Hunger, Inflation, Chancenlosigkeit und wachsende soziale Ungleichheit kundtaten. Es kam zu Plünderungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften, vor allem in städtischen Zentren. Dabei wurden mindestens 22 Menschen getötet, nahezu 200 verletzt und über 1.200 Demonstrierende festgenommen. Hier offenbarte sich einerseits die große Unzufriedenheit der Bevölkerung und der Wille auf die Straße zu gehen, und andererseits die stark autokratischen und gewaltbereiten Tendenzen der Regierung im Umgang mit Kritik.

Medien und Zivilgesellschaft werden in Angola streng kontrolliert. Der Medienmarkt ist staatlich dominiert: Von 23 offiziell registrierten Radios gelten nur zwei als unabhängig. Private Sender und Zeitungen stehen unter hohem Druck, neue Lizenzen werden häufig blockiert. Gleich mehrere neue Gesetze der letzten Jahre beschneiden die Versammlungs- und Pressefreiheit. Im neuen Strafgesetzbuch von 2020 wurde die „Beleidigung des Staates“ unter Strafe gestellt, was nicht nur die Pressefreiheit beschneidet, sondern womit das gesamte Verhalten der Bevölkerung auch auf sozialen Medien kontrolliert werden soll. Das Nationale Sicherheitsgesetz und der „Vandalismuserlass“ von 2024 lassen drakonische Strafen von bis zu 25 Jahren Haft für jegliche Sachbeschädigung während eines Protests zu; das Fotografieren und Filmen von öffentlicher Infrastruktur, das deren Sicherheitsvorkehrungen festhält, sowie von Polizeieinsätzen wurde unter Strafe gestellt. Zudem werden Sicherheitskräfte zu umfassenden Überwachungsmaßnahen der Bevölkerung ohne richterlichen Beschluss ermächtigt. Menschenrechtsorganisationen wie Freedom House, Human Rights Watch und Amnesty International stellen dazu kritisch fest, dass der vermeintliche Öffnungskurs der Regierung, der seit dem Amtsantritt von João Lourenço in 2017 propagiert wird, sich nicht mit den konkreten Maßnahmen der Regierung deckt, die sogar einen gegenteiligen Trend nahelegen..

 

Wahlen als Schlüsselmomente

Die Regierungspartei MPLA, die seit der Unabhängigkeit an der Macht ist, verliert aufgrund der sehr schlechten Versorgungslage, der anhaltenden Ungleichheit und der mangelnden Bereitschaft, mehr politische Teilhabe zuzulassen, zunehmend an Unterstützung. Bereits die letzten Wahlen im Jahr 2022 waren die knappsten in der Geschichte Angolas. Dabei wurde als offizielles Ergebnis ein knapper Sieg der Regierungspartei MPLA mit 51,57% verkündet. Das Ergebnis wurde jedoch durch die größte Oppositionspartei UNITA sowie die lokale Zivilgesellschaft aufgrund vieler Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Wahlen, auf die auch von internationalen Beobachtern hingewiesen wurde, in Frage gestellt. Es kam zu friedlichen Protesten und einem formellen Einspruch der UNITA vor dem Verfassungsgericht gegen das Ergebnis, der allerdings abgelehnt wurde. Der friedliche Verlauf dieser Nachwahlperiode ist maßgeblich auf die Führung der UNITA zurückzuführen. Sie schloss gewaltsame Proteste klar aus und versprach, sich nach dem Gerichtsentscheid für einen Wandel auf demokratischen Wegen einzusetzen. Seitdem versucht die Partei bisher weitgehend erfolglos, sich durch ihr parlamentarisches Mandat für institutionelle Reformen und eine verbesserte Grundlage für faire Wahlen im Jahr 2027 einzusetzen.

Die angolanischen Parlamentswahlen im Jahr 2027 werfen bereits jetzt ihre Schatten voraus. Die politische Stimmung ist angespannt. Bereits in der Vorwahlphase mehren sich Berichte über politische Gewalt, Einschüchterung von oppositionellen Meinungsführern und Journalisten und die strukturelle Benachteiligung der Opposition. Gleichzeitig diskutiert die Regierung über Änderungen im Wahlgesetz, die offiziell der Transparenz dienen sollen, von Kritikern jedoch als potenzielle Instrumente zur Kontrolle des Wahlprozesses gewertet werden. Besonders umstritten sind Regelungen, die den Zugang zu Wahllokalen, die zentralisierte Auszählung der Ergebnisse und die Arbeit von Wahlbeobachtern betreffen.

Die Opposition – allen voran die UNITA – setzt auf ihre seit den letzten Wahlen gestärkte Position in urbanen Zentren wie Luanda sowie auf die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Korruption, wirtschaftlicher Stagnation und sozialer Ungleichheit.

 

Sollte es zu freien Wahlen kommen, besteht eine realistische Chance, dass die UNITA eine Mehrheit gewinnen könnte. Allerdings ist zu befürchten, dass die Regierung ihre Kontrolle über staatliche Institutionen und Medien nutzen wird, um ihre Macht zu sichern, und im Zweifel auch gewillt ist, den Sicherheitsapparat gegen die Bevölkerung einzusetzen. Es wird also besonders vom Willen der Parteien abhängen, Konflikte gewaltfrei zu bewältigen und Verantwortung für die Gestaltung der politischen Zukunft Angolas nach 2027 – als Regierungs- oder Oppositionspartei oder gemeinsam – zu übernehmen. Vor dem Hintergrund der vergangenen Wahlen und auch im weiteren Kontext von Wahlen in anderen Ländern Subsahara Afrikas wie in zuletzt in Tansania und der Elfenbeinküste, steht zu befürchten, dass auch hier den Herausforderern der Amtsinhaber erhebliche Hürden in den Weg gelegt werden. 

 

 Angola zwischen Anspruch und Realität

Es wird deutlich, wie widersprüchlich das Auftreten Angolas ist. International wird eine Orientierung nach Westen bekundet, Großprojekte wir der Lobito-Korridor als genuine Entwicklungsinitiativen für die breite Bevölkerung beworben und durch die Präsidentschaft der Afrikanisch Union und die Beteiligung am Luanda-Prozess zur Beilegung des Konflikts in der Demokratischen Republik Kongo ein Bekenntnis zu Multilateralismus und Frieden demonstriert. Gleichzeitig bleibt das innenpolitische Klima weitgehend autokratisch: Freedom House bewertet Angola unverändert als „nicht frei“ und stellt eine Rückentwicklung mit gravierenden Defiziten in der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung und der demokratischen Kontrolle fest. Dieser Widerspruch – globaler Auftritt als reform- und partnerschaftsorientierter Akteur bei gleichzeitiger innerer Repression – verdeutlicht, dass Angolas internationale Ambitionen nicht mit substanziellen demokratischen Reformen im Inland einhergehen. Daher bleibt es fraglich, ob Angola als stabiler Partner für wirtschaftliche Kooperation und Friedensinitiativen ernst genommen werden kann.

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Kontakt Anna Hoffmann-Kwanga
Portrait Anna Hoffmann
Leiterin des Auslandsbüros Namibia und Angola
anna.hoffmann@kas.de +264 61 225 568

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