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In der sich neu entwickelnden gesamtdeutschen Parteienlandschaft erschien ihm die Idee einer ostdeutschen Oppositionspartei als „Unfug“, so Vaatz. So entschied er sich, Mitglied der CDU zu werden. Aber auch dies verlief nicht ohne Komplikationen. Ein Schock sei die Aufnahme der Ost-CDU in die gesamtdeutsche CDU für ihn zunächst gewesen. „Zuerst drängten wir darauf, dass sich unsere neue Partei von jenem Personal trennte, das in der CDU die Kaderpolitik der SED durchgesetzt und die systematische Zerstörung und Gleichschaltung dieser Partei vorangetrieben hatte. Diese oft erbitterte Auseinandersetzung währte etwa ein bis zwei Jahre, war aber in Sachsen im Wesentlichen erfolgreich“, erinnerte sich Vaatz.
Die Umstellung auf das Leben im wiedervereinigten Deutschland bezeichnete er als „sehr hart für alle“. Für die aufkommende Verklärung der DDR hat er dennoch kein Verständnis: „In allen ehemaligen sozialistischen Bruderstaaten hatten und haben es die Menschen ungleich schwerer als wir. Das wird systematisch ausgeblendet.“ Die durchschnittliche Lebenserwartung in Ostdeutschland sei um vier bis fünf Jahre gestiegen. Aber auch diese Tatsache hindere viele nicht daran, die Lebensumstände in der DDR zu loben. „Wer die Lektionen der Geschichte nicht lernen will, wird sie eines Tages wiederholen müssen“, mahnte Vaatz.
Werner Schulz erinnerte in seinem Rückblick an die protestantische Prägung der DDR-Opposition: „Daraus ergaben sich zwei Merkmale – keine Gewalt und der klare Ruf nach direkter Demokratie.“ Im Herbst 1989 sieht er daher nicht nur ein‚Wende’, sondern eine europäische Freiheitsrevolution. „Und das in einem Land in dem bis dahin alle Revolutionen mehr oder weniger in die Hose gingen“, so Schulz. Wie auch sein Vorredner sah er die Zersplitterung der DDR-Opposition nach dieser Revolution in ihren unterschiedlichen Vorstellungen für Ost-Deutschland begründet.
Vor allem die Nationale Frage habe schwerste Kontroversen innerhalb der Opposition ausgelöst. Während sich einige Oppositionelle der Position der westdeutschen Parteien anschlossen, die Wiedervereinigung verfassungsrechtlich über den Artikel 23 des Grundgesetzes zu regeln, habe das Gros der ehemaligen Opposition den Weg über Artikel 146 des Grundgesetzes bevorzugt: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Schulz bezeichnete es als „vertane Chance“, dass dieser Weg nicht gewählt wurde. Dennoch zweifle er nicht grundlegende Verständigung an, die auch heute noch unter DDR-Oppositionellen herrsche: „Wer die Demokratie unter den riskanten Umständen der Selbstbefreiung erringen musste, weiß um ihren Wert.“
Tipp: Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird Ende des Jahres 2008 mit einer Online-Wissensplattform unter www.DDR-Mythen.de auf die beschriebene Problematik reagieren.
In dieser Reihe sind bisher erschienen:
- Tillich warnt vor Verharmlosung der DDR-Diktatur (29.September 2008)
- Warum wir sind, wie wir sind? Zur kulturellen Prägung durch den Sozialraum DDR (9.Oktober 2008)
- Utopisten, Händler und Moralisten (21.Oktober 2008)
- Machtsichernde Mythen (29.Oktober 2008)
- Staatsgelenkte Wirtschaft ist ein Irrweg (7.November 2008)
- Das ganze Leben nicht mehr frei sein (12.November 2008)
- Ostalgie und Glorifizierung – Unkenntnis der Nachgeborenen (19.November 2008)