Der Tag des 25-jährigen Amtsjubiläums des belarussischen Präsidenten verstrich am 20. Juli 2019 ohne besonderen Festakt oder Medienrummel. Dabei hat Aliaksandr Lukaschenka, der für viele Menschen im Vierteljahrhundert seiner Herrschaft zu einer Art Ikone seines Landes geworden ist, dem jungen Staat nach der Unabhängigkeit in vieler Hinsicht ein Gepräge nach seinen Vorstellungen gegeben und eine Machtvertikale errichtet, die in Europa ihresgleichen sucht. Nach innen herrscht er bis heute autoritär, doch genießt aufgrund eines verhältnismäßig starken Sozialmodells nicht unerhebliche Zustimmung. Sein staatszentrierter Wirtschaftskurs, der dem Land in den 1990ern einen Ausverkauf ersparte, führt heute jedoch in die Sackgasse. In der Außenpolitik positioniert er sein Land nach langjährigem Schaukelkurs heute als „neutraler“ Vermittler zwischen Ost und West und nicht wenige sehen in ihm angesichts wachsenden Drucks aus Moskau eine Garantie der staatlichen Unabhängigkeit.
25 Jahre „Batska“
Für viele Menschen aus dem Westen Europas gilt die in der Mitte des Kontinents gelegene Republik Belarus bis heute als eine terra incognita. Was sich jedoch für fast jeden untrennbar mit dem Land verbindet, ist ein Name: Aliaksandr Lukaschenka. Der erste und bislang einzige Staatspräsident des 10-Millionen-Einwohner-Lands beging am 20. Juli 2019 das 25. Jubiläum seines Machtantritts und ist der am längsten amtierende Staatschef in Europa. Heute gilt der hochgewachsene Mann mit dem markanten Schnauzbart vielen als eine Art Symbol seines Landes – selbst seinen Gegnern, die ihn gern weiterhin als „letzten Diktator Europas“ bezeichnen. Er selbst versteht sich als der einzige Politiker seines Landes – alle anderen sind höchsten „Politikmanager“ – und zeigt sich gern als volksnaher Landesvater, der sich sowohl der Probleme der kleinen Leute annimmt, als auch für Ordnung und Sicherheit sorgt. Im Volk trägt er dafür den Spitznamen „Batska“, Belarussisch für „Vater“. Einen überbordenden Kult um seine Person hat er jedoch – im Gegensatz zu manch anderem Herrscher im postsowjetischen Raum – nicht entwickelt. Zum Jubiläum schaltete die durch das Verlagshaus der Präsidialadministration herausgegebene Zeitung Belarus Segodnia (bis 2013 „Sovetskaja Belorussija“) sogar ein Online-Sonderprojekt über die Erfolge des Präsidenten, setzte dabei – fast beiläufig – dessen Amtszeit mit dem Bestehen des belarussischen Staates gleich[ii]. Dabei waren bereits drei Jahre seit der (Wieder-)Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit im Zuge der Auflösung der Sowjetunion vergangen, als der damals 39-jährige Lukaschenka 1994 das oberste Amt des Staates übernahm.
Ein Mann aus einfachen Verhältnissen
Aliaksandr Ryhorawitsch Lukaschenka erblickte knapp zehn Jahre nach Ende des für Belarus verheerenden Zweiten Weltkriegs im Osten der Belarussischen SSR als Sohn einer alleinerziehenden Melkerin das Licht der Welt. Über seinen Vater ist wenig bekannt, doch steht außer Frage, dass er wie damals üblich, einen maßgeblichen Teil seiner Sozialisation in sowjetischen Jugendorganisationen erfuhr. Auf ein Studium der Geschichte folgte ein zweijähriger Dienst bei den Grenztruppen, eine Zeit als Regionalleiter bei Komsomol, der Jugendorganisation der kommunistischen Partei (KPdSU), sowie drei Jahre als politischer Offizier in einer Panzereinheit. Nachdem er im Alter von 25 Jahren der KPdSU beigetreten war, folgten auf den Militärdienst einige Führungspositionen in verschiedenen staatlichen Agrarbetrieben und ein Fernstudium der Ökonomie an einer Agraruniversität. Seine politische Karriere begann, als er 1990 in den Obersten Sowjet der Belarussischen SSR gewählt wurde. In dieserFunktion gab er später an, als einziger gegen die Auflösung der Sowjetunion gestimmt zu haben. Gleichwohl stieg er im seit 1991 unabhängigen Belarus nach kurzer Zeit zum Vorsitzenden des Antikorruptionsausschusses des Parlaments (bis 1996: „Obersten Sowjets“) auf und nutze diese Position, um eine Vielzahl von Verfahren anzustrengen, darunter gegen hochrangige Staatsvertreter, wie Ministerpräsident Wiatschaslau Kebitsch. Die Anklage gegen den als Staatsoberhaupt fungierenden Parlamentspräsidenten Stanislau Schuschkewitsch, er habe sich aus Staatsvermögen persönlich bereichert, wurde zwar nicht abschließend aufgeklärt, führte jedoch zu dessen Sturz Anfang 1994 und verhalf Lukaschenka zu einem Image als durchsetzungsfähiger Ordnungsschaffer. Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen im Sommer desselben Jahres gewann er, auch dank starker Hochburgen im Osten und Südwesten des Landes, mit 80 Prozent.
Den vollständigen Länderbericht zum 25-jährigen Amtsjubiläum vonAliaksandr Lukaschenka können Sie als PDF herunterladen.