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Veranstaltungsberichte

Zur Zukunft der EU-Agrarpolitik

Der ehemalige EU-Agrarkommissar Dr. Fischler zu Gast in Sachsen

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Wohin steuert die Agrarförderung der EU? Wie kann die europäische Landwirtschaft den globalen Herausforderungen unserer Zeit verantwortungsvoll begegnen? Diesen Fragen ging Dr. Franz Fischler in zwei Formaten der KAS auf den Grund.

Am 13. November 2012 hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Franz Fischler, den EU-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei a.D., zu einem Mittagsgespräch in die Dreikönigskirche Dresden eingeladen.

Zu Beginn der Veranstaltung „Wozu Agrarförderung? - Die Zukunft der industriellen Landwirtschaft“ begrüßte Dr. Joachim Klose, Landesbeauftragter der KAS für den Freistaat Sachsen, die Teilnehmer.

Er machte zunächst darauf aufmerksam, wie weitreichend sich die deutsche Kulturlandschaft im 20. Jahrhundert infolge von Bodenreformen und Industrialisierung gewandelt habe. Es seien insbesondere große Veränderungen bei der Land- und Bodennutzung in Europa zu verzeichnen.

Die Zukunft der Landwirtschaft als wichtige ökonomische Säule im ländlichen Raum liegt dabei maßgeblich im Verantwortungsbereich der Europäischen Union. So macht die Agrarförderung auch im Jahr 2012 noch etwa 41 Prozent des gesamten EU-Haushalts aus.

Im Zuge der aktuellen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik stelle sich die Frage:

Welche Prozesse in der Landwirtschaft wollen wir unterstützen?

Herr Fischler ging in seinem Impulsreferat zunächst darauf ein, dass ein mehrdimensionales Begriffsverständnis von Nachhaltigkeit auch ökonomisches, ökologisches und soziales Verantwortungsbewusstsein berücksichtigen muss.

In der öffentlichen Wahrnehmung sehe sich die EU-Agrarförderung aufgrund von Preissteigerungen bei Lebensmitteln jedoch zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, mittels Betriebsprämien bloße Subventionierung zu betreiben. Weitere Instrumente der finanziellen Förderung, z. B. in der Aus- und Weiterbildung sowie Beratung von Landwirten oder zur Erforschung innovativer Agrartechnologien, würden kaum gewürdigt. Zudem stufte er den tatsächlichen Anteil der Landwirtschaft an den Preisentwicklungen im Agrarsektor als relativ gering ein.

Hingegen sei die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie z. B. die Landschaftspflege oder der Erhalt von Natur und Umwelt, ein ganz wesentlicher gesellschaftlicher Beitrag der Landwirtschaft. Deshalb weise der finanzielle Ausgleich der umfangreichen betrieblichen Verpflichtungen aus europäischen Umweltauflagen – im Sinne eines fairen internationalen Wettbewerbs – auch eine bedeutende soziale Komponente auf.

Zentral war für den amtierenden Präsidenten des Europäischen Forums Alpbach weiterhin die Frage nach zielgenauen Instrumenten in der Agrarförderung. Die Konzentration der Landwirtschaft auf wenige Intensivzonen mit entsprechend negativen Umweltfolgen müsse unbedingt vermieden werden. Als Eckpunkte einer geeigneten Zukunftsstrategie benannte er u. a. die Förderung innovativer umweltgerechter Technologien, die Entwicklung von Public Private Partnership-Modellen für den Agrarsektor und das soziale Prinzip der Gegen-Leistung für die Produktion öffentlicher Güter.

„Teller oder Tank?

Entscheidungen zur Landnutzung und deren Folgen“

Abendvortrag am 14. November 2012 im Rahmen der Rednertour Europa in Leipzig

Zu diesem Thema hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen ihrer bundesweiten Rednertour Europa einen öffentlichen Abendvortrag mit Dr. Franz Fischler organisiert. Ca. 85 Teilnehmer waren der Einladung in den Festsaal des Alten Rathauses in Leipzig gefolgt.

Dr. Joachim Klose stellte dabei zunächst Herrn Dr. Franz Fischler vor und verwies auf das brisante Spannungsfeld von Lebensmittelproduktion und Energieerzeugung.

Im anschließenden Vortrag setzte sich Herr Dr. Fischler dann v. a. mit der Rolle des Agrarsektors in den großen Fragen unserer Zeit auseinander. Der Referent wies zu Beginn auf ein paradoxes Phänomen hin:

Wir leben in einer Welt, in der einerseits viele Menschen in Industrieländern mit Übergewicht und Fettleibigkeit zu kämpfen haben, während im asiatischen und afrikanischen Raum zur gleichen Zeit massive Unterernährung an der Tagesordnung ist. Das globale Phänomen des Hungers sei eng mit Armutsverhältnissen verbunden, wie sie zahlreiche bäuerliche Familien kennzeichnen, die als Selbstversorger ihren Lebensunterhalt bestreiten. Daher sei die Frage nach dem Einfluss der Lebensmittelpreise auf den Ernährungsnotstand berechtigt.

In Ermangelung eindeutiger Antworten auf diese existenzielle Frage wagte sich Herr Dr. Fischler dennoch an die Klärung wesentlicher Hintergründe dieser Verbindung. Dabei betrachtete er u. a. die hohen Verluste in der Wertschöpfungskette der Agrarproduktion und kritisierte auch die europäische Wegwerfmentalität im Umgang mit Nahrungsmitteln. Im Zuge weltweiter Entwicklungsprozesse, wie z. B. die nachholende Industrialisierung der Schwellenländer und das rasche Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, nehme der Bedarf zu.

Problematisch würden sich auch die Bodenspekulation (landgrabbing) verunsicherter Anleger in der Finanzkrise und die enormen Herausforderungen des Klimawandels auf die Versorgungssicherheit auswirken.

Deshalb prognostizierte er für die Zukunft tendenziell steigende Lebensmittelpreise und stärkeren Schwankungen.

Vor diesem Hintergrund erscheine ihm die Modernisierung der veralteten, unproduktiven landwirtschaftlichen Strukturen in unterentwickelten südlichen Ländern dringend geboten, was sich in der westlichen Entwicklungshilfe leider kaum niederschlage. Zudem beanspruche der wachsende Wirtschaftszweig der agrarischen Treibstoffe, wie z. B. Biodiesel und Ethanol, zunehmend knapper werdende Ackerflächen. Konkurrierende Formen der Nutzung von Agrarprodukten, die bislang in die Nahrungsmittelproduktion eingingen, stellten daher große ökonomische Herausforderungen dar.

Als Nettoimporteur von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sah Herr Dr. Fischler die EU-Länder in der Verantwortung, diesen problematischen Prozessen entgegenzuwirken. Sie sollten den Entwicklungsländern umfassende Unterstützung gewähren, um die globale Ernährungssicherheit zu erhöhen.

Am Ende seines Referats plädierte er deshalb einmal mehr für ein europäisches Modell der nachhaltigen Intensivierung, welches eine hohe Produktivität im Agrarsektor mit dem Nachhaltigkeitsgebot verbindet. Für die Zukunft erwartete einen enormen Schub in der Entwicklung umweltgerechter, tierfreundlicher und wirtschaftlicher Produktionstechniken, u. a. im Bereich Gentechnisch veränderter Organismen.

Im Anschluss an den Abendvortrag entwickelte sich eine engagierte Diskussion mit zahlreichen Fragestellern. Diese interessierten sich u. a. für den rasanten Wandel der Lebensverhältnisse in aufsteigenden Schwellenländern wie China, Brasilien oder Indien. Aber auch die Nachteile der Flächenprämien und nachhaltige Betriebsmodelle wurden thematisiert.

Insgesamt kam auf diese Weise ein anregender und informativer Gedanken- und Erfahrungsaustausch über zukünftige Entwicklungen der Landwirtschaft und der Agrarförderung zustande.

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Kontakt

Dr. Joachim Klose

Dr. Joachim Klose

Landesbeauftragter für die Bundeshauptstadt Berlin, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Leiter Grundlagenforum

joachim.klose@kas.de 030/26996-3253 030/26996-53253

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