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Veranstaltungsberichte

„Älter, bunter, aber nicht weniger!“

von Jonas Lietz

Demographie mit Strategie: Hessen und Sachsen im Vergleich

Auftaktveranstaltung der neuen Vortragsreihe "Demographie im Blickpunkt: Regional den Wandel gestalten"

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Die kleine Kommune Erlbach im Vogtland hatte Glück, denn die Einwohner dieses Ortes konnten ihre Ideen zum Erfolg bringen. Ein Bürgerbus mit nur achtzehn Sitzplätzen wurde eingeführt. Außerdem wird die bisher leerstehende Landarztpraxis nun dreimal in der Woche von Ärzten betreut, die abwechselnd von außerhalb kommen. Möglich wurden diese Veränderungen durch die Demographie-Partnerschaft zwischen Sachsen und Hessen, die seit 2007 beide Bundesländer verbindet. Gemeinsam sollen Wege im Umgang mit dem demografischen Wandel gefunden und Erfahrungen ausgetauscht werden. Der damalige Sächsische Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt und Hessens Ministerpräsident Roland Koch vereinbarten eine Zusammenarbeit – vor allem in der Familien-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik. Dafür wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, die vielfältige und zukunftsorientierte Aktionen in Kraft setzen – wie eben in Erlbach/Vogtland oder der hessischen Kommune Battenberg. Bürger erarbeiteten in diesem Modellprojekten gemeinsam Gutachten und Strategien zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum.

Mit der Auftaktveranstaltung am 20. Januar 2010 wurde die neue Reihe „Demographie im Blickpunkt: Regional den Wandel gestalten“ feierlich eröffnet. Die kommenden Vorträge werden zeitversetzt in Dresden, Chemnitz und Leipzig angeboten und beleuchten ortspezifisch Probleme, Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten. In Kooperation mit der Sächsischen Staatskanzlei, dem Sächsischen Staatsministerium des Innern und dem Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen, möchte die Konrad-Adenauer-Stiftung auf die demographischen Entwicklungsprozesse aufmerksam machen und die Frage stellen, wie sich die Zukunft unter diesen Umständen gestalten lässt.

Zur Eröffnung waren die Chefs der Staatskanzleien Sachsens und Hessens zu Gast. Dr. Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, betonte in Hinblick auf das Modellprojekt in Erlbach/Vogtland: „Ein generationsübergreifendes Miteinander muss herausgekitzelt werden. Wir müssen die Ansätze aus den Kommunen unterstützen und bündeln – jedes noch so kleine Pflänzchen.“ Er benannte die konkreten Probleme, die mit dem demographischen Wandel auf den Freistaat zukommen bzw. schon angekommen sind. Jeder fehlende Einwohner bedeutet 2600 Euro weniger im sächsischen Haushalt. Bis 2020 werden so 650 Millionen Euro fehlen. Die Regierung hat sich daher die Tilgung der Schulden als striktes Gebot gesetzt. „Die Pro-Kopf-Verschuldung soll wenigstens stabil gehalten werden“, so Dr. Beermann. Ein grundlegendes Umdenken sei notwendig: Arbeitsplätze müssten genauso altersgerecht angepasst werden wie Personenkraftfahrzeuge. Durch die Zusammenlegung der Landkreise müssten auch die Verwaltungen anders strukturiert werden. Man solle dabei aber flexibel sein. Es sei ein anderes Vorgehen in Dresden, Leipzig und Chemnitz notwendig, als beispielsweise in Görlitz oder Weißwasser. Trotz der schlechten Prognosen könne man optimistisch in die Zukunft schauen. Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem die Geburtenrate steigt. Ein „weiterer Schlüssel, der helfen wird“ sei die Veränderungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit der Sachsen. Nach der Friedlichen Revolution haben die Menschen mit ihrer Mentalität „die Veränderungen zu einem neuen System selbst gemanagt“.

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Von links: Dr. Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Dr. Joachim Klose und Stefan Grüttner, Chef der Hessischen Staatskanzlei.

Hessen sei bisher schwächer von der demographischen Entwicklung betroffen als Sachsen. Abwanderung und Geburtenrückgang konnte durch Zuwanderung teilweise ausgeglichen werden. „Ein spürbarer Rückgang der Bevölkerung wird nach den Prognosen für Hessen erst ab dem Jahr 2020 erwartet“, erklärte Stefan Grüttner, Chef der Hessischen Staatskanzlei. „Wenn wir auf Sachsen schauen, müssen wir uns bewusst werden, vor welcher Problematik wir stehen. Es muss alles getan werden, damit die Prognosen keine Realität werden. Älter, bunter, aber nicht weniger!“ In dem westdeutschen Bundesland gibt es ähnliche, aber auch ganz andere Herausforderungen. Stefan Grüttner verwies auf die Konzentration in den Ballungszentren, wie Frankfurt, Wiesbaden und Rhein-Main-Gebiet, und den Bevölkerungsrückgang im Norden des Bundeslandes. Außerdem seien die Migration und Integration ein wesentlicher Bestandteil der hessischen Politik.

In bestimmten Kommunen werden 50 Prozent der Einwohner bald für 100 Prozent der Kosten aufkommen müssen. Das sei eine der Erklärungen für die steigenden Abwasserkosten. Hessen setze gezielt auf drei Felder in der Politik: Familienfreundlichkeit, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung. Bessere Infrastruktur muss geschaffen werden, damit der Norden für Industrielle interessant werde. „Das ‚Ja’ zum Kind muss einfacher fallen. Kinder sollen als Glück, als Bereicherung empfunden werden, nicht als Belastung.“ Dafür sei aber auch mehr Toleranz in der Bevölkerung notwendig. Es müsse mehr Raum für Weiterbildung im Alltag, flexiblere Arbeitsleistungsmodelle und eine massive Beteiligung der Bürger geschaffen werden. Finanzströme sollten anders verteilt werden.

Als sichtbares Zeichen für die Demographie-Partnerschaft lud Stefan Grüttner die Demographie-Arbeitsgruppe der sächsischen Staatskanzlei nach Hessen ein.

Und Erlbach? Man darf gespannt sein, welche Entwicklungen von den Bürgern weiterhin angekurbelt werden. „Jeder kann seinen Beitrag leisten“, so betonten die Staatsminister abschließend. Dieser Appell sollte nicht nur Erlbacher und Battenberger ermuntern sich aktiv am Denkprozess für die Zukunft zu beteiligen.

Die kommenden Termine der Vortragsreihe „Demographie im Blickpunkt: Regional den Wandel gestalten“ entnehmen Sie bitte unserem Veranstaltungskalender.

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