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Veranstaltungsberichte

PEGIDA ausbuchstabieren: Patriotische Europäer?

Zusammenfassung des ersten Abends der Themenreihe

Seit mehreren Monaten demonstrieren jeden Montag in Dresden und anderen deutschen Städten Menschen unter dem Namen PEGIDA. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sprechen sich u.a. für eine strengere Auslegung des Asylrechts aus und fordern eine „Pflicht zur Integration“ für Menschen ausländischer Herkunft. Eine sachliche Diskussion zwischen PEGIDA-Befürwortern und -Gegnern blieb bislang oft auf der Strecke.

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Das Bildungsforum Sachsen der Konrad-Adenauer-Stiftung lädt daher am 13., 14. und 15. Januar 2015 die interessierte Öffentlichkeit in die Dreikönigskirche Dresden ein, die aufgeworfenen Themen zu diskutieren.

Unter dem Titel „PEGIDA ausbuchstabieren“ analysieren die Referenten und das Publikum die Hintergründe der Schlagworte, hinter die sich die Demonstranten stellen: PE – Patriotische Europäer? GI – Gegen Islamisierung? DA – Des Abendlandes?

Der erste Abend der Reihe am 13. Januar 2015 beleuchtet die Begriffe Patriotismus und Europa. Joachim Klose, Leiter des Bildungsforums unterstreicht in der Eröffnung das Motto der Themenreihe: Menschen müssen sich mit den verwendeten Begriffen auseinandersetzen, weil sie Wahrheiten suggerierten und die politische Wahrnehmung prägten.

Was ist Europa?

Werner Patzelt vom Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden macht in seinem Vortrag deutlich, wie schwierig es allein ist, den Begriff Europa zu definieren.

Geographisch lässt sich Europa nur schwer abgrenzen. Sind Weißrussland, Russland oder die Türkei Teil Europas? Die Bevölkerung Europas durchmische sich schon seit Jahrhunderten mit Menschen aus anderen Erdteilen. Politisch lasse sich Europa wohl am besten unter dem Schlagwort der freiheitlich-demokratischen Grundordnungen und pluralistischen Gesellschaften vereinen.

Der größte gemeinsame Nenner, so Patzelt, liege aber in einer europäischen Kultur: „Europa ist ein Gebäude mit komplexer Baugeschichte und versunkenen Fundamenten – mit Anbauten, die später zum Haupthaus geworden sind.“ Hinter diesem Bild verbergen sich die Einflüsse der griechischen Philosophie, des römischen Staatsdenkens, der Einfluss der christlichen Kirche, aber auch das frühere Vorbild des „fruchtbaren Halbmonds“ zwischen Ägypten und dem Vorderen Orient. Nicht zuletzt sei Europa auch ein Produkt der Einwanderung „barbarischer Germanen“ in die Hochkulturen der Antike.

Wer heute von Europa spreche, müsse sich dieser historischen Ursprünge bewusst sein. Europa habe sich erst nach Jahrhunderten zu dem entwickelt, was es heute ist: Gesellschaften, die auf freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnungen fußen und sich auf eine gemeinsame Geschichte und Kultur berufen.

Was heißt Patriotismus?

In einem zweiten Schritt nähert sich Patzelt dem Begriff des Patriotismus.

Dort, wo sich Menschen verantwortlich fühlen, wo sie etwas konservieren und hegen; dort, wo Menschen etwas Wertvolles entdeckt haben, das sie gern weitergeben möchten, könne von Patriotismus die Rede sein. Zu Patriotismus gehöre auch der Stolz, einer Gruppe anzugehören, die etwas geleistet habe, und der Wille, sich mit diesen Errungenschaften auch in anderen Gruppen einzubringen.

Patriotismus sei also kein Ausgrenzungsprinzip, sondern ein Integrationsprinzip. Allzuoft werde heute aber Patriotismus gegen Integration ausgespielt. Dabei gelte, so Patzelt: „Patriotismus meint, das Eigene zu lieben und das das Andere nicht abzuwerten.“

Patzelt sieht daher auch kein Problem darin, Patriotismus auf mehreren Ebenen zu leben. Genauso wie Menschen in Sachsen sich als Dresdner, Chemnitzer oder Leipziger Patrioten fühlen, könnte auch die europäische Bevölkerung patriotisch zugleich gegenüber Europa und ihren jeweiligen Heimatländern eingestellt sein. Erst wenn Patriotismus missverstanden werde als ein Prinzip zur Abschottung, könnten sich Parallelgesellschaften etablieren.

Wie gehen wir mit Einwanderung um?

Ausgehend von den Definitionen der Begriffe Europa und Patriotismus zeichneten sich laut Patzelt drei Möglichkeiten ab, mit Einwanderung heute umzugehen:

Erstens, die Gesellschaft könnte versuchen, Einwanderung abzuwehren und zu unterbinden. Zweitens, die Auseinandersetzungen und Polarisierungen zwischen den Bevölkerungsgruppen könnten geschürt werden. Und drittens, die europäischen Gesellschaften könnten die vorherrschende Kultur aufrechterhalten und gleichzeitig durch neue Einflüsse weiterentwickeln.

Damit eine Weiterentwicklung der europäischen Kultur funktioniere, müsse sich die politische Diskussion an zwei Mindestmaßstäben messen lassen:

Erstens: Menschen müssten sich den historischen Ursprüngen der Gesellschaftsordnung bewusst sein. Die freiheitlichen Werte Europas ließen sich erst dann wertschätzen, wenn die Menschen wissen, zu welchen Kosten sie errungen wurden.

Zweitens: Die Gesellschaft müsse sich klarwerden, welche Werte zwingend erhalten werden müssen. Patzelt zählte zu diesen Werten Liberalität, Pluralität und Demokratie, aber auch die Neugier und das „Lernen-Wollen“. Wenn fremde Einflüsse diese Basiswerte bedrohen, müssten demokratische Gesellschaften entschieden dagegen vorgehen. Patzelt spricht sich an dieser Stelle gegen eine Verurteilung des Islams als „reformresistent“ aus und mahnt Geduld an. Eine Gefahr sieht Patzelt aber in politischen Strömungen, die eine einzelne Lesart des Islam zur Staatsreligion ausrufen wollten.

Unter den mehr als 400 Gästen beteiligten sich zahlreiche Menschen an der anschließenden Diskussion.

Auf die Frage, wie mit so genannten „Hasspredigern“ umzugehen sei, forderte Patzelt, dass in Moscheen auf Deutsch gepredigt werden müsse. In Deutschland lehrende Imame müssten an staatlichen Universitäten ausgebildet worden sein.

Ein weiterer Teilnehmer stellte sich gegen das „Multikulti-Denken“ und fragte, warum sich Menschen mit ausländischer Herkunft, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland lebten, nicht besser integrierten.

Andere Teilnehmer beobachteten eine inhaltliche Schwäche, wenn es darum gehe, „Deutsch-Sein“ zu definieren: „Wenn ich mir selbst unsicher bin, bin ich unsicher gegenüber anderen“. Werner Patzelt attestierte darauf, dass die Debatte um das Zusammenleben verschiedener Kulturen in Deutschland „vergiftet“ sei. „Multikulti“ funktioniere nur unter einer „überwölbenden Kultur“, auf die sich die einzelnen Gruppen einigen.

Zugleich schwanke die Selbstwahrnehmung vieler Deutscher zwischen einer Verleugnung der eigenen Kultur und einer „überkandidelten Deutschtümelei“. Lediglich zu sagen „Ich bin Deutscher“, sei noch keine Leistung, so Patzelt.

Andere Teilnehmer fragten, welche Bevölkerungsgruppen sich an PEGIDA-Demonstrationen beteiligten. Außerdem wurde der Eindruck geäußert, dass PEGIDA hauptsächlich ein Phänomen älterer Menschen sei und mit der Lebenswirklichkeit junger Menschen wenig zu tun habe.

Patzelt bedauerte den Mangel an soziologischen Untersuchungen des Phänomens PEGIDA. Seinen eigenen Eindrücken nach stelle die Mittelschicht den Großteil der Demonstranten, inklusive einigen Akademikern und auch zahlreichen jungen Menschen.

PEGIDA sei in erster Linie ein „Ost-Phänomen“, da die Zustimmung zum System der Demokratie hier konstant niedriger ausfalle als in westlichen Bundesländern und Einwanderung bisher lediglich als „Elitenprojekt“ und nicht als Lebenswirklichkeit wahrgenommen werde.

Die Reihe wird fortgesetzt am 14. und 15. Januar 2015, jeweils 17.30 Uhr, Festsaal der Dreikönigskirche Dresden, Hauptstraße 23, 01097 Dresden.

Autor: Friedemann Brause

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Kontakt

Dr. Joachim Klose

Dr. Joachim Klose

Landesbeauftragter für die Bundeshauptstadt Berlin, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Leiter Grundlagenforum

joachim.klose@kas.de 030/26996-3253 030/26996-53253

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