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Öl bricht Eis? – US-Regierungsvertreter sprechen mit Präsident Maduro

Das Eis scheint zumindest angetaut: Am Samstag, 5. März 2022, hielt sich eine hochrangige diplomatische Delegation der US-Regierung überraschend zu Gesprächen mit dem venezolanischen Staatspräsidenten Nicolás Maduro in Caracas auf. Maduro bewertete das Gespräch anschließend als respektvoll, freundlich und sehr diplomatisch. Die USA hatten im Februar 2019 im Zuge der Anerkennung des Oppositionellen Juan Guaidó als Interimspräsident von Venezuela die diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Der Bedarf an Ersatz für Erdöl aus Russland scheint die USA nun zu einer Annäherung an das seit Jahren mit Sanktionen belegte Venezuela zu bewegen. Die aktuelle weltpolitische Konjunktur bietet anscheinend sowohl für die USA als auch für Venezuela konkrete Anlässe für Gespräche und mehr Pragmatismus.

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Überraschendes Gespräch und erste Folgen

Das Eis scheint zumindest angetaut: Am Samstag, 5. März 2022, hielt sich eine hochrangige diplomatische Delegation der US-Regierung überraschend zu Gesprächen mit dem venezolanischen Staatspräsidenten Nicolás Maduro in Caracas auf. Maduro bewertete das Gespräch anschließend als respektvoll, freundlich und sehr diplomatisch. Die USA hatten im Februar 2019 im Zuge der Anerkennung des Oppositionellen Juan Guaidó als Interimspräsident von Venezuela die diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Der Bedarf an Ersatz für Erdöl aus Russland scheint die USA nun zu einer Annäherung an das seit Jahren mit Sanktionen belegte Venezuela zu bewegen. Die aktuelle weltpolitische Konjunktur bietet anscheinend sowohl für die USA als auch für Venezuela konkrete Anlässe für Gespräche und mehr Pragmatismus.

Einzelheiten des Gesprächs zwischen Nicolás Maduro, seiner Frau Cilia Flores, Abgeordnete der Nationalversammlung von 2020, und des Präsidenten der Nationalversammlung, Jorge Rodríguez, mit Juan González, dem Beauftragten der US-Regierung für Lateinamerika, und James Story, US-Botschafter für Venezuela, der seinen Amtsgeschäften von Kolumbien aus nachgeht, wurden zwar nicht bekannt, und die Tageszeitung El Nacional stellt am 10. März fest, dass es mehrere lose Enden gebe. Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses, bestätigte noch am Montag, dass es bei den Kontakten um Energiesicherheit und die Gesundheit US-amerikanischer Häftlinge in Venezuela ginge.

Eine unmittelbare Folge des Gesprächs war die Freilassung von zwei US-Bürgern am Montag, 8. März, durch die venezolanischen Behörden. Es handelt sich dabei um Gustavo Cárdenas, einen von sechs Mitarbeitern der Firma CITGO, US-Tochter der venezolanischen staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA, die im Jahr 2017 verhaftet und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Die USA hatten immer wieder die Freilassung der sechs Häftlinge gefordert. Bei der anderen freigelassenen Person handelt es sich um einen Touristen, der 2021 wegen Besitz einer Drohne verhaftet worden war.

Im Zusammenhang mit dem Gespräch ist auch die Ankündigung von Präsident Maduro zu sehen, den im Oktober 2021 suspendierten Dialogprozess zwischen Regierung und Opposition wiederaufzunehmen. Dieser solle auf eine breitere Basis gestellt werden. Dies bedeutet, dass neben den Vertretern der demokratischen Opposition auch Vertreter anderer oppositioneller Gruppen beteiligt werden sollen. Dazu zählen voraussichtlich im Parlament vertretene Parteien, die sich dem Boykott der Parlamentswahlen im Dezember 2020 nicht angeschlossen hatten und denen von den traditionellen Oppositionsparteien eine zu große Nähe zur Regierung vorgeworfen wird. Insofern bringt die Ankündigung der Wiederaufnahme einige Hürden für die Opposition mit sich und voraussichtlich neue Gesprächspartner an den Tisch.

 

Energiepolitik als Startpunkt für den Weg aus der Krise?

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte kurz vor dem Gespräch zwischen Präsident Maduro und US-Regierungsvertretern berichtet, dass eine Annäherung der USA an die venezolanische Regierung stattfinde, um die Versorgung mit Erdöl aus dem südamerikanischen Land zu erhöhen. Diese Meldung ließ aufhorchen, denn die USA hatten im Februar 2019 die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela abgebrochen. Bereits im Jahr 2015, während der Regierungszeit Obamas, waren die ersten personenbezogenen Sanktionen gegen venezolanische Amtsträger wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt worden, der Kreis wurde in den Folgejahren ausgeweitet. Im März desselben Jahres wurde Venezuela zur Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA erklärt. In den Folgejahren wurden verschiedene Finanz- und Handelssanktionen verhängt, die Geschäfte mit staatlichen venezolanischen Firmen verboten, darunter auch mit der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA. Seit 2017 verhängte auch die EU schrittweise handels- und personenbezogene Sanktionen.

Venezuela pflegt seit der Regierungszeit des ehemaligen Präsidenten Hugo Chávez gute Verbindungen zu Russland und ist mit dem Land wirtschaftlich verbunden. Teile der Verwaltung und Finanzabwicklung der staatlichen Erdölgesellschaft sind im Zuge der US-Sanktionen nach Russland ausgelagert worden. Russische Militär- und Sicherheitsberater unterstützen das südamerikanische Land, und im Tourismussektor sorgte seit einigen Monaten die Ankunft russischer Touristen mit Direktflügen aus Moskau für einen kleinen Aufschwung. Im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise hat Präsident Maduro sich auf die Seite Russlands gestellt und die NATO kritisiert, gleichzeitig aber auch von Anfang an die Notwendigkeit einer Dialog-Lösung betont.

Durch kürzlich gegen Russland verhängte Sanktionen und das Einfrieren von Devisenkonten vor Ort wird nun auch Venezuela betroffen. Auch daher ist möglicherweise auf venezolanischer Seite Interesse vorhanden, sich andere Wege (wieder) zu eröffnen. Allerdings liegt die Forderung der venezolanischen Regierung nach Lockerungen der US-Sanktionen seit Längerem auf dem Tisch und ist einer der Hauptgründe, aus denen sich Maduro im August 2021 auf den Dialogprozess mit der Opposition in Mexiko mit internationaler Vermittlung eingelassen hat. Der Dialogproprozess wurde allerdings nach wenigen Wochen durch die Regierung ausgesetzt.

Anlass für die USA, die eingefrorenen Beziehungen zu Venezuela aufzutauen, sind anscheinend im Bedarf an Ersatz für Erdöllieferungen aus Russland zu suchen. Angesichts der niedrigen Produktionskapazitäten in Venezuela, die erst wiederaufgebaut werden müssten, ist dies voraussichtlich aber nur ein Teil der Absichten. Viel mehr bietet sich hier den USA ein Aufhänger, um den ins Stocken gekommenen Dialogprozess in Venezuela wieder in Gang und einer Lösung der seit Jahren andauernden Krise näher zu bringen, möglicherweise die Sanktionen zu lockern und die Beziehungen auf dem amerikanischen Kontinent wieder auf einen besseren Weg zu bringen.

Für die gesamte Region stellt die Krisensituation in Venezuela, vor allem durch die Auswirkungen der Migration, eine große Herausforderung dar. Eine weitere Herausforderung besteht in der schwierigen Sicherheitslage an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze. Auch aus diesem Grund sollte den USA an einem Abbau der Konfrontation mit Venezuela gelegen sein.

 

Neue Tatsachen im Verhältnis der USA zu Venezuela

Die Vertreter der US-Delegation führten nach ihrem Treffen mit Präsident Maduro auch ein Gespräch mit dem von ihnen eigentlich weiterhin als Interimspräsidenten anerkannten Juan Guaidó. Verschiedene Quellen berichten, dass Guaidó vorher nicht eingeweiht war, das Online-Medium Crónica Uno bewertet dies als „Schlag in die Nieren“. Damit erfährt die Rolle von Guaidó eine deutliche Relativierung, und auf Seiten der USA scheint nun der Weg eingeschlagen zu werden, den die EU nach den Parlamentswahlen vom Dezember 2020 gewählt hat: Bewertung von Guaidó vor allem als Führungsfigur der Opposition und ein pragmatischer Umgang mit den herrschenden Machverhältnissen im Land.

Aus Oppositionskreisen erhielt die Ankündigung von Maduro zur Wiederaufnahme des Dialogprozesses Unterstützung. Manuel Rosales, Gouverneur des Bundesstaates Zulia, in dem die „Erdölstadt“ Maracaibo und das Zentrum der Erdölförderung liegt, begrüßte die Aufnahme von Gesprächen zwischen den USA und Venezuela und auch die Oppositionspartei Primero Justicia ließ in einem Statement verlauten, dass es wichtig sei, die Verhandlungen in Venezuela wiederzubeleben mit dem Ziel, bessere Bedingungen für freie Präsidentschaftswahlen zu erzielen. Diese finden laut Verfassung im Jahr 2024 statt.

Aus den USA kam angesichts der überraschenden Gespräche und des durch die Regierung Biden eingeschlagenen Weges auch deutliche Kritik, sowohl aus der Republikanischen als auch aus der Demokratischen Partei. In einer Fragestunde des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten des US-amerikanischen Senats zur Lage in der Ukraine hatte sich die Unterstaatssekretärin Victoria Nuland kritischen Fragen zu Venezuela zu stellen, die sie teilweise ausweichend beantwortete, so auch die Frage nach Anerkennung von Juan Guaidó als Interimspräsident. Bob Meléndez, Vorsitzender des Komitees, äußerte, dass die demokratischen Anstrengungen des venezolanischen Volkes und der Mut des ukrainischen Volkes mehr wert seien als einige Fässer Öl, und dass trotz außergewöhnlicher Zeiten Prinzipien und Werte nicht vergessen werden sollten. Senator Risch merkte an, dass es geboten sei, das Schweröl aus Russland nicht durch Annäherungen an Iran und Venezuela zu ersetzen.

Mehr als Hauptzweck des überraschenden Gesprächs scheint Öl der Eisbrecher gewesen zu sein für einen neuen Anlauf im Verhältnis zwischen den USA und Venezuela angesichts der Krisensituation auf dem gemeinsamen Kontinent. Die aktuelle weltpolitische Konjunktur bietet anscheinend sowohl für die USA als auch für Venezuela konkrete Anlässe für Gespräche und mehr Pragmatismus in den gegenseitigen Beziehungen.

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Kontakt

Annette Schwarzbauer

Annette Schwarzbauer bild

Leiterin des Auslandsbüros Venezuela

annette.schwarzbauer@kas.de

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