Veranstaltungsberichte
Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, führt das Bildungswerk Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. unter der Schirmherrschaft der Thüringer CDU-Landtagsabgeordneten Marion Walsmann und Michael Panse seit 2001 als DenkTag-Projekt Zeitzeugengespräche an Thüringer Schulen durch.
Im Rahmen des DenkTag-Projektes fanden in der Woche vom 21.01.08 bis 25.01.2008 an Thüringer Schulen Lesungen des Publizisten Eberhard Freise statt.
Eberhard Freise wurde 1933 in Warnemünde als Sohn einer jüdischen Mutter und eines vermeintlich arischen Vaters geboren. Die Mutter wurde in Auschwitz ermordet, der Vater als „Rassenschänder“ verstoßen. Er studierte Politik und Journalistik und war von 1959 bis 1966 Redakteur des Nachrichten-Magazins „Der Spiegel“ in Hamburg. Als PR-Berater organisiert er 1966 die große Propyläen-Tagung für Ullstein, richtet später das illustre Jahrhundertfest des Grammofons aus (mit Heinemann, Ustinov und v. Karajan) und holt die Bad Harzburger Management-Akademie zurück in die positiven Schlagzeilen.
In seinem vierten Buch und zugleich ersten Roman „Der Mischling“ erzählt Eberhard Freise alias Ebel Sasse in 39 Episoden das zeitgeschichtlich symptomatische Erleben eines Heranwachsenden, der sich in der Zeit des Holocaust mit dem Schicksal, Halbjude zu sein, abfinden muss. Dabei bewegen sich seine Schilderungen auf drei Ebenen- der Faktischen, die Reichskristallnacht, Rassengesetzte und Juniaufstand darstellt, der Gesellschaftlichen, die das Bild der Mitwisserschaft vermittelt sowie der Politisch-Moralischen eines totalitären Regimes, wodurch ein spannungsreicher Wechsel zwischen Tatsachenbericht und kritischer Reflexion entsteht.
Der Autor nennt seine verdichtet autobiografische Arbeit einen "zeitgeschichtlichen Roman mit Episoden aus dem Leben eines Mischlings". Es ist das politische Buch eines Politologen, der Judenverfolgung, Bombenterror, Nazirepressalien, Kollektivschuld und DDR-Indoktrination aus eigenem Erleben authentisch schildert. Es spielt in Weimar und an (Nach-)Kriegsschauplätzen wie Erfurt, Salzgitter, Minden, Halle und Leipzig von 1938 und 1953 - im Spannungsbogen zwischen Goethe und Buchenwald, Ariern und Juden, „Amis“ und „Russkis“. Es erzählt und reflektiert Schicksale, aber klagt nicht an. Nicht zuletzt ist "Der Mischling" eine späte Liebeserklärung des PR-Mannes Freise an seinen Tatort Weimar.
In den abschließenden Diskussionen zeigten sich die Teilnehmer tief bewegt, stellten zahlreiche Fragen an den Zeitzeugen und unterstrichen die Bedeutung der Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit, wie auch der Aufmerksamkeit und Verantwortung jedes Einzelnen in der Gegenwart für eine demokratische Zukunft. Dabei verdeutlichte Eberhard Freise in Aufnahme der Worte unserer Bundeskanzlerin Angelika Merkel eindringlich, dass nur mit einer Kultur des "Hinsehens und sich Einmischens" der noch immer aktuellen Herausforderung von Extremismus und Intoleranz begegnet werden kann.