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Vortrag

Systemträger zwischen Opportunismus und Gewissensbissen - Handlungsspielräume zwischen Macht und Verantwortung

Veranstaltungsreihe in Kooperation mit dem Freistaat Sachsen, der TU Dresden und dem Stadtmuseum Dresden

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Details

Artikel und Bücher sind über die DDR geschrieben worden, einzelne Aspekte des Systems wurden intensiv analysiert und trotzdem hat man das Gefühl, dass sich das Phänomen „DDR“ einer gerechten Wahrnehmung zunehmend entzieht.

Einerseits neigt ein Großteil der ehemaligen DDR-Bürger zur Verklärung der Vergangenheit. Im Verhältnis zur Gegenwart scheint dann die Vergangenheit ein geradezu erstrebenswerter Zustand gewesen zu sein. Andererseits legt die Bewertung und Aufarbeitung der DDR ihren Fokus auf die verdrängten Teile der Diktaturerfahrung. Sie will und soll bewusst machen, wie verbrecherisch geschlossene Systeme werden können, wenn jede Form einer externen Normierung verloren geht. Wenn man als ehemaliger DDR-Bürger ausschließlich mit diesen Fakten konfrontiert und identifiziert wird, fühlt man sich missverstanden.

Beide Haltungen: Relativierung und Dämonisierung, präsentieren die extremen Pole des Umganges mit der DDR-Erfahrung. Sie werden dem damaligen Alltagserleben nicht gerecht. Nicht jeder lebte in ständiger Angst und dem Bewusstsein des totalen Überwachungsstaates. Das DDR-System war ein Ideologieschwellensystem, das besonders aktiv wurde, wenn man sich nicht systemkonform verhielt. Dann offenbarte es allerdings alle Dimensionen

eines totalitären Staates. Die (Lebens)Kunst des Einzelnen bestand darin, minimale Kompromisslinien zu finden und nicht vorauseilenden Gehorsam zu leisten. Deshalb wird es notwendig, Gewissenserforschung zu betreiben und sich zu erinnern, wie die DDR war und wie sie erlebt wurde.

Wir sollten beginnen, uns unsere Biographien zu erzählen!

Günter Schabowski (Jg. 1929) studierte Journalismus in Leipzig. Nach einer in Moskau arbeitete er als Chefredakteur für die Zeitung "Neues Deutschland". 1952 trat Schabowski in die SED ein. Es folgte ein rascher Aufstieg innerhalb der Partei, in der er zahlreiche Funktionen ausübte. Ab 1984 gehörte er dem Politbüro an. Als einziger hoher SED-Funktionär trat Schabowski am 4. November 1989 bei der Protestdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz auf und wurde dort von den Demonstranten ausgepfiffen. Schabowski übernahm die Funktion des Sekretärs des Zentralkommitees der SED für Informationswesen und fungierte damit als eine Art Regierungssprecher. Sein erster öffentlicher Auftritt am 9. November 1989 verlief folgenschwer: Schabowski verlas die Nachricht zu einer neuen Reiseregelung, die kurzfristige Visa für die Ausreise aus der DDR beinhaltete. Auf die Nachfrage von Journalisten ab wann die regelung in Kraft trete, antwortete er: "unverzüglich". Die Öffnung der Grenzen und der Fall der Berliner Mauer war damit nicht mehr aufzuhalten.

Mit Übergang von SED zu PDS wurde Schabowski aus der Partei ausgeschlossen. Er arbeitete nach der friedlichen Revolution unter anderem als Redakteur bei einer hessischen Wochenzeitung. Im sogenannten "Mauerschützen-Prozess" wurde Schabowski zusammen mit anderen hochrangigen Parteifunktionären für den Tod von DDR-Flüchtlingen zur Verantwortung gezogen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Schabowski erkannte als einziger der Angeklagten seine moralische Schuld zu den Todesschüssen an.

Alexander von Plato (Jg. 1942) ist Gründer und Leiter des Instituts für Geschichte und Biografie der Fernuniversität Hagen. Zudem ist er Mitherausgeber und Redakteur der "Zeitschrift für Biografieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen BIOS". In jüngerer Zeit publizierte von Plato über die Wiedervereinigung Deutschlands im Kontext des damaligen weltpolitischen Klimas. Den Hauptschwerpunkt seiner Arbeit bilden Interviews mit Zeitzeugen und Betroffenen.

Die Ringvorlesung findet zunächst bis zum 3. Februar 2009 immer Dienstag um 20.00 Uhr im Festsaal des Stadtmuseums Dresden statt. Auf Wunsch senden wir Ihnen gern den Flyer zur Reihe mit allen Terminen und Themen in der Übersicht zu.

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Veranstaltungsort

Stadtmuseum Dresden, Wilsdruffer Straße 2, 01067 Dresden, Eingang: Landhausstraße

Referenten

  • Günter Schabowski
    • Berlin
  • ehem. Mitglied des ZK der SED der DDRPD Dr. Alexander von Plato
    • Lüdenscheid
  • Historiker

    Publikation

    „Der Mechanismus der Selbsttäuschung funktionierte störungsfrei“: Wie schmeckte die DDR?
    Jetzt lesen
    Kontakt

    Dr. Joachim Klose

    Dr. Joachim Klose

    Landesbeauftragter für die Bundeshauptstadt Berlin, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Leiter Grundlagenforum

    joachim.klose@kas.de 030/26996-3253 030/26996-53253
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    Partner

    Stadtmuseum Dresden
    Freistaat Sachsen
    Technische Universität Dresden