Asset-Herausgeber

Länderberichte

Von der Vorzeigedemokratie zum Sorgenkind

von David Robert, Anja Berretta

Verspielt Präsident Yayi Boni den guten Ruf des Landes?

Benin, einst Vorreiter der demokratischen Transformation und Vorzeigedemokratie in Westafrika, ist auf dem besten Weg, diesen Status zu verlieren. Korruptionsvorwürfe, schlechte Regierungsführung und die Einschränkung der Pressefreiheit haben dazu geführt, dass Benin nicht mehr als Musterland für die Region Westafrika gelten kann. Und auch der kürzlich erschienene Doing Business Report 2010 der Weltbank wirft kein positives Licht auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Benin befindet sich, unverändert zum Vorjahr, auf Platz 172 von 183 Ländern.

Asset-Herausgeber

Der Enthusiasmus war groß, als Präsident Yayi Boni zu Beginn seiner Amtszeit 2006 zahlreiche Reformen im Bereich Wirtschaft, Infrastruktur und Good Governance ankündigte. Seitdem ist die Unterstützung für den Präsidenten stetig gesunken. Zunächst bei den Parlamentswahlen 2007, dann bei den Kommunalwahlen 2008. Letztere waren geprägt von technischen Streitigkeiten, die auch dazu führten, dass Ergebnisse vielerorts nicht anerkannt wurden. In einigen Gemeinden konnten erst anderthalb Jahre nach den Wahlen die administrativen Zuständigkeiten geklärt werden. Der Kommunalverband ANCB (Association nationale des communes du Bénin), ursprünglich ins Leben gerufen um die Kommunen bei der Dezentralisierung zu unterstützen und ihnen ein gemeinsames Forum zu bieten, ist intern so zerstritten, dass seit fast einem Jahr keine konstruktive Arbeit mehr stattfindet.

Nach drei Jahren sind die Reformen im Bereich Good Governance und Korruptionsbekämpfung weit hinter den Erwartungen der Bevölkerung zurückgeblieben. Im Sommer 2009 erschütterte ein Korruptionsskandal das Land, der deutlich machte, dass schlechte Regierungsführung in allen Ebenen der staatlichen Administration an der Tagesordnung ist. Auslöser für den Skandal waren mehrere Gebäudesanierungen und Neubauten für den im Jahr 2008 in Cotonou abgehaltenen CEN-SAD (Communauté des Etats Sahélo-Sahariens) Gipfel. Durch unsachgemäße Auftragsvergabe entstanden dem Staat am Ende Mehrkosten von umgerechnet rund 107 Millionen Euro. Ein Untersuchungsausschuss ergab, dass Unterlagen und Urkunden von staatlicher Seite gefälscht wurden und die Baufirmen durch überteuerte und unnötige Materialkosten ein Vielfaches von der ursprünglich vereinbarten Summe ausgezahlt bekamen.

Korruption und schlechte Regierungsführung sind an der Tagesordnung

Der Präsident versuchte, die Affäre durch die Entlassung des zuständigen Ministers für Städteplanung, Francois Noudégbessi, zu regeln, beteuerte zugleich jedoch, von den fehlenden Millionen nichts gewusst zu haben. Diese Beteuerung scheint wenig glaubwürdig, besonders wenn man bedenkt, dass 107 Millionen Euro rund 5 Prozent des jährlichen Staatshaushaltes entsprechen. Die Praxis, Staatsaufträge unter der Hand an Unternehmen zu vergeben, wurde auch im Doing Business Report 2010 kritisiert. In einer für den Bericht erstellten Umfrage gaben 80 Prozent der befragten Firmen an, Korruption sei in Benin ein Investitionshemmnis, und es sei schwer, öffentliche Aufträge ohne entsprechende Zahlungen an die Regierung zu erhalten. Im Durchschnitt wird Korruption in Westafrika von 32 Prozent der Befragten als Investitionshemmnis gesehen.

Weltbank bescheinigt Benin mangelnde Reformversuche

Insgesamt bescheinigt der Bericht dem Land mangelnde Reformvorhaben. Genau wie im Vorjahr findet sich Benin auf dem 172. Platz von 183 Ländern. In der Region Subsahara Afrika findet sich Benin auf dem 36. von 46 Plätzen wieder. So benötigt man beispielsweise rund einen Monat, um in Benin eine Firma zu eröffnen. Das Eigenkapital, das dafür aufgebracht werden muss, liegt bei 155 Prozent des jährlichen Pro-Kopf Einkommens. Im Vergleich dazu braucht man in Ruanda, eines der im vergangenen Jahr am besten abgeschnittenen „Reformländer“, nur drei Tage für eine Firmengründung, die Kosten hierfür betragen nur 11 Prozent des jährlichen Pro-Kopf Einkommens. Die notwendige Eigenkapitaleinlage in Ruanda entfällt, in Benin wird das dreifache des jährlichen Pro-Kopf Einkommens als Kapitaleinlage gefordert.

Staatsdefizit wächst

Neuste Hiobsbotschaft für den Präsidenten ist ein vom IWF vorgelegter Bericht über die Finanzlage des Staates. Eine Prüfung durch die Institution brachte ans Licht, dass sich die Haushaltslage 2009 verschlechtert hat. Die Staatseinnahmen blieben weit hinter den Erwartungen, gleichzeitig wurden Prämien an viele Staatsdiener gezahlt und außerplanmäßige Ausgaben getätigt. Diese außerplanmäßigen Finanzierungen haben im Wesentlichen dazu geführt, dass der Staat aktuell fast zahlungsunfähig ist. Der Haushaltsentwurf für 2010 sieht erneut eine Steigerung der Ausgaben vor, allerdings ist noch unklar, woher das Geld kommen soll. Fest steht nur, dass die ökonomischen Reformen nicht zu erhöhten Staatseinnahmen führten, so wie es der Präsident lange Zeit glauben machen wollte. Vielmehr bediente man sich in Benin im großen Stil aus der Staatskasse, ohne dass die Ausgaben im Budget eingeplant waren und ohne dass sie nachträglich ordnungsgemäß verbucht wurden. Teilweise sollen die Defizite der schlechten Regierungsführung nun durch höhere Wasser- und Elektrizitätskosten behoben werden. Unter der eingeschränkten Zahlungsfähigkeit des Staates leiden auch viele Kleinunternehmer, die für den Staat tätig wurden und seit Monaten auf ihre Bezahlung warten, denn in den Zeiten der Finanzkrise kann die schlechte Zahlungsmoral des Staates schnell zu einer Existenzbedrohung werden.

Präsident verliert Rückhalt in der eigenen Parteienkoalition

Ob das Parlament den Haushaltsbericht für 2009 billigen und den Entwurf für 2010 akzeptieren wird, ist noch unklar. Selbst im Parteienbündnis des Präsidenten gab es zuletzt immer mehr Widerstand gegen sein Finanzmanagement. Dabei schien Yayi Boni der richtige Mann, um das Land wirtschaftlich zu sanieren. Er studierte Wirtschafts- und Politikwissenschaften in Benin und im Senegal, später promovierte er in Frankreich zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Er arbeitete unter anderem bei der Zentralbank der westafrikanischen Staaten und war Präsident der Westafrikanischen Entwicklungsbank. Umso unerklärlicher ist es, dass von seinem ökonomischen Reformwillen, für den er einst mit dem Ritter des französischen „Ordre national du mérite“ ausgezeichnet wurde, nicht mehr viel übrig geblieben ist.

Wahlkampf für 2011 hat bereits begonnen

Den Präsidenten scheinen die wirtschaftlichen Probleme des Landes nicht zu sehr zu beschäftigen, für ihn hat bereits der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen 2011 begonnen. Dieser Wahlkampf ist es auch, auf den die extraplanmäßigen Ausgaben zurückzuführen sind. Bei Besuchen im Land gibt er Spontanzusagen für Projekte in ländlichen Regionen und hofft dadurch, die Gunst der Wähler zu gewinnen. Neue Straßen, Brunnen, Schulen – die Zusagen des Präsidenten sind vielfältig, sein Verhalten zunehmend populistisch. Gleichzeitig versucht er, die Opposition auszuschalten, indem er einige Oppositionspolitiker in ein neues Kabinett integrieren wollte. Nachdem dieser Plan scheiterte, versucht er nun, in seinem Kabinett möglichst einen regionalen Proporz zu berücksichtigen und sich dadurch Sympathie und Unterstützung im ganzen Land zu sichern. Diese Bemühungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er versucht, den Regionalismus im Land zu schüren. Boni, der aus dem Norden des Landes stammt, hat bei Veranstaltungen in dieser Region vermehrt verlauten lassen, die Bewohner des Südens würden die Bewohner des Nordens systematisch hintergehen. Die Schuld für die Rückständigkeit des Nordens trage daher der Süden, der systematisch die Staatsressourcen für sich beanspruche. Im Süden Benins befinden sich das politische, wirtschaftliche und administrative Zentrum des Landes, während es im Norden hauptsächlich ländliche Regionen gibt.

Regionalismus könnte zur Gefahr für die nationale Einheit werden

Sollte der Präsident weiterhin versuchen, den Regionalismus im Lande zu verschärfen, dann könnten daraus ernsthafte Spannungen in der Gesellschaft resultieren, da bereits ein wirtschaftliches Gefälle zwischen Nord und Süd besteht. Der Präsident wirkt zunehmend misstrauisch gegenüber der Opposition, bei einigen Wahlveranstaltungen im Land wurde kritischen oder oppositionellen Personen der Eintritt verwehrt. Außerplanmäßig wurden Truppen im Lande umstationiert. Obwohl die politische Lage im Land weiterhin als stabil zu bewerten ist, scheint dies ein Zeichen dafür zu sein, dass der Präsident zunehmend von der Angst getrieben ist, im Land an Rückhalt zu verlieren.

Präsident hat keine Mehrheit mehr im Parlament

Kritisch ist die Lage für Boni auch im Parlament. Vor wenigen Tagen weigerte es sich, einen Bericht über die Aktivitäten der Legislative zwischen April und Oktober 2009 zu billigen. Der Bericht wurde mit 39 zu 33 Stimmen abgelehnt, 10 Personen enthielten sich. Das Parteienbündnis FCBE des Präsidenten hat im Parlament keine Mehrheit mehr, nachdem einige Abgeordnete sich abspalteten und ein eigenes Bündnis gründeten. Der Präsident ist somit auf Stimmen aus anderen Lagern angewiesen. Abgelehnt wurde der Bericht mit der Begründung, er entspreche nicht der Wahrheit und das Parlament habe keine wirklichen Kontrollmöglichkeiten über die Regierung.

Sollte es den Oppositionsparteien gelingen, sich auf einen einzigen gemeinsamen Kandidaten für die Wahlen zu einigen, dann könnte dieser Yayi Boni gefährlich werden. In Benin werden Kandidaten vor allem in ihrer Herkunftsregion gewählt, daher ist dem Präsidenten vor allem die Kandidatur von Abdoulaye Bio Tchané ein Dorn im Auge. Bio Thchané kommt wie Boni aus dem Norden und sollte er antreten, dann wäre die Wählerschaft im Norden geteilt und Boni könnte sich nicht, wie 2006, der Unterstützung der gesamten Region sicher sein. Auch im Süden des Landes gibt es zurzeit zwei Bewerber auf das Amt. In September erklärten mehrere oppositionelle Parteienbündnisse, sie würden zur Wahl mit einem gemeinsamen Kandidaten antreten. Größte Chancen auf die Kandidatur haben Léhady Soglo, Sohn des ehemaligen beninischen Präsidenten Nicéphore Soglo und Adrien Houngbédji. Houngbédji, der seit 1991 bei jeder Präsidentschaftswahl kandidierte, war 2006 Präsident Boni mit 24 zu 35 Prozent der Stimmen in der ersten Runde unterlegen. In der zweiten Runde konnte sich Boni jedoch mit 75 Prozent klar durchsetzen. Auch Soglo trat bei den Wahlen 2006 an, da sein Vater für eine zweite Kandidatur zu alt war. Sollte Soglo dieses Mal nicht zum Kandidaten gewählt werden oder bei der Wahl unterliegen, ist es unwahrscheinlich dass er von der politischen Bühne verschwindet. Mit 49 Jahren ist er für afrikanische Verhältnisse noch sehr jung und könnte Chancen bei späteren Wahlen haben. Zum anderen kommt er aus einer einflussreichen Politikerfamilie.

In Afrika werden Machtwechsel oft innerhalb der Familie ausgehandelt, wie beispielsweise in Togo oder Gabun. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Oppositionsparteien ihren Beschluss auch in die Tat umsetzen können. Fest steht, dass das politische Taktieren seit rund einem Jahr die konstruktive Arbeit im Parlament behindert.

Medienfreiheit wird eingeschränkt

Auch die Medien, bisher für ihre Unabhängigkeit und Kritik an sämtlichen politischen Lagern bekannt, werden mehr und mehr in ihrer Arbeit eingeschränkt. Wichtige Leitartikel müssen von der Präsidentschaft erst freigegeben werden, ebenso Artikel, die in Presseschauen diskutiert werden. Die öffentlichen Medien geraten zunehmend zu einem Sprachrohr der Regierung, Journalisten privater Medien wurden von Wahlkampfveranstaltungen ausgeschlossen. Die staatliche, der Regierung nahestehende Anstalt zur Medienkontrolle HAAC (La Haute Autorité de l’Audiovisuel et de la Communication), kontrolliert öffentliche und private Medien und kann über deren Absetzung entscheiden. So wurde Anfang November die private Radiostation CAPP FM für 30 Tage suspendiert, nachdem sich eine Journalistin in einer Sendung kritisch über den Präsidenten geäußert hatte und somit angeblich die Nationale Einheit angegriffen habe.

Auch zivilgesellschaftliche Verbände äußern sich zunehmend besorgt über den Zustand der Demokratie im Land. Den Beninern liegen die demokratische Ordnung und die Verfassung des Landes sehr am Herzen, was sich in der Vergangenheit in aktivem Protest gegen Einschränkungen der demokratischen Freiheiten manifestierte.

Wohlfühldemokratie ist beendet

All diese Entwicklungen sind für Benin nicht erfreulich. Es ist nicht zu erwarten, dass der Präsident im Jahr 2010 an den wirtschaftlichen Problemen des Landes arbeiten wird. Vielmehr wird er versuchen, sich ins Jahr 2011 und in seine zweite Amtszeit zu retten, mit der Versprechung, ab 2011 alle Probleme des Landes lösen zu wollen.

In einem Land wie Benin, das nach wie vor zu den ärmsten der Welt zählt, kann durch Neid und Missgunst geschürter Regionalismus innerhalb der Bevölkerung leicht ausarten und die friedliche Stimmung im Land beenden. Obwohl dies nicht zwangsläufig geschehen muss, ist klar: Die Wohlfühldemokratie in Benin ist beendet.

Asset-Herausgeber

Kontakt

Florian Karner

Florian Karner
florian.karner@kas.de

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber