Macht der Westlichkeit - Politisches Bildungsforum Sachsen
Veranstaltungsberichte
Denken wir noch in einer Welt? Oder richtet
sich unser Weltbild nur nach ökonomischen
Kriterien? Mit kontroversen Fragen eröffnete
Joachim Klose die Vortragsreihe „Globale
Welt, globale Aufgaben. Herausforderungen
der Entwicklungspolitik“.
Dass Entwicklungspolitik immer auch mit einem
Wertesystem verknüpft ist, betonte
Udo Steinbach in seinem Auftaktvortrag.
Mehr als 30 Jahre war Steinbach Direktor
des Deutschen Orient-Instituts. In dieser
Zeit beobachtete er intensiv das deutsche
und europäische politische Engagement in
der arabischen Welt. Zwei Werte, zwei
Handlungsmotivationen hätten sich dabei
als theoretische Grundlage herausgebildet:
Würde und Gerechtigkeit.
Allerdings, so Steinbach, mussten sich diese
Zielvorstellungen für die gesellschaftliche
Gestaltung im arabischen Raum den Interessen
der europäischen Politik unterordnen.
„Die Potentaten der arabischen Welt waren
unsere Partner – ausnahmslos.“ Die konsequente
Förderung der Menschenrechte wurde
„eingehegt“; um der Stabilität willen akzeptierte
Europa systematische Verstöße
gegen die grundlegenden Werte.
„Die Macht der Westlichkeit und ihr Export
ist ein schräges Licht geraten“, konstatierte
Steinbach. Der so genannte Krieg gegen
den Terrorismus sei die „spektakulärste
Agenda“ der westlichen Nationen gewesen –
die Antwort auf 9/11 aber nur auf militärischer
Ebene zu geben, bleibe unzureichend.
Ähnlich militärzentrierte Konfliktregulierungen
ließen sich im Nahen Osten oder dem
Sturz des Regimes von Saddam Hussein beobachten.
Steinbach hätte sich eine „Allianz“
des Westens mit reformwilligen Muslimen
und Muslima gewünscht. Diese Kooperation
hätte zum einen die Rolle der Menschenrechte
gegenüber den zahlreichen Potentaten
gestärkt und zum anderen umfangreiche
Ressourcen in gesellschaftliche
Transformationsprozesse fließen lassen.
Westliche Werte werden unglaubwürdig
Der „Export der Westlichkeit“ verbinde sich
nun in den Köpfen weiter Teile der Welt mit
Gewalt und Unglaubwürdigkeit. Für Freiheit
und Würde gingen heute während der Arabischen
Revolutionen genau die Menschen
auf die Straße, denen der Westen diese
Werte jahrelang vorenthalten hätte. Entgegen
den Deutungsversuchen europäischer
Politiker habe der Westen an den Umsturzbewegungen
keinen entscheidenden Anteil
gehabt.
Die arabischen Gesellschaften hätten in den
letzten Jahrzehnten wiederkehrend für Umbrüche
und Revolutionen der vorherrschenden
Staatsapparate gesorgt. In der Wahrnehmung
des Westens habe sich trotzdem
ein einheitlicher „homo arabicus“ herausgebildet,
der staatliche Unterdrückung ergeben
hinnimmt. Der aktuelle arabische Frühling
zeige aber den Gestaltungsanspruch der
arabischen Zivilgesellschaft. Steinbach
mahnte Geduld für die politischen Veränderungen
im arabischen Raum an: Mindestens
10-15 Jahre würden für die Transformation
voraussichtlich benötigt.
Umso mehr müssten die Menschen der
westlichen Welt neue Kommunikationsformen
mit dem arabischen Raum pflegen:
Eine genuin arabische Gestaltung der Demokratie
müsse der Bevölkerung zugestattet
werden. Ein „Werteexport“ dürfe nicht
aus der Position der Dominanz geschehen,
viel mehr regte Steinbach einen Dialog auf
Augenhöhe an. Die Verwirklichung der Menschenrechte
könne nur dann gelingen, wenn
der Westen einen kritischen Blick auf sich
selbst werfe.
Privates Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit
Im Anschluss an die Diskussion mit dem Publikum
stellte sich die Initiative promovio
e.V. vor, die sich für die Rechte der indigenen
Bevölkerung in Mexiko einsetzt. Ein Informationsstand
diente als Anlaufstelle für
weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten.
Die Veranstaltungsreihe findet noch bis zum 6. Dezember 2011 jeden Dienstag, 20 Uhr, im Stadtmuseum Dresden statt. An den einzelnen Abenden stellen sich verschiedene sächsische Initiativen in der Entwicklungszusammenarbeit vor.