Amnesty International veröffentlichte einen schockierenden Bericht über die Gewalt die seit der Stichwahl für den Präsidenten am 28.11.2010 die Elfenbeinküste erschüttert. Der Bericht mit dem Titel ‚Sie sahen seine Kennkarte und töteten ihn’ basiert auf den Ergebnissen von Untersuchungen, die Amnesty International in den letzten sechs Monaten durchführte. Der Titel des Berichts erfasst beeindruckend die Realität der Übergriffe in Abidjan und im Westen des Landes und stellt eine Warnung für Präsident Alassane Quattara über die Größenordnung der vor ihm liegenden Aufgabe der Aussöhnung und des Wiederaufbaus dieser einst stabilen Nation dar.
Der Amnesty International Bericht hebt hervor welch exzessive Gewalt von Gbagbos Lager auf die Anhänger Quattaras während des Marschs, um die Radiostation am 16.12.2010 zu übernehmen, ausgeübt wurde und während dessen mehrere Quattara freundliche Zuschauer getötet wurden. Außerdem wurden Personen mit muslimischen Namen oder muslimischer Kleidung angegriffen und manche davon getötet, verhaftet oder sie verschwanden in der Nachbarschaft.
In den letzten Februartagen begannen Gbagbo-loyale Sicherheitskräfte Mörsergranaten auf dicht bewohnte Gebiete in der Stadt Abobo abzuschießen, die gerade von Gbagbo-feindlichen Kräften übernommen worden war. Durch diesen Angriff wurden rund 20 Menschen getötet und 60 verletzt.
Die Milizen der anderen Seiten initiierten Angriffe auf zivile und militante Gruppen am 11. und 12. Januar 2011, bei denen 6 Polizisten getötet und erhebliche Menschenrechtsverletzungen gegenüber der ethnischen Ebrié-Gruppierung verübt wurden.
Amnesty International sammelte mehr als 100 Aussagen von Menschen, die dem Massaker von Duekoué vom 29. März 2011 entflohen waren. Laut Zeugenaussagen, richteten die FRCI (Quattara nahe Truppen) mit Hilfe von Messern und automatischen Gewehren, Männer aller Altersklassen auf Grund ihrer ethnischen und politischen Zugehörigkeit hin. Andere Opfer verbrannten in ihren Häusern. Die meisten Todesopfer gehörten der ethnischen Gruppe der Guéré an. Die Anwesenheit liberiascher Söldner und Gbagbo nahestehender Miliz führte in diesem Teil des Landes ebenfalls zu schweren Misshandlungen und 47 Toten aus dem Norden, die in Blolequin 80km von Duékoué getötet wurden.
Sexuelle Gewalt
Frauen wurden Opfer von sexuellem Missbrauch. Im Rahmen der Untersuchungen vor Ort wurden Aussagen von Frauen gesammelt, die von Gbagbo Truppen missbraucht wurden, besonders in Abobo. Ein Opfer sagte: „Am 19. Dezember 2010, kamen sie mitten in der Nacht in mein Haus in Abobo, während ich mein Mann und meine Kinder schliefen. Sie klopften an die Holztür, wir öffneten nicht, doch sie verschafften sich gewaltsam Zutritt. Sie waren zu acht, vier zivil gekleidete und vier in Militäruniform und dunklen Helmen. Zwei nahmen meinen Mann mit nach draußen und sechs kamen zu mir. Sie zwangen mich dazu mich auszuziehen und als ich dies nicht tat, fielen sie nacheinander über mich her.“ Einige Frauen berichteten sie seien in Gefangenschaft missbraucht worden.
Im Oppositionslager wurden ähnliche Geschichten aus den westlichen Gebieten des Landes gesammelt. Eine 15-jährige Schülerin erzählt wie sich von einem FAFN Kommandeur (eine bewaffnete Oppositionsgruppe unter Führung von Guillaume Soro) Mitte Januar 2011 missbraucht wurde: „Ich ging zur gegen 16 Uhr nach Hause. Der Kommandeur der „Forces Nouvelle“ zwang mich in sein Auto, fuhr mit mir in den Busch außerhalb des Ortes und missbrauchte mich auf dem Rücksitz seines Autos.“ Andere Aussagen aus dem Bericht bezogen sich auf Missbrauch und sexuelle Gewalt durch FRCI Mitglieder in der Region Duékuoé.
UN Blauhelme reagierten unzureichend
Der Bericht der NGOs ist sehr kritisch in Bezug auf die Rolle der ONUCI, da die Truppen nicht in der Lage waren Zivilisten zu schützen, auch wenn sie verbal und körperlich Ziel von Angriffen von Gbagbo Truppen waren. Amnesty International stellt heraus, dass unzureichende ONUCI Truppenzahlen, insbesondere in Duékoué, der Grund für den fehlenden Schutz von Zivilisten sein könnten.
Die Lage bleibt weiterhin unsicher
Amnesty International glaubt, dass die Situation weiterhin instabil ist. Auch nach der Verhaftung von Laurent Gbagbo, wurden immer noch „Menschenrechtsverletzungen gegen mögliche Anhänger von Lauren Gbagbo in Abidjan und im Westen“ verübt. Verdächtigte oder überführte Anhänger Gbagbos werden stets verfolgt.
Bewaffnete Anhänger Alassane Quattaras, die vorgeben nach Milizen und Anhängern des ehemaligen Präsidenten zu suchen, plünderten mehrere Dörfer und verbreiten Angst unter den Anwohnern. Der Leiter eines Dorfes sagte gegenüber Amnesty International am 9. Mai 2011: „Seit dem 6. Mai sind die FRCI in unzählige Gräueltaten gegen uns verwickelt. Überall sind Tote zu beklagen, und da die Menschen ins Buschland flüchteten, ist niemand vor Ort um die Leichen zu begraben, die am Straßenrand liegen. Schuld an all dem sind die fremden Mächte, die uns unser Land nehmen wollen“.
Man sorgt sich außerdem um das Schicksal von Gbagbos Familie, die während ihrer Haft misshandelt wurden und weiterhin ohne Gerichtsverfahren in Haft sind.
Der Bericht warnt davor, dass „ohne Gerechtigkeit für alle Opfer, unabhängig von deren politischer und ethnischer Zugehörigkeit, können Versuche der Versöhnung nur in einem instabilen und nicht zufriedenstellenden Kompromiss führen, der nur mehr Blutvergießen und Vergeltung hervorrufen würde.“ Der Präsident ist dazu aufgerufen die Täter für die Misshandlungen zu bestrafen und die Menschenrechtsverletzungen unverzüglich zu beenden.
Amnesty International begrüßt Quattaras Anfrage an den Internationalen Strafgerichtshof Untersuchungen aufzunehmen, sowie das Versprechen eine Kommission zur Wahrheitsfindung und Versöhnung zu formen, wenn diese den Kriterien und Standards des internationalen Rechts entspricht.