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Veranstaltungsberichte

Ausbildung oder Zuwanderung?

Entwicklungszusammenarbeit im Spannungsfeld der demographischen Entwicklung

Der zweite Abend der Vortragsreihe „Globale Welt – Globale Aufgaben“ untersuchte das Spannungsfeld zwischen Entwicklungspolitik, Ausbildung von ZuwanderInnen und der demographischen Entwicklung.

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Martin Strunden, der für Ausländerangelegenheiten im Sächsischen Staatsministerium des Innern verantwortlich ist, forderte neue inhaltliche Ansätze der sächsischen Zuwanderungspolitik. Die öffentliche Meinung über Migrantinnen und Migranten sei immer noch vom Bild der Asylbewerber geprägt. Dabei stellten nur 6% der Zuwandernden einen Asylantrag – die übergroße Mehrheit komme wegen eines Studiums oder der Arbeit nach Sachsen. Da Sachsen einerseits zwar ein stabiles Wirtschaftswachstum vorweisen könne, andererseits aber die Zahl der Arbeitstätigkeiten schrumpfe, sei die Zuwanderung und Ausbildung ausländischer Fachkräfte eine Möglichkeit, den stärker werdenden Mangel an Personal auszugleichen. Die 2011 gefallenen Beschränkungen für Arbeitnehmer aus den östlichen EU-Staaten hätten aber keine Zuzugswelle nach Sachsen ausgelöst.

Deutschland insgesamt weise ein negatives Wanderungssaldo auf. Besondere „Talentmagnete“ seien aber weiterhin die Universitäten.

Sachsen besitze in dieser Hinsicht großes Potential und ziehe überdurchschnittlich viele Studierende aus dem Ausland an. Mehr als 10% der Studentinnen und Studenten könnten es sich, einer Umfrage zu Folge, vorstellen, auch nach dem Studium in Sachsen zu bleiben. Die Ausbildung ausländischer Fachkräfte sollte nicht gegen andere Formen der Entwicklungszusammenarbeit ausgespielt werden: Durch eine erhöhte Flexibilität könnten beide voneinander profitieren

Albrecht Engelmann, Referent für Migration der Diakonie Sachsen, bezeichnete Armut als die größte Plage der Menschheit. Nachhaltige Hilfe sei deswegen nötig. Er bemängelte, dass insbesondere die Bundesregierung den Fokus der Entwicklungszusammenarbeit auf die Wirtschaftsförderung lege. Er selbst betrachte Entwicklungspolitik aus unterschiedlichen Perspektiven, die z.B. auch die Auslandsschulden der Entwicklungsländer, den Migrationsdruck Niedrigqualifizierter oder den „brain drain“ hin zu hochentwickelten Ländern wie den USA umfasse.

Bildung, schlug Engelmann vor, müsse in erster Linie vor Ort organisiert werden. Ansonsten blieben die Wanderungsströme hochgebildeter Menschen aus ihren Heimatländern in den Westen bestehen. Entwicklungspolitik dürfe nicht durch eine „europäische Brille“ gesehen werden: Gerade in Deutschland könne durch breitere Bildung in entwicklungspolitischen Belangen die Eigeninitiative der Menschen unterstützt werden. Entwicklungszusammenarbeit und Zuwanderungspolitik sollten enger verzahnt werden. Zeitgleich sei es dringend nötig, eine offene „Willkommenskultur“ sowohl gegenüber Zugewanderten als auch wieder mehr Kindern in Deutschland zu etablieren. Eine intelligente Integrationspolitik umfasse nicht nur Neu-Zugezogene, sondern auch Menschen, die selbst nach langer Aufenthaltsdauer in Deutschland noch als „Ausländer“ wahrgenommen würden.

Antje Schöne, Geschäftsführerin der Global Experts and Training Services (GETS) in Leipzig, warb für eine differenzierte Perspektive auf die Zuwanderung nach Sachsen. In der Wahrnehmung der breiten Bevölkerung stünden gering qualifizierte Migrantinnen und Migranten zu Unrecht im Fokus. Dabei sei die Frage. Ob Zuwanderung nicht für alle Seiten einen Gewinn darstellen könnte. GETS untersuche zielgerichtet die Situation ausländischer Studierender in Sachsen. Jeder 8. Studierende komme aus dem Ausland, was deutlich über dem allgemeinen Ausländeranteil in Sachsen (2%) liege. Neben den traditionellen Beziehungen zwischen Sachsen und den Herkunftsländern ließen sich die Gründe für das Studium in Sachsen vor allem am guten Ruf der Universitäten und den damit verbesserten Berufschancen ausländischer Absolventen finden. Neben der Fach- und Sprachqualifikation profitierten die Studierenden auch von der einjährigen Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche nach Beendigung des Studiums.

Problematisch für ausländische Studentinnen und Studenten seien vor allem die unübersichtlichen rechtlichen Bestimmungen und die fehlende Kenntnis des deutschen Arbeitsmarkts und seiner Anforderungen. Die deutschen Arbeitgeber ihrerseits hätten häufig zu wenig Kenntnis über die potentielle „Zielgruppe“ der ausländischen Absolventen.

Zuwanderung, so Schöne, böte also – wenn richtig genutzt – eine „Win-Win-Win-Situation“: Deutschland und Sachsen könnten ihren Fachkräftebedarf besser decken; ausländische Studierende könnten Qualifikationen und Auslandserfahrung sammeln; bei Rückkehr der AbsolventInnen profitiere die Wirtschaft des Heimatlandes von den Arbeitskräften „trained in Germany“.

Zarina Sadyrbek kommt aus Kirgistan und studiert seit 2005 Deutsch als Fremdsprache und Ostslavistik an der Universität Leipzig. Sie beschrieb die Jahre, die sie bisher in Deutschland lebt, als „flexiblen Integrationsprozess“, der nicht nur den Erwerb von Sprachkenntnissen umfasst habe, sondern besonders von der sozialen Integration geprägt sei. Neue Freunde zu finden oder verstärkt kritisches Denken zu lernen habe sie deutlich verändert. In ihrer Heimat werde sie häufig als „Du bist so deutsch geworden“ charakterisiert.

Das sich abzeichnende Studienende bedeute auch ein Dilemma, da sie vor der Entscheidung stehe, zurück nach Kirgistan zu gehen oder in Deutschland zu bleiben. Zwar habe sie in Kirgistan nun gute Aussichten auf eine Anstellung, aber ihr dichtes soziales Netzwerk in Sachsen mache es auch wahrscheinlich hier zu bleiben. Die Entscheidung ausländischer Absolventinnen und Absolventen über das weitere Verbleiben in Sachsen sei ihrer Meinung nach ein komplexer und individueller Prozess, der von vielen Faktoren abhänge.

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