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Veranstaltungsberichte

Too Big to Manage

von Ferdinand Sacksofsky

Die KAS Washington diskutiert mit ihren Gästen die aktuelle Wirtschaftslage, die Krise und die Zukunft der Euro-Zone

Diesen März ist es bereits drei Jahre her, dass JP Morgan Chase & Co die Investmentbank Bear Stearns mit staatlicher Hilfe übernahm, um eine Insolvenz des angeschlagenen Finanzriesen zu vereiteln. Dieser Rettung sollten in den kommenden Monaten noch viele weitere Übernahmen und Insolvenzen folgen. Im Vergleich zu 2008 hat sich die Lage heute zwar beruhigt, doch die Krise ist weiterhin aktuell und allgegenwärtig.

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Aus diesem Grund hatte das Washingtoner Büro der Konrad Adenauer Stiftung am 24. Februar 2011 zu einer Abendveranstaltung mit dem Titel „The International Financial Crisis – Perspectives from the US and Europe“ geladen. Unter der Moderation von Dr. Norbert Wagner, dem Leiter des Auslandsbüros der KAS in Washington DC, diskutierten der ehemalige Chief Risk Officer der General Motors Acceptance Corporation (GMAC), Samuel Ramsey, und der wirtschaftspolitische Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Washington, Patrick Welter, über den aktuellen Stand der Krise, deren historischen Verlauf und wie es in Zukunft weitergehen wird. Eine der wichtigsten Fragen des Abends stellte Dr. Wagner bereits zu Beginn, als er von seinen beiden Gästen wissen wollte, was sich denn seit dem Beginn der Krise überhaupt geändert habe. Ramsey verwies hierbei vor allem auf die Reformen, die man in den vergangenen drei Jahren insbesondere in den USA und der EU durchgesetzt hat. Wenn man die Lehren aus dieser Krise und eine strengere Regulation der Märkte mit diesen Reformen kombinieren würde, ließen sich Wirtschaftskrisen in diesem Ausmaß zukünftig verhindern. Darüber hinaus sagte er, dass es als größter Erfolg zu werten sei, dass man einen totalen Zusammenbruch des Systems vereitelt habe. Für die Zukunft verwies der Finanzexperte auf eine von ihm erstellte „To-Do-Liste“, die das Risiko auf eine erneute Krise merklich reduzieren würde. Diese Liste habe er bereits vor drei Jahren erstellt und die Punkte würden heute noch, genau wie damals zutreffen:

  • Investoren müssen mehr Märkte erschließen und ihre Gelder in einer größeren Bandbreite anlegen. Es gibt zu viele Investments in bestimmten Märkten, während andere komplett außer Acht gelassen werden.
  • Der Handel mit Schulden muss zukünftig unterbunden werden. Investitionen dürfen nur dort stattfinden, wo auch tatsächlich Kapital vorhanden ist.
  • Die Liquidität der Finanzinstitute muss jederzeit gewährleistet sein. Hierfür ist eine strengere Überwachung von Nöten.
  • Die Banken wurden zu wenig von den Regierungen reguliert. Das Bankenwesen ist dadurch zu groß und einflussreich geworden, um tatsächlich noch kontrollierbar zu sein.
  • Die Mitglieder der Vorstände von Finanzinstituten müssen in den Bereichen für die sie verantwortlich sind besser geschult werden.
Der Amerikaner stellte jedoch fest, dass man bislang zu wenig in dieser Richtung umgesetzt habe und man sich ausschließlich auf die Disziplin der Banker an den Märkten verlassen würde. Es habe jedoch keinen Sinn, sich in Zukunft weiter auf eine neue Marktdisziplin zu verlassen. Marktdisziplin werde auch weiterhin eine Schwäche des Systems bleiben, selbst wenn sie die Krise von vornherein hätte vereiteln können. VERANSTALTUNGSBEITRAG Dennoch wollte Ramsey nicht ausschließen, dass man in Zukunft vor weiteren Krisen gefeit sei. Insbesondere bereite ihm die immer noch dramatische Lage des amerikanischen Immobilienmarkts große Sorgen. Zwar nehme der Umfang der Baranteile in diesem Bereich stetig zu und scheine auch an Bedeutung zu gewinnen, jedoch sei es ohne Kredite dennoch nicht möglich den Markt am Leben zu halten. Der Immobilienbranche stünden große Änderungen bevor, aber die Richtung, die man einschlagen würde sei noch unklar. Ramsey hob aber hervor, dass eine generelle Entwicklung in diesem Sektor wichtig sei. Was dem Markt fehle, sei eine private Basis. Zurzeit gebe es in diesem Bereich noch keinerlei Rückhalt.

Patrick Welter sah den wichtigsten Grund für die Krise in der Tatsache, dass sich die Banker über die Blase bewusst waren, die sie kreiert hatten. Es sei demnach falsch, nach Gründen für die Krise im Jahr 2008 zu suchen, als diese zum ersten Mal spürbar in Erscheinung trat. Vielmehr gelte es zu untersuchen, inwieweit bereits 2007 oder sogar noch früher es schon absehbar war, dass ein derartiges Ereignis eintreten würde. Hierzu verwies Ramsey auf ein Gespräch, dass er bereits 2004 mit Mitgliedern der damaligen Regierung geführt hatte. Damals hatte man mehrere Wirtschaftsexperten nach deren Meinung zum Kreditmarkt für Immobilien gefragt, da die Entwicklungen die Regierung bereits in Sorge versetzt hatten. Ramsey erzählte, man habe bereits zu jener Zeit empfohlen, gehaltsabhängige Kredite einzuführen, was allerdings nie geschah. Zwar gestand er ein, dass Investoren und Risikomanager die Wirtschaftskrise verschuldet hätten, jedoch trage die fehlende Überwachung von staatlicher Seite genauso Schuld an der Misere. Dennoch beteuerte der ehemalige Chief Risk Officer, dass selbst im Jahre 2007 die Krise und ihre Ausmaße noch nicht abzusehen waren. Welter stimmte mit Ramsey darin überein, dass insbesondere die Zentralbanken einen viel größeren Einfluss hätten nehmen müssen. Der Journalist kritisierte, dass es zu jener Zeit vielmehr die Pflicht der Fed gewesen sei, die Trümmer der jeweiligen Marktschwankungen aufzuräumen, als tatsächlich die Märkte zu regulieren. Eigentlich hätte die Hauptaufgabe eine Art Überwachungsfunktion sein müssen. Genauso sei es unverantwortlich die Zentralbanken lediglich zur Datenerhebung zu benutzen. Hierfür seien diese schließlich auch nicht konzipiert worden.

Ein weiteres entscheidendes Problem im aktuellen „Heilungsprozess“ der Märkte sieht Welter in den verschiedenen Zielen der USA und der Europäischen Union. Während man sich bei der EU bemühe die globalen Folgen des Finanzkollapses zu bekämpfen, hätten in den USA vor allem die eigenen Schulden und der heimische Finanzmarkt absolute Priorität. Hierbei seien die Amerikaner darauf erpicht, mit einer eigenen Lösung für die Probleme aufzukommen, ohne andere Modelle in Betracht zu ziehen. Ob das europäische Modell das richtige sei, ließ Welter jedoch offen. In Europa mache man weiter Schulden, um neue Gelder verteilen zu können, die wiederum investiert werden sollen. Die Frage sei nur, wem man Geld zur Verfügung stellen könne und wem nicht. Griechenland z.B. habe Gelder erhalten und das BSP des Landes steige auch wieder, dennoch bezweifelte Welter, ob das Land jemals fähig sein werde, die Kredite auch wieder zurückzuzahlen. Ein Weg in die richtige Richtung sei eine generelle Zinserhöhung in Europa. Dagegen würden sich allerdings die Zentralbanken wehren, da die Geldinstitute von niedrigen Zinssätzen abhängig seien. Unterdessen kaufe die EZB weiterhin Staatsanleihen, was der deutsche Experte als großes Problem ansieht. Damit würde man die Situation nicht bessern, sondern lediglich Geld aus dem freien Markt abziehen. Samuel Ramsey wollte sich hierzu nicht festlegen. Er könne nicht sagen, ob höhere Zinssätze die Krise mildern würden, allerdings sei er sich sicher, dass es schwerer sei, sich von einem deflationären Zyklus zu erholen, als von einem inflationären. Und da der Kongress zurzeit nichts tun würde, um die Märkte zu unterstützen, sei seine Sorge vor einer Deflation durchaus berechtigt.

Passend zum letzten Punkt von Patrick Welter war auch die erste Frage aus dem Publikum, wohin die Maßnahmen der EZB unter Jean-Claude Trichet in Zukunft führen würden. Hierzu kam die Antwort direkt aus dem Publikum zurück. Den Markt nicht zu regulieren und sich auf das Ausgeben von Richtlinien zu verlassen, führe nicht zu den nötigen Ergebnissen. Das Hauptproblem sei doch immer noch, dass US-Banken weiterhin Geld ohne Sicherheiten verleihen würden. Es werde Geld an Menschen ausgegeben, obwohl man sich sicher sein könne, dass der Empfänger nicht fähig sei, die Schulden zurückzuzahlen. Die Frage sei, ob tatsächlich fehlende Regulation oder eine zu lasche Finanzpolitik das eigentliche Problem sei, bemerkte eine weitere Wortmeldung aus dem Publikum. Sowohl die USA, als auch die EZB würden ihre Zinsen zu niedrig halten und darüber hinaus die Märkte nur wenig bis gar nicht regulieren. Ein weiterer Zuhörer formulierte es sogar noch drastischer: „Es war kein Fehler des Marktes. Es war klar ein Fehler der Regierung. Natürlich haben die Märkte versagt, aber die Regierung war schuld daran.“ Dr. Wagner bemerkte hierzu, dass man seiner Meinung nach diese Entwicklung nicht auf die Regierung schieben könne. Allerdings schien auch Patrick Welter nicht mit der Arbeit der Politiker zufrieden zu sein. Er sei pessimistisch, was die Zukunft der Euro-Zone angehe. Entgegen der Meinung vieler deutscher Experten werde die EZB weiterhin Staatsanleihen kaufen, was den französischen Vorschlägen entspräche, die in diesem Bereich eine tolerantere Politik verfolgen würden. Welter sieht diesen Weg als falsch an. Man versuche einerseits Regeln und Richtlinien zu etablieren, andererseits wurde gleichzeitig ein Fond eingerichtet, der weitere Zukäufe von Staatsanleihen in Zukunft finanzieren soll. Deutschland werde sich in dieser Frage nicht durchsetzen können, so der Journalist weiter, aber die Schulden würden mit einer derartigen Politik nicht geringer werden.

Ob die Euro-Zone auf lange Sicht an diesem Problem zerbrechen werde, wollte einer der Zuhörer zum Abschluss wissen. Sie könnte daran zerbrechen sagte Welter, vorausgesetzt die deutsche Bevölkerung sei irgendwann mit der Politik ihrer Regierung so unzufrieden, dass man sie aus diesem Grund droht abzuwählen oder gar abwählt. Sollte Deutschland sich als Konsequenz daraufhin aus der Euro-Zone zurückziehen, würde daraufhin auch das gesamte System zusammenbrechen. Die Zukunft der Euro-Zone hänge also davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der deutschen Bevölkerung in dieser Frage entwickelt.

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