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Veranstaltungsberichte

Islam heute - Chancen und Herausforderung für Europa

Veranstaltungsrückblick

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Die Veranstaltungsreihe „Islam heute – Chance und Herausforderung für Europa“ teilte sich in drei Vorträge auf. Diese wurden jeweils in Chemnitz und in Leipzig gehalten.

Kampf der Rechtskulturen? Das islamische Recht in Europa

12. und 13. September 2012

Ein interessanter Einstieg in die Thematik gelang Frau Dr. Tina Roeder von der juristischen Fakultät der TU Dresden. Sie eröffnete ihren Vortrag mit Zeitungsausschnitten zum Thema Islam und islamisches Recht aus den letzten Jahren. Schnell wurde deutlich, dass wir nicht allzu viel über das islamische Recht wissen. Zu Beginn sprach Frau Dr. Roeder über die islamische Rechtskultur. Sie betonte besonders, dass die Scharia nicht mit dem islamischen Recht gleichzusetzen ist. Es handelt sich vielmehr um eine Quelle der islamischen Rechtswissenschaften. Die unmittelbaren Rechtsvorschriften, welche absolute Pflichten und absolute Verbote beschreiben, werden als Figh bezeichnet. Weitere Rechtsquellen sind der Koran und die Sunna. Die Sunna ist eine Sammlung mündlicher Berichte des Propheten Mohammed, deren Hadithen (Berichte, Erzählungen) heute jedoch stark umstritten sind.

Hinzu kommt, dass im Koran vieles nur sinnbildlich formuliert wird und unter-schiedlich interpretiert werden kann. Hierbei spielen auch die verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Zudem verdeutlichte Frau Dr. Roeder, dass in verschiedenen Regionen das islamische Recht unterschiedlich ausgelegt werden kann.

Im Anschluss beleuchtete sie die Bedeutung des islamischen Rechts in Deutschland hat. In einer sehr strengen Auslegung islamischer Traditionen versuchen vor allem die Muslime Halt zu finden, die sich nicht integriert und dadurch in gewisser Weise heimatlos fühlen. Nur ein äußerst geringer Teil der in Deutschland lebenden Muslime kann dem Spektrum des religiösen Fundamentalismus zugeordnet werden. Das islamische Recht gerät immer wie-der auch in Konflikt mit dem deutschen Recht. Beide kollidieren beispielsweise schon in Artikel 3 des Grundgesetzes, welcher die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Mann und Frau festschreibt. Hierbei ist problematisch, dass es keine institutionalisierte Persönlichkeit (wie beispielsweise im Christentum der Papst) gibt, die über aktuelle Probleme entscheiden könnte. Im Anschluss des Vortrages wurde der große Diskussions- und Aufklärungsbedarf des Publikums deutlich. Die Diskussion zeigte, wie scheinbar fremd die muslimische Kultur noch für uns ist und wie stark die Meinungen durch Medien beeinflusst werden.

Frauen im Islam – zwischen Tradition und Selbstverwirklichung?

19. und 20. September 2012

Eine Woche später folgte die zweite Veranstaltung der Reihe. Frau Hanim Ezder, Leiterin des Muslimischen Familienbildungswerkes Köln und selbst Muslimin, brachte den Zuschauern das Thema aus ganz persönlicher Perspektive näher. Zu Beginn ihres Vortrages unterstrich die Referentin, dass Vorurteile gegenüber unseren muslimischen Nachbarn immer noch weit verbreitet sind. Da viele Deutsche relativ wenig Kontakt zu Muslimen haben, werden deren Bilder besonders durch die Medien geprägt. Dass die Medien meist nur die extremen Beispiele propagieren, wird häufig zu wenig hinterfragt. So assoziieren viele Deutsche mit dem Islam Kopftuch, Unterdrückung der Frau, Gewalt in der Familie oder Zwangshochzeiten. Aber auch Muslime haben diese Art von „Schablonen“ im Kopf, die über eine einseitige Berichterstattung der Medien entstehen können. So könnten viele Muslime den Eindruck gewinnen, dass es durchaus normal ist, wenn Mädchen bereits mit 14 schwanger werden und „Komasaufen“ zur Pubertät gehört.

Ein zentrales Thema war zudem die Kopftuchdebatte. Frau Ezder berichtete beispielsweise von einer Benachteiligung muslimischer Frauen bei der Ar-beitsplatzvergabe.

Letztendlich gelang es Frau Ezder, die „fremdartige muslimische Frau“ zu entmystifizieren. Durch ihre sehr persönliche Vortragsweise konnte die Re-ferentin anschaulich vermitteln, dass das Kopftuch nicht nur als Symbol der Unterdrückung der Frau, sondern auch als Ausdruck einer emanzipiert Persönlichkeit verstanden werden sollte.

Der Islam und der liberale Staat – ein Widerspruch?

26. und 27. September 2012

Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe sprach Frau Dr. Lale Akgün, bekannt durch zahlreiche Sachbücher wie „Aufstand der Kopftuchmädchen“, über den Islam in Deutschland.

Frau Dr. Akgün verdeutlichte, dass der Islam oft als nicht zeitgemäße Religion empfunden wird. Deshalb stehen viele Deutsche dem Islam und den über vier Millionen in Deutschland lebenden Muslimen skeptisch gegenüber. Wie bereits in den vorherigen Vorträgen, wurde auch hier wieder ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur 10 bis 15 Prozent der Muslime eine streng konservative Auslegung der islamischen Kultur vertreten. Gerade diese versuchen aber, durch Provokationen auf sich aufmerksam zu machen und nutzen dafür auch gezielt die Medien. Sie beeinflussen deshalb negativ unsere Bilder von Muslimen und vom Islam. Aus diesem Grund ist es laut Frau Dr. Akgün besonders wichtig, dass sich verstärkt liberale Muslime in unserer Gesellschaft organisieren.

Frau Dr. Akgün lieferte einen aufschlussreichen Vortrag, welcher einen passenden Abschluss der Veranstaltungsreihe bot.

Durch die interessanten Vorträge gelang es den Referentinnen, den Zuschauern einen vielschichtigen Einblick in den Islam zu geben. Vor allem die ganz persönlichen Erfahrungen und Perspektiven der Referentinnen trugen zu einem besseren Verständnis der islamischen Religion und Kultur bei.

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