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Länderberichte

Ratifikation des Lissaboner Vertrags: Tschechien tritt auf der Stelle

von Dr. Hubert Gehring, Marcel Preising
Nchdem das Tschechische Verfassungsgericht bereits im November letzten Jahres die bei vielen ODS Abgeordneten umstrittenen Paragraphen des Lissabonner Vertrags für verfassungskonform erklärt hatte, schien eine zügige Ratifikation des Vertrags auch mit Unterstüzung der ODS Agbeordneten und Senatoren nur noch Formsache zu sein. Jedoch bleibt der Vertrag vor allem mit Blick auf die Partei des Premierministers Mirek Topolanek ODS, innerparteilich äußerst umstritten.

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Die letzte Verschiebung der Parlamentsdebatte zum Vertrag liegt gerade zwei Wochen zurück: Nachdem zunächst angekündigt war, das Abgeordnetenhaus wolle die Verhandlungen zum Lissabonner Vertrag am 15. Februar fortsetzen, wurde dieser Termin zwischenzeitlich auf den 03. Februar vorgezogen – um ihn dann wieder mindestens auf den 17. Februar hinauszuschieben. Grund für die bisherigen Verschiebungen ist, dass der zuständige Parlamentsausschuss noch keine Einigung erzielen konnte. Der Senat plant sogar, die Ratifikation bis April auszusetzen. Dabei bemängeln vor allem ODS-Senatoren, der Vertrag sei an vielen Stellen unscharf formuliert und somit unverständlich. Zudem sehe er eine zu starke Abtretung tschechischer Souveränität an die EU vor, so der ODS-Abgeordnete Zdenek Prosek. Während ODS Parlamentarier immer wieder auf die Bremse treten, sind die Parlamentarier der Sozialdemokraten (CSSD) bereit, den Vertrag zu ratifizieren – genau wie die Juniorpartner der Regierung Topolanek, die Christdemokraten (KDU-CSL) und Grüne.

Druck von allen Seiten

Dass der Lissabonner Vertrag in Tschechien noch immer nicht ratifiziert ist, wird bei der Europäischen Union zunehmend mit Sorge aufgenommen: So sagte der Präsident des Europäischen Parlaments (EP) Hans-Gert Pöttering, die EU werde so lange nicht erweitert (ausgenommen Kroatien), bis nicht alle Staaten das Papier unterzeichnet hätten. Es lastet also ein wachsender Druck auf Premier Topolanek: Einerseits wollen Vertreter aus Brüssel und den Mitgliedstaaten eine rasche Entwicklung bei der Ratifikation sehen. Gleichzeitig aber muss Topolanek innenpolitisch darauf achten, seine eigenen, teilweise EU kritischen, ODS Abgeordneten und Senatoren nicht zu vergrämen: Schließlich ist seine Mehrheit im Tschechischen Abgeordnetenhaus mehr als wackelig. Eine Wahrmachung der Drohung einiger ODS-Abgeordneter, sie würden die Fraktion bei einer Ratifikation des Lissabonner Vertrags verlassen, kann sich Topolanek schlichtweg nicht mehr leisten. Es wird immer deutlicher, dass sich die ODS zurzeit nicht entscheiden kann bzw. will, in welche Richtung sie sich bewegen soll: Auf der einen Seite sagte der Parteichef in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament, er wolle die Ratifikation des Lissabonner Vertrags in Tschechien so schnell wie möglich über die Bühne bringen. Vergangene Woche wurde nun wiederum bekannt, dass einige ODS-Senatoren an einer erneuten Klage gegen das Dokument feilen. Die ODS bewegt sich momentan de facto auf der Stelle.

Die neue Libertas.cz

Gleichzeitig stellen sich Topolanek weitere Hindernisse in den Weg: Der EP-Abgeordnete Vladimir Zelezny (Fraktion der Unabhängigen Demokraten) gründete vor wenigen Wochen eine neue euroskeptische Partei: Libertas.cz. Pikanterweise wurde der Begründer der irischen Libertas, Millionär Declan Ganley, von Zelezny zunächst nicht über dessen Parteigründung unterrichtet. Und auch im Nachhinein darf eine enge Zusammenarbeit beider Parteien bezweifelt werden, sagte Zelezny doch in einem Interview: „Wir haben unseren eigenen Ganley mit der Person Vaclav Klaus.“ Ganleys Sprecherin sagte wiederum, man betrachte Libertas.cz nicht als Kontrahenten, sondern als eigenen Ableger. Beide Bewegungen sehen einzig die Ablehnung des Lissabonner Vertrags auf ihrer Agenda und es bleibt abzuwarten, wie die Zustimmung der Bürger bei den Europawahlen, die in Tschechien am 05. und 06. Juni stattfinden, ausfallen wird.

Die Partei der Freien Bürger

Anders die Situation bei der zweiten europakritischen Partei, die sich Anfang Januar in Tschechien gründete: Die „Partei der Freien Bürger“ (SSO) wurde am 15. Januar offiziell registriert. Verantwortlich dafür war Parteigründer Dr. Petr Mach, Leiter des Zentrums für Wirtschaft und Politik CEP in Prag. Dessen Mitte-Rechts-Partei steht neben der Ablehnung des Lissabonner Vertrags u.a. für eine Absenkung der Steuern und weniger Marktregulierung. Mach versteht seine Partei als ein langfristiges Projekt - auch auf nationaler Ebene. Dessen Agenda erinnert zunächst stark an die der ODS, jedoch stellte Mach in einem Interview mit KAS Prag (Das gesamte Interview finden Sie im zwei-ten KAS-Newsletter zur tschechischen EU- Ratspräsidentschaft unter www.kasprag.cz) klar, dass seine SSO nicht von ihrem Programm abweichen werde, wie es die ODS getan habe.

Topolanek fürchtet offensichtlich, dass sowohl Libertas.cz als auch die SSO der ODS bei den EP- Wahlen Stimmen abnehmen werden, sollte er noch vor den Europawahlen die Ratifikation des Lissabonner Vertrags forcieren ohne gleichzeitig Erfolge als EU Ratspräsident vorweisen zu können. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Topolanek evt. erst nach den EP-Wahlen die Ratifizierung angehen wird.

Eine neue EP-Fraktion mit den Tories?

Auch auf EU-Ebene kündigten sich Änderungen an: Die Gründung einer neuen Fraktion ist geplant. Wie die britische Konservative Partei und die ODS verschiedentlich bekanntgaben, planen sie aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EPP-ED) auszutreten und zusammen nach den Europawahlen eine neue Fraktion zu gründen. Dies hat Mirek Topolanek David Cameron auf dem letzten Parteitag der britischen Konservativen in seinem Grußwort noch einmal ausdrücklich bestätigt. Ob aber tatsächlich eine neue Fraktion im EP gebildet werden kann, bzw. wird steht längst noch nicht fest: Formell brauchen die Briten und Tschechen nach der Europawahl für eine Fraktionsbildung Mandatsträger aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedstaaten (derzeit sieben) und gleichzeitig mindestens 25 Abgeordnete. Auch ist damit zu rechnen, dass die neue Gruppierung nur einen begrenzten Einfluss hätte, was der ODS letztendlich nicht recht sein kann. Und dies umso mehr, als dass die ODS angesichts der SSO und Libertas.cz nicht gestärkt sondern eher geschwächt aus den Europawahlen hervorgehen könnte. Sowohl Experten im Land als auch Meinungsumfragen prognostizieren zum heutigen Zeitpunkt der ODS nach den kommenden Europawahlen im Juni lediglich noch maximal fünf Mandate. Bei den letzten Wahlen 2004 hatte es noch für neun Sitze gereicht.

Bleibt Mirek Topolanek letztendlich nur ein Ausweg - nämlich Erfolg bei seiner Aufgabe als EU-Ratspräsident. Dies würde ihm sowohl bei den EU-Wahlen als auch bei der Ratifizierung des Lissabonner Vertrags helfen. Ein positives Indiz, dass ODS Wähler nicht per se europakritisch sind, belegen neueste Meinungsumfragen. Seit Dezember 2008 stieg die Zustimmung zur ODS um 3,5 Prozent. Als Grund dafür wird vor allem das kluge Verhalten Topolaneks als EU Ratspräsident während der Gaskrise und die positive Reaktion aus dem europäischen Ausland vermutet. Mancher EU Skeptiker in Tschechien beginnt offensichtlich zu realisieren, dass mit einem gemeinsamen Europa auch Dinge zum Positiven bewegt werden können.

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Matthias Barner

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Leiter des Auslandsbüros Vereinigtes Königreich und Irland

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