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Veranstaltungsberichte

Das ganze Leben nicht mehr frei sein

Ringvorlesung: Wie schmeckte die DDR?

Die Diktatur in der DDR ließ den Bürgern wenig Platz für freie Entscheidungen. Als Gastdozent in der Ringvorlesung „Wie schmeckte die DDR?“ zeigte der Regisseur und Publizist Konrad Weiß auf, dass nicht nur die Wirtschaft von der Regierung bestimmt wurde, sondern ganze Lebensläufe.

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Ursächlich für alle Geschehnisse in der DDR sieht er die Sozialistische Einheitspartei SED: „Sie war verantwortlich für die Deformation und Entmündigung vieler DDR-Bürger, für zerstörte Biografien, gescheiterte Lebensentwürfe, zerbrochene Familien, für die Depression und Resignation eines ganzen Volkes.“ In der DDR sei es nicht das Volk gewesen, sondern die SED, von der alle Macht ausgegangen war. Ihre Handlanger habe man in unterschiedlichsten Organisationen formiert gefunden: in der Regierung selbst, der Volkskammer, der Volksarmee, aber auch der Polizei.

Die Einmischung in das Privatleben fing jedoch nicht erst im Erwachsenenalter an, erzählt Weiß, der selbst in der DDR gelebt hat: „Das Ziel der Kommunisten war, Kinder und Jugendliche so einzubinden, dass sie ihr ganzes Leben nicht mehr frei sein würden.“ Die Mitgliedschaft in formell unabhängigen Organisationen wie die Freie Deutsche Jugend (FDJ) sei dabei ebenso wenig freiwillig gewesen, wie beispielsweise die Teilnahme an Veranstaltungen wie der Jugendweihe, die laut Weiß exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Unfreiheit war. „Offiziell war die Jugendweihe zwar freiwillig, häufig jedoch wurden Kinder von fanatischen Lehrern unter erheblichen Druck gesetzt oder zur Teilnahme gezwungen, indem ihnen angedroht wurde, dass sie nicht zur Oberschule zugelassen würden oder keinen Ausbildungsplatz erhielten“, berichtet Weiß. Teilweise seien die Lehrer selbst dazu gedrängt worden, unter der Androhung von beruflichen Nachteilen oder einer Entlassung.

Auszug einer Jugendweiheurkunde

Ebenso Bestandteil der Erziehung in öffentlichen Institutionen der DDR war sowohl der Wehrunterricht im Klassenverband ab Ende der Siebziger, als auch die Ausbildung für junge Männer in „Wehrlagern an der Waffe“ und die Zivildienstausbildung mit Schießübungen für junge Frauen. Für die jungen Männer war mit der Verpflichtung für die Volksarmee laut Weiß einiges verbunden: „In vielen Fällen war das Voraussetzung, überhaupt zur Oberschule zugelassen zu werden und das Abitur machen zu können.“ Wer den Wehrdienst ganz verweigerte, sei ins Gefängnis gekommen.

Auch die Religion genoss in dem Regime keine Freiheiten. Die Parole unter der SED: „Christen sind reaktionär, die Religion muss ausgerottet werden“. Dementsprechend wurden gläubige Kinder bereits „im Unterricht verspottet und mit dem Liebesentzug der Lehrerin bestraft“, sagte Konrad Weiß, der selbst Katholik ist. Als einzig freie Entscheidung in der geschilderten Unfreiheit nannte Konrad Weiß in seinem Vortrag nur eines: „Mensch zu sein und Mensch zu bleiben.“

Den Vortrag von Konrad Weiß zum Nachlesen finden Sie zu Beginn des Textes als pdf-Download.

Tipp: Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird Ende des Jahres 2008 mit einer Online-Wissensplattform unter www.DDR-Mythen.de auf die beschriebene Problematik reagieren.

In dieser Reihe sind bisher erschienen:

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