Der Wintersportstandort Oberhof hat im Thüringer Wald eine lange Tradition. Aufgrund des Klimawandels stellt sich die Frage, inwiefern der Wintersport in Thüringen eine Zukunft hat und wie diese nachhaltig gestaltet werden kann. Am 01. Februar 2023 sollte dieser Frage im Zuge einer Diskussionsrunde unter dem Titel „Nachhaltig auf Ski und Kufen unterwegs?“ in Oberhof nachgegangen werden. Viele Teilnehmer/-innen trafen bereits früher in Oberhof ein, um vorab an der Besichtigung und Führung der 1355 Meter langen Rennschlitten- und Bobbahn teilzunehmen, auf der vor wenigen Tagen die Weltmeisterschaft im Rennrodeln ausgetragen wurde – mit überragenden Erfolgen der deutschen Sportlerinnen und Sportler, die acht von neun Wettkämpfen gewannen.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch die Landesbeauftragte und Leiterin des Politischen Bildungsforums der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen Maja Eib, die weit über 80 Multiplikatoren aus ganz Thüringen und die Podiumsteilnehmer in einer winterlichen Atmosphäre, geprägt durch Kälte und Schneefall, begrüßen konnte. Die von Sportjournalistin Stefanie Benke moderierte Gesprächsrunde mit den Experten aus Wissenschaft, Sport, Politik und Verwaltung wurde vom Publikum mit Spannung verfolgt und mit vielen eigenen Fragen, Beiträgen und Ideen in der Diskussion bereichert. Als Podiumsgäste waren geladen: Dr. Hartmut Schubert, Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium und WM- und Oberhofbeauftragter der Landesregierung, Dr. Maximilian Witting, Mitarbeiter von der Ludwig-Maximilians- Universität München und Experte für Klimawandel und Wintersport, Hubert Schwarz, Geschäftsführer des Deutschen Skiverbandes und Olympiasieger 1988 sowie Dr. Thadäus König MdL, sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag.
Wintersportstandorte stehen vor großen klimatischen Herausforderungen
Die klimatischen Veränderungen wirken sich auch auf viele Wintersportstandorte im Mittelgebirge aus. Dahingehend wird Oberhof derzeit und vor allem zukünftig vor große Herausforderungen gestellt. Der Forschungsschwerpunkt von Dr. Maximilian Witting liegt auf dem Klimawandel und Wintersport. Seine erläuterten Prognosen für den Standort Oberhof lassen viele Wintersportliebhaber verzweifeln. Mit Hilfe von Klimamodellen können für den Standort Oberhof anhand verschiedener Pfade die möglichen Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden. Unumgänglich ist, dass sich die Schneefallgrenze weiterhin nach oben verschieben wird, Frost- und Eistage sich zunehmend reduzieren werden und sich somit die Bedingungen für die benötigte Beschneiung verschlechtern. Zudem wird sich die Wintersaison in Zukunft zwangsläufig verschieben.
Lassen sich Wintersport und Klimawandel zukünftig vereinen?
Die klimatischen Prognosen für Oberhof lassen Zweifel aufkommen, inwiefern der Wintersport- und Tourismusstandort in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Dr. Witting führt dabei an, dass man sich nicht nur auf die Lösung von technischen Möglichkeiten verlassen darf. Schließlich wird der Energiebedarf, beispielsweise zur Ermöglichung einer Kühlung der Rodelbahn, weiterhin zunehmen. Es müssen sich darüber hinaus Gedanken gemacht werden, wie man den Tourismus- und Wintersportstandort in Oberhof zukunftsfähig machen kann. Der Appell der Wissenschaft liegt darin, sich frühzeitig Gedanken zu machen, zusätzliche Standbeine zu errichten sowie die Abhängigkeit vom Winter zu reduzieren. In den schneefreien Monaten trainieren die Wintersportler beispielsweise das Skispringen auf Matten und Biathlon auf Skirollerstrecken. Außerdem muss neben dem Wintersport auch in andere touristische Traditionen und Möglichkeiten investiert werden. Schließlich haben ansässige Unternehmer und die umliegende Region ebenfalls ein Interesse daran, dass Oberhof weiterhin wirtschafts- und tourismusfähig bleibt. Dr. Hartmut Schubert, führt dahingehend an, dass verschiedene Investitionsmöglichkeiten geplant sind, die von der Winterjahreszeit unabhängig sein sollen. Als Beispiel nennt er hierbei den Ausbau des Radsports in Form einer Mountainbikestrecke.
Nachhaltigkeit des Wintersportes und der umliegenden Region fördern
Die Wintersportstätten in Oberhof legen einen großen Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit und Energie. Dr. Schubert führt hierbei als Ziel an, dass die Sportanlage bis 2025 klimaneutral sein soll. Bisher wird neben der Nutzung von Photovoltaikanlagen auch die Abwärme von der Rodelbahn verwendet, um Energie und Wärme zu erzeugen. Hierbei entsteht sogar ein Überschuss, dessen Weitergabe an einen neuen Hotelstandort in Oberhof geplant ist. Darüber hinaus wird zurzeit geprüft, inwiefern Möglichkeiten der Erzeugung von Windenergie wahrgenommen werden können. Zudem bestehen Überlegungen zur Förderung der Nachhaltigkeit darin, dass die Rennschlittenbahn im Oktober noch nicht genutzt wird, der Nutzungszeitraum dafür den März mit einschließt. Des Weiteren wird eine längere Nutzung der Schneehalle in Betracht gezogen, anstatt zu früh mit der künstlichen Beschneiung zu beginnen. Hubert Schwarz merkt an, dass Nachhaltigkeit noch viel mehr ist. Sie bezieht sich auch auf die Gesellschaft und eine nachhaltige Förderung der Gemeinschaft. Für ihn ist es wichtig, dass weiterhin die sportliche Betätigung der Kinder gefördert wird.
„Ohne Breitensport kein Spitzensport“
Kann der Spitzensport in Oberhof nachhaltig bestehen, ohne gleichermaßen den Nachwuchs zu fördern? Dr. Thadäus König MdL beantwortet die Frage entschieden mit „Nein“. Der Breitensport ist notwendig und grundlegend, um Spitzensport überhaupt betreiben zu können. Er bezeichnet den Wintersportstandort Oberhof als Leuchtturm des Thüringer Waldes, welcher durch die umliegende Region beleuchtet wird. Junge Nachwuchstalente werden auch außerhalb von Oberhof gesichtet und erhalten daraufhin möglicherweise die Chance, ihr Talent an der Sportschule in Oberhof weiter auszubauen und zu fördern. Dadurch kann der Spitzensport in Oberhof nachhaltig aufrechterhalten werden. Will man also Spitzensport betreiben, so muss man den Breitensport und damit die umliegende Region von Oberhof gleichermaßen fördern. Infolgedessen kann der Wintersport nachhaltig aufrechterhalten werden.
Die Diskussionsergebnisse lassen erkennen, dass der Wintersportstandort in Oberhof eine Zukunft hat. Es werden viele nachhaltige Möglichkeiten angeregt und in Betracht gezogen, um den Wintersport aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus besteht Konsens, dass die touristischen Angebote auf das ganze Jahr ausgeweitet werden muss, um wirtschafts- und tourismusfähig zu bleiben. Der Nachhaltigsdreiklang von Ökonomie, Ökologie und sozialem Miteinander müssen gleichermaßen berücksichtigt werden, um den Sport- und Tourismusstandort Oberhof nachhaltig aufrechtzuerhalten.