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25 Jahre Sozialpolitik in Thüringen

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Die Integration der Flüchtlinge in Thüringen stellt die Sozialpolitik in Thüringen vor neue große Herausforderungen. Die dafür notwendigen Gelder müssen bereitgestellt werden, ohne bei anderen sozialen Aufgaben in Thüringen zu kürzen. Darüber waren sich alle DiskussionsteilnehmerInnen bei der gemeinsamen Veranstaltung von PARITÄTISCHEM und Konrad Adenauer-Stiftung in Erfurt einig. Die Veranstaltung war eingebettet in den Reigen der Veranstaltungen des PARITÄTISCHEN zum 25-jährigen Bestehen des Verbandes und in die Reihe der Konrad Adenauer-Stiftung „25 Jahre Wiedervereinigung – 25 Jahre freiheitliche Demokratie.“

Über die Finanzierungswege für die neuen und bisherigen Aufgaben allerdings gab es unterschiedliche Meinungen. Während der Landesgeschäftsführer des PARITÄTISCHEN, Reinhard Müller, eindringlich für eine Verbesserung der Einnahmesituation des Staates plädierte und auch Steuererhöhungen nicht ausschließen wollte sowie die Schuldenbremse in Frage stellte, forderte CDU-Sozialpolitikerin Beate Meißner nachdrücklich eine Durchforstung der gesamten Landesaufgaben und verwies darauf, dass die angestrebte Kreis- und Gebietsreform in Thüringen mehr koste als nutze. Letztes bestritt SPD-Sozialpolitikerin Birgit Pelke, aber auch sie kann sich vorstellen, dass wegen der großen anstehenden Aufgaben die Schuldenbremse vorübergehend außer Kraft gesetzt wird.

„Wir müssen in die Menschen investieren“, appellierte Müller an die Verantwortlichen in Staat und Politik. „Und das wird auch Geld kosten.“ Er forderte die Politik dazu auf, dieses Thema auch offensiv anzusprechen, sonst würden noch viele unbegründete Ängste geschürt.

Für Beate Meißner ist es wichtig, dass die Landesregierung nach Einsparpotenzial in allen Bereichen sucht. Und sie ist optimistisch, dass man bei genauer Prüfung auch fündig wird. Als eine Möglichkeit, Ausgaben zu überprüfen, sieht sie das neue Landesarbeitsmarktprogramm, für das 46 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Entschieden wandte sie sich gegen Steuererhöhungen oder die Abschaffung der Schuldenbremse. Eindeutig wandte sich SPD-Sozialpolitikerin Birgit Pelke gegen Kürzungen am Landesarbeitsmarktprogramm. Widerspruch dazu gab es auch aus dem Publikum. Pelke plädierte aber auch dafür, angesichts der neuen Herausforderungen unkonventionell zu denken. „Warum sollen pensionierte Lehrerinnen und Lehrer keinen Sprachunterricht für Flüchtlinge erteilen sollen.“ Für flexibles Denken in der aktuell angespannten Situation sprachen sich auch Reinhard Müller und Beate Meißner aus.

Seit der Wende müssen die Sozialverbände und sozialen Projekte Jahr für Jahr um eine angemessene Finanzierung kämpfen. Darauf wies Elke Lieback, Landesgeschäftsführerin von profamilia und Vorstandsmitglied im PARITÄTISCHEN in der ersten Runde der Diskussionsveranstaltung hin. „Das ist ein Desaster“, forderte sie eine stabile Finanzierung. Frank-Michael Pietzsch, Ex-Sozialminister Thüringens, wies ebenso wie der langjährige sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Michael Panse, auf die Probleme hin, die Sozialpolitiker hätten, mit ihren Forderungen politisch durchzukommen. Dabei sei die Unterstützung der Sozialverbände hilfreich, allerdings warnte Pietzsch auch davor, dass zu hoher Druck genau das Gegenteil bewirken könnte. Seiner Meinung nach sollten die Sozialverbände viel öfter mit dem Sozialministerium „über Bande“ spielen, um gemeinsame Vorstellungen auch durchzusetzen. Für Elke Lieback ist aber auch klar, dass ohne den Druck, den die Sozialverbände in Thüringen auch durch Demonstrationen und Protestaktionen, erzeugt hätten, Thüringen sozialpolitisch heute anders aussehen würde. Sie erinnerte an die Kampagnen „Thüringen bleibt sozial“ oder auch das engagierte Eintreten für bessere personelle und sachliche Ausstattungen der Thüringer Kitas.

Wie 25 Jahre Sozialpolitik im demokratischen Thüringen sich positiv auf menschliche Schicksale auswirken, schilderten zu Beginn der Veranstaltung die Präsidentin der PARITÄTISCHEN BuntStiftung, Evemarie Schnepel, und Dirk Strauß, der heute noch ehrenamtlich beim Lebenshilfewerk Weimer und Weimarer Land tätig ist. Schnepel lernte Strauß unmittelbar nach der Wende in der kinderpsychiatrischen, geschlossenen Abteilung eines Kreiskrankenhauses kennen. Sie erinnert sich noch gut, wie Strauß ihr eines Tages freudestrahlend auf der Treppe die Nachricht überbrachte. „Wir sind jetzt kein Krankenhaus mehr. Wir sind jetzt Lebenshilfe.“ Für die Menschen mit Behinderungen war das mehr als ein Trägerwechsel, es eröffnete ihnen neue Lebensperspektiven. „Es gab keine Gitter an den Fenstern mehr, keine verschlossenen Türen mehr.“ Im wörtlichen und übertragenen Sinne standen den Menschen dort alle Wege offen. Heute lebt Dirk Strauß allein in einer Außenwohngruppe der Lebenshilfe, er wird ambulant betreut. Und er engagiert sich ehrenamtlich bei der Lebenshilfe in deren Laden in Weimar, aber auch bei Festen und Veranstaltungen. „Er packt gerne mit an“, sagt Schnepel. Und sie bilanziert: „Menschen wie Dirk Strauß sind die Gewinner der Wende.“

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