Wenig herrschaftlich, keine Säulen, kein Prunk, kein Justizpalast: Man kennt den lichtdurchfluteten Bau des Bundesverfassungsgerichts im Karlsruher Schlossbezirk mit seinen Glasfronten, den braunen Fensterrähmen und den gräulichen Fassadenelementen. Innen gediegener beiger Teppich und eine ehrfürchtige Atmospäre. Für seine 55 Jahre wirkt das Gebäude mit dem Sitzungsaal im ersten Obergeschoss, vielleicht nicht allzu gemütlich, aber erstaunlich zeitlos. Transparenz und Unabhängigkeit durchziehen den Gebäudekomplex in zahlreichen Symbolen.
Die Roten Roben gehören den Richtern nicht
Zeitlos ist auch seine Aufgabe: Es wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und damit darüber, dass jede und jeder Bürger nicht durch staatliches Handeln und Gesetze in seinen Grundrechten unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Dass es dies bis zum heutigen Tage in Karlsruhe würde machen können, war weder von Beginn an noch im Zuge der Wiedervereinigung klar, wie bei der Führung hervorging. Seit den 90er Jahren allerdings sind derartige Überlegungen verworfen und die Roten Roben – sie werden an neue Verfassungsrichterinnen und -richter „vererbt“ und sollen an das Florenz des 15. Jahrhunderts erinnern – weiterhin in Karlsruhe tätig.
Die ursprünglich gedachte Trennung vom ersten Senat als Bürgergericht und zweitem Senat als „Staatsgerichtshof“, der ausschließlich Streitigkeiten zwischen den Verfassungsorganen und staatlichen Stellen regelt, gilt nicht mehr und erwies sich im Zuge der hohen Anzahl an Verfassungsbeschwerden nicht als praktikabel. Je acht Richter – und seit einiger Zeit auch Richterinnen – sind pro Senat von Bundesrat und Bundestag auf maximal zwölf Jahre im Amt gewählt, Wiederwahl ausgeschlossen. Mindestens 40 Jahre alt, haben die erfahrenen Personen neben zwei juristischen Staatsexamina einen beruflichen Hintergrund von einem der Bundesgerichte, als Professoren von Hochschulen oder der Politik. Letzteres ist nicht selten Gegenstand öffentlicher Kritik, aber eine politische Beeinflussung der richterlichen Urteilssprechung erweist sich nach wie vor als haltlos.
Weniger als zwei Prozent der Verfassungsbeschwerden haben Erfolg. Das zeigt, wie gut unser Rechtsstaat funktioniert
Nein, es gebe keine besondere Häufung an Unstimmigkeiten bei der Urteilsfindung in einem der Rechtsgebiete, erklärte Heinrich Wolff, Richter beim Bundesverfassungsgericht. Die Arbeitsbelastung variiere, so Wolff, sei aber dennoch hoch. Allerdings habe es in der Vergangenheit nur sehr wenige Fälle gegeben, wo Richter vorzeitig aufgehört hätten. „Niemand muss es machen und wer es macht, der weiß, was auf ihn zukommt“, so Wolff und schob nach, ein Privatleben habe er trotzdem noch. Und dann, ehe er mit Blick auf sein Pensum und den Terminkalender strammen Schrittes aus dem Saal eilte: „Ja, ab und zu liege auch ich einfach mal auf dem Sofa.“ Die kurze Stille im Saal währte nicht lange und wurde abgelöst von Lachen ob seiner humorvollen und nahbaren Art des Erzählens, gepaart mit Ehrfurcht vor dieser Aufgabe.
„Wir wollen den Gesetzgeber fair behandeln, haben aber keinerlei Tendenzen, ihn in Watte zu packen!“ Richter Prof. Dr. Heinrich Wolff
Was haben Jennifer Rush, E.T., die Volkszählung oder die Friedensbewegung gemeinsam? Sie sind in Summe knallbunt und ein Kontrast zur nüchternen Sachlichkeit des Gerichts: Die 80er sind wieder da! Ausrufezeichen. Das Badische Landesmuseum präsentierte das bunte Jahrzehnt in all seiner Vielschichtigkeit. Mit Ausnahme der Tagungsleitung waren alle der Anwesenden Zeitzeugen. Korinna Ammon führte souverän durch die Ausstellung, die neben Reagan und Gorbatschow auch die Musik jener Jahre zeigte oder den gewalttätigen Protest gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens.
Umwelt, Klima, Rüstung, Atom und Diversität – die Themen von damals sind die Themen von heute!
Die Fragen von damals sind unter anderen Vorzeichen in der Jetztzeit präsent und damit auch das Bundesverfassungsgericht. Man denke nur etwa an das wegweisende Urteil zur informationellen Selbstbestimmung im Zuge der Volkszählung in jenem Jahrzehnt. Beim Blick auf’s Faxgerät ist allerdings Schmunzeln angesagt. Zwar nicht als Provisorium gedacht, so hält es zumindest in Deutschland doch irgendwie ewig. Und die Sirene? Neben all den Originalen an Exponaten bleibt zu hoffen, dass sie endgültig im Museum bleiben kann.