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Benedikt XVI. - Ein mutiger Papst

Vom zukunftweisenden Ende eines Pontifikates

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Die Überraschung ist groß! Nach fast 500 Jahren wählten die Kardinäle wieder einen Deutschen zum Nachfolger Petri, und er setzt im achten Jahr seines Pontifikates ein Zeichen, wie es über sieben Jahrhunderte kein Papst gesetzt hat: Er tritt aus freien Stücken, „mit voller Freiheit“, wie er selbst formuliert hat, von seinem Amt zurück. Ein Paukenschlag, der Hochachtung und Respekt verdient.

Von einem auf den anderen Tag wandelt sich sein öffentliches Erscheinungsbild. Aus dem der Tradition verpflichteten, bewahrenden, zurückhaltenden, fast schüchternen Papst wird ein mutiger Reformer, der neue Maßstäbe für die Zukunft der katholischen Kirche setzt. Zwar wird er der herausragende Theologe auf dem Stuhl Petri bleiben, der lieber Bücher schreibt als auf Reisen geht, aber mit seinem Namen wird künftig verbunden sein, dass er mit einer jahrhundertealten und dadurch ehrwürdigen Tradition gebrochen hat. Der Kirche, nicht seiner selbst wegen. Er hat sich nicht, wie Kritiker meinen, abgewandt oder ist gar resigniert – er hat der Zukunft ins Auge gesehen. Der junge, dialog- und reformfreudige deutsche Professor, der Konzilsberater von Kardinal Frings wird wieder sichtbar.

 

Petrusdienst in unsicheren Zeiten

„Ein Papst stirbt, er tritt nicht zurück“, meinte eine Passantin in einer deutschen Einkaufsstraße und hatte dabei wohl Johannes Paul II. vor Augen, dessen langes, leidvolles Sterben die Menschen bewegt hat.

Auch sein Vorbild wird bleiben, aber mit Benedikt XVI. wird sich verbinden: Auch ein Papst ist ein Mensch, der unter den Beschwerden seines hohen Alters leidet und fühlt, dass seine Kräfte schwinden, der zur Gewissheit gelangt ist, dass „meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“. Der darum rechtzeitig Vorsorge trifft, weil er weiß, dass die Kirche in unsicheren Zeiten einen sicheren Steuermann braucht, der kraftvoll den Kurs bestimmen kann. Wissen und Glauben waren für Benedikt nie ein Widerspruch. Aus seinem Wissen um den Ernst der Situation der Kirche hat er gläubig seine Entscheidung getroffen.

Wir sollten ihm für seine mutige Entscheidung danken. Wohl wissend, dass sich nach ihm jeder künftige Papst die Frage stellen wird – und sich von anderen stellen lassen muss –, wie lange er seiner Aufgabe gewachsen ist. Das jetzt gesetzte Beispiel wird Folgen haben.

 

Drängende Aufgaben

Das Konklave, das „älteste Parlament“ der Welt, das mit einer besonders qualifizierten Mehrheit wählen muss, steht vor einer schwierigen Entscheidung. Ganz ohne Mitwirkung des Heiligen Geistes werden die Kardinäle nicht auskommen.

Ungewöhnlich große Aufgaben warten auf den 266. Nachfolger Petri. Christen, vor allem Katholiken, werden wegen ihres Glaubens in vielen Staaten der Welt verfolgt. Der Weltfriede ist nicht nur im Vorderen Orient in Gefahr. Die Botschaft der Katholischen Soziallehre droht zu verblassen. Die Zahl der Gläubigen steigt zwar in Lateinamerika, in Afrika und in Asien, aber in Europa geht sie besorgniserregend zurück. Die Ergebnisse des Zweiten Vatikanums sind zum großen Teil noch nicht umgesetzt. Die von ihm geforderte Eigenverantwortlichkeit der regionalen Bischofskonferenzen stagniert, der Kurie fehlt es an modernen Führungsstrukturen, frische Luft braucht der Vatikan. Die christlichen Kirchen erfüllen die Abschiedsbitte Jesu, dass alle Eins seien, noch immer nicht – nicht nur bei uns in Deutschland nicht. Auch der Dialog mit der Orthodoxie kommt nicht zügig genug voran. Die Fragen, ob neben zölibatären Priestern auch viri probati, in Familie, Beruf und Kirche bewährte Männer, zu Priestern geweiht werden sollen, ob es ein Diakonat der Frauen geben wird, stehen auf der Tagesordnung. Auch hier steht zwar nicht ein Gebot Christi, aber eine alte ehrwürdige Tradition auf dem Prüfstand.

Wird der achte Papst, den ich erleben darf, noch einmal ein Europäer sein? Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass er erkennt, dass die Dominanz Europas auch in der Weltkirche zu Ende geht, dass auch für die katholische Kirche ein neues Zeitalter beginnt und dass die Gläubigen ihm in dieser Erkenntnis folgen.

 

Bernhard Vogel, geboren 1932 in Göttingen, Ministerpräsident a. D. und Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, ist einer der Herausgeber der Zeitschrift „Die Politische Meinung“.

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