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Veranstaltungsberichte

KAS-VORSITZENDER PROF. DR. NORBERT LAMMERT IN WASHINGTON

MULTILATERALISMUS AM SCHEIDEWEG – CHANCEN UND VERANTWORTLICHKEITEN IN EINER NEUEN ÄRA DER GLOBALISIERUNG

In Washington und New York stehen die Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung unter neuer Leitung. In der Nachfolge von Nico Lange hat Paul Linnarz Anfang Mai das KAS-Büro in Washington übernommen. Andrea Ostheimer leitet ab August das KAS-Büro in New York. Sie beerbt Dr. Stefan Friedrich. Im Rahmen zweier Vortragsveranstaltungen hat der Vorstandsvorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bundestagspräsident a.D. Prof. Dr. Norbert Lammert, die beiden neuen Auslandsmitarbeiter in der vergangenen Woche offiziell vorgestellt.

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In Washington und New York fanden überdies Gespräche mit Partnerorganisationen der Stiftung sowie mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft statt.

Zum Auftakt seines USA-Besuchs wurde Prof. Lammert in Washington von Dr. Emily Haber, seit Juni Deutsche Botschafterin in den Vereinigten Staaten, begrüßt. Im anschließenden Gespräch erinnerte Kenneth Wollack, Präsident des National Democratic Institute (NDI), daran, dass die deutschen politischen Stiftungen mit ihrer Auslandsarbeit in einigen europäischen Ländern bereits vor Jahrzehnten die inhaltliche und organisatorische „Vorlage“ für die Arbeit des NDI entwickelt hätten. Auf dieser Grundlage bestünden auch unter den derzeit schwierigen Bedingungen im transatlantischen Verhältnis zahlreiche Anknüpfungspunkte für die künftige Zusammenarbeit bei der Förderung von Demokratie und Rechtsstaat. Daniel Twining, Präsident des International Republican Institute (IRI), empfahl, die Unsicherheiten im Verhältnis zwischen Europa und den USA nicht zu überschätzen. Die an die deutsche und die europäische Adresse gerichteten Äußerungen des US-Präsidenten bedienten im Vorfeld der für Anfang November bevorstehenden Zwischenwahlen „in erster Linie das eigene Publikum“ in den USA. Daniel Ray Coats, Direktor der nationalen Sicherheitsdienste, früherer Senator und ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, äußerte die Hoffnung auf eine noch engere Zusammenarbeit der NATO-Mitgliedsstaaten beim Informationsaustausch. Dafür seien inzwischen auch organisatorisch zusätzliche Kapazitäten geschaffen worden, so Coats.

John Hamre, Präsident des Center for Strategic and International Studies (CSIS), zeichnete ein düsteres Bild von der US-amerikanischen Parteienlandschaft. Er verglich die Think Tanks in den USA mit den „Saiten eines Musikinstruments“, für die der Kongress derzeit aber „kein Resonanzboden“ sei. Analysen und Empfehlungen der Think Tanks würden deshalb in Washington regelmäßig ungehört verklingen. Der US-Regierung sei es überdies noch nicht gelungen, eine neue politische Botschaft („narrative“) zu formulieren. „Politische Dynamik“ entfalte sich deshalb überwiegend auf lokaler Ebene, bei Gouverneuren und Bürgermeistern. Vor diesem Hintergrund böten sich auch europäische Partnerstädte in den USA als Kooperationspartner an. Auf Fragen nach der Haltung des Kongresses zu wichtigen aktuellen Positionen der US-Regierung betonte der Republikaner Orrin Hatch, Präsident pro tempore und Vorsitzender des Finanzausschusses des Senats, demgegenüber eindringlich die „hohe Unabhängigkeit“ des US-Senats. Seine kürzliche Deutschlandreise mit einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sachsenhausen, einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und einer Veranstaltung in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung bewertete Hatch als sehr positiv.

Kenneth Weinstein, Präsident des Hudson Institute, berichtete von einer in Kooperation mit dem KAS-Büro in Washington produzierten Studie über die chinesische Handelspolitik, die er kürzlich auch in Japan präsentieren konnte. Bei seinem Treffen mit Prof. Lammert unterstrich Weinstein die Notwendigkeit, zentrale internationale Herausforderungen in den USA nicht nur bilateral und auf europäisch-amerikanischer Ebene, sondern verstärkt im Dialog mit „like-minded“ Staaten der Asien-Pazifik-Region, darunter neben Japan auch Australien und Indien, aufzugreifen. Mit Blick auf die bilateralen Einflussmöglichkeiten zur Beilegung der derzeitigen Handelsstreitigkeiten äußerten sich einige der in Washington ansässigen deutschen Wirtschaftsvertreter gegenüber dem KAS-Vorstandsvorsitzenden sehr zurückhaltend bis ernüchtert. Die intensive direkte Einwirkung auf das US-Handelsministerium hätte in den letzten Monaten ebensowenig gefruchtet wie der Versuch, das Weiße Haus über kritische Stimmen in Senat und Repräsentantenhaus zu erreichen. Jetzt bleibe eigentlich nur, mit klaren Worten, nachhaltig und unemotional die europäischen Positionen gegenüber Washington zu verteidigen. Ed Royce, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, bezeichnete sich in dem Zusammenhang selbst als „Befürworter des Freihandels“. Ihm seien in der Handelspolitik nicht hohe Zölle, sondern „hohe Standards“ wichtig. Gegenüber Prof. Lammert sprach er sich für Verhandlungen darüber aus, die Importzölle auf Autos und Autoteile beiderseits des Atlantiks komplett aufzuheben. Botschafterin Elizabeth Millard, im Außenministerium zuständig für Europa und Eurasien, wiederholte die kritische Einstellung der US-Regierung zum Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2. Der personelle Übergang nach dem Amtsantritt von Mike Pompeo als Außenminister sei, so Millard, noch nicht ganz abgeschlossen.

Im kleineren Kreis traf sich Prof. Lammert am letzten Tag seines Besuchs in Washington noch mit Hartwig Schäfer, Vizepräsident der Weltbank für Südasien. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen Anknüpfungspunkte für mögliche Kooperationen in den Bereichen gute Regierungsführung, Dezentralisierung und tertiäre Bildung. Den Abschluss des Besuchsteils in Washington markierte eine Vortragsveranstaltung im Hay-Adams Hotel zum Thema „Multilateralismus am Scheideweg“. Vor über 120 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft erinnerte Prof. Lammert daran, dass der Multilateralismus seit über 70 Jahren nicht nur den „Kernbestandteil der internationalen Ordnung“ kennzeichne, sondern „hauptsächlich von den USA, nicht von Europa und nicht von der Sowjetunion entworfen“ worden sei. „Jeder, der über diese oder jene Organisation frustriert ist, sollte“, so der KAS-Vorstandsvorsitzende, „zumindest die Frage stellen, ob wir uns vorstellen können, dass es uns besser geht, wenn man eine dieser Organisationen loswird.“ Multilaterale Ansätze schlössen bilaterale Beziehungen keineswegs aus, stattdessen seien letztere ausdrücklich Teil der multilateralen Ordnung, so Prof. Lammert. Im Zeitalter der Globalisierung habe „der einzelne Nationalstaat (aber) weniger Möglichkeiten als jemals zuvor, Regulierungen umzusetzen“. Jede Einschränkung der regelbasierten internationalen Ordnung zugunsten eines machtbasierten Systems werfe überdies nicht nur im zwischenstaatlichen Verhältnis, sondern auch für den Einfluss großer Konzerne neue Fragen auf. „Ich sehe“, so Prof. Lammert, „für Europa keine ernsthafte Chance (...), unsere Errungenschaften ohne die Unterstützung der USA zu erhalten“. Seinen Zuhörern in Washington empfahl er jedoch, „die Frage zu beantworten, ob die USA ohne die Unterstützung und Kooperation Europas führen könnten und global bedeutsam bleiben“. Am Donnerstag reiste der KAS-Vorstandsvorsitzende zum zweiten Teil seines USA-Besuchs weiter nach New York.

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Paul Linnarz

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Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

paul.linnarz@kas.de + 1 202 464 5840

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