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Einblicke aus vier Kontinenten

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Asien
Nirgendwo sonst auf der Welt wird das Internet von so vielen Menschen genutzt wie in Asien-Pazifik. Nach Schätzungen der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) kommt knapp die Hälfte der 2,7 Milliarden Internetnutzer (Stand: 2013) aus der Region (46 Prozent). Doch so beeindruckend die Zahl auch sein mag: Nicht einmal ein Drittel (31,9 Prozent) der Menschen zwischen Afghanistan, Japan und Neuseeland nutzt das weltumspannende Netz bisher.

Die Unterschiede von Land zu Land sind riesig. In Myanmar und Ost-Timor verfügt noch nicht einmal ein Prozent der Einwohner über einen einigermaßen stabilen Internetzugang. Selbst Geschäftsreisende in internationalen Hotels sollten dort nicht allzu viel „Konnektivität“ erwarten. Dagegen ist das Internet aus Ländern wie Singapur, Japan, Südkorea, Australien oder Neuseeland mit Zugangsraten von achtzig Prozent aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Auffallend ist die intensive Nutzung des mobilen Internets in den hoch entwickelten asiatischen Staaten. In Singapur besitzt rechnerisch jeder Einwohner 1,23 mobile Breitbandanschlüsse, in Japan sind es 1,13, in Südkorea 1,06. Das Smartphone ist überall präsent – je größer, desto besser. In Asien rangieren die sozialen Netzwerke auf der Beliebtheitsskala ganz oben. In Indonesien beispielsweise twittern 64 Prozent der mobilen Internetnutzer (in Deutschland acht Prozent), wobei sich Facebook, Twitter & Co. mittlerweile einen munteren Wettbewerb mit Messenger-Diensten wie WhatsApp, Line und WeChat liefern, die ebenfalls sehr erfolgreich um die Zeit der Nutzer buhlen. Ob im Restaurant, in der Schule oder im Taxi – überall wird gechattet, bis die Fingerkuppen qualmen. Zweiter großer Trend: Mobile-Gaming. Der virtuelle Wettbewerb zwischen den Smartphone-Besitzern ist ein beliebter Zeitvertreib. Die Angebotspalette reicht von Denk- und Geschicklichkeitsspielen bis hin zu Sportsimulationen und Ego-Shootern. Am Abend nutzen viele Pendler die U-Bahn-Fahrt nach Hause auch, um die im TV-Programm laufenden Daily Soaps live auf ihr Smartphone zu streamen. So ist es nicht verwunderlich, dass der durchschnittliche Asiate monatlich ein Datenvolumen von mehr als einem Gigabyte über sein Smartphone abruft (Stand: September 2013). Im Vergleich dazu wirken die 443,5 Megabyte der Amerikaner oder 358,4 Megabyte der Europäer eher bescheiden.

Doch auch in weniger entwickelten Ländern Asiens spielt das mobile Breitband-Internet eine wichtige Rolle. Bestes Beispiel: Indien. Auf dem Subkontinent nutzen noch nicht einmal fünfzehn Prozent der Menschen das Netz. Grund ist die schlechte Infrastruktur. Das soll sich durch den kostengünstigeren Ausbau des mobilen Internets ändern. Laut McKinsey soll die Internet-Zugangsrate bis 2015 auf 35 Prozent steigen – knapp achtzig Prozent davon durch Smartphones.


Torben Stephan Leiter des KAS-Medienprogramms Asien, Auslandsbüro Singapur der Konrad-Adenauer-Stiftung


Afrika
Insbesondere die schwache Infrastruktur hat eine Verbreitung des Internets in Subsahara-Afrika lange Zeit behindert. Nun ändert sich das mit zunehmender Geschwindigkeit: Internetfähige Mobiltelefone ermöglichen einen Netzzugang, der stromsparend und vor allem kostengünstig ist. Zwar liegt Afrika mit einer Internet-Zugangsverbreitung von sechzehn Prozent gegenüber anderen Kontinenten weit zurück. Doch ein Drittel aller Zugriffe erfolgt bereits über mobile Endgeräte (Quelle: Statcounter) – ein Wert, mit dem nur noch Asien mithalten kann.

Natürlich erfreuen sich etablierte soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter zunehmend großer Beliebtheit, doch die neuen Möglichkeiten haben auch eine Vielzahl originär afrikanischer Lösungen hervorgebracht: Südafrikanische Schüler holen sich im sozialen Netzwerk „Mxit“ bei „Dr Math“ für den Bruchteil von Cent-Beträgen Mathe-Nachhilfe. Kenianische Wähler markieren beim interaktiven Kartendienst „Ushahidi“ in Echtzeit, wo es nach den Wahlen zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt. Und in Simbabwe umgeht der Whistleblower Baba Jukwa die staatlich kontrollierten Medien, indem er seine Indiskretionen aus dem Innenleben der Regierungspartei mit mehr als 400.000 Facebook-Freunden teilt.

Vor allem in Kenia ist das Internet zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Der IT-Sektor hatte dort in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts das größte Wachstum aller Wirtschaftszweige zu verzeichnen, es lag bei 23 Prozent. Gleichzeitig ist das Mobiltelefon dort über den Service mPesa zu einem wichtigen Zahlungsmittel geworden. Scheinbar halten auch die autoritäreren Regierungen in Afrika diese Möglichkeiten für wichtig, zumindest verhalten sie sich bei der Zensur des Internets im globalen Vergleich eher zurückhaltend. In einem entsprechenden Bericht von Reporter ohne Grenzen werden lediglich Äthiopien sowie Nord- und Südsudan im Bereich Subsahara-Afrika als „Feinde des Internets“ bezeichnet.


Christian Echle, Leiter des Medienprogramms Subsahara-Afrika Auslandsbüro Johannesburg der Konrad-Adenauer-Stiftung

 

Südosteuropa
Die Balkan-Region holt digital auf. Mit hoher Geschwindigkeit Richtung Europa – das wollen viele Länder des Balkans. Entweder sind sie schon EU-Mitglied, wie Bulgarien, Kroatien und Rumänien, oder sie streben die Mitgliedschaft an.

Auch im digitalen Bereich holen die südosteuropäischen Länder auf. Mehr als die Hälfte der Bürger nutzen das Internet, zeigen US-Statistiken und Zahlen der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU). Der Wert liegt bei 53 Prozent und damit noch weit entfernt von den circa 75 Prozent in Deutschland, aber für die jüngere und urbane Bevölkerung sowie Vertreter von Berufen mit akademischem Hintergrund ist das Netz unverzichtbar geworden. In Bulgarien und Rumänien steht ein höheres Download-Tempo zur Verfügung als im EU-Durchschnitt.

Handys sind im Vergleich mit den „alten“ EU-Ländern noch wichtiger, da manche Regionen per Telefonkabel noch nicht optimal erschlossen sind und vor allem junge Menschen zunehmend auf das Festnetz verzichten. Wie in anderen Teilen Europas gibt es mehr Handy-Abos als Einwohner. In Serbien etwa sind ähnlich wie in Deutschland 1,3 Mobiltelefone pro Kopf der Bevölkerung vorhanden – der Trend zum Zweithandy oder zu einer separaten Datenkarte hält an (Quelle: unter anderem ITU).

Jeder dritte Handynutzer hat inzwischen eine schnelle UMTS-Verbindung, und in den Hauptstädten breitet sich der noch schnellere LTE-Standard aus. Zum Lebensstil vor allem junger Großstädter gehört wie in Westeuropa, in den USA und in Asien ein modernes Marken-Smartphone mit Multimedia-Fähigkeiten.

Soziale Netzwerke werden mindestens so intensiv genutzt wie in Deutschland. Sechs Balkanländer sind überdurchschnittlich aktiv: Serbien, Mazedonien, Montenegro, Albanien und Bulgarien. Bosnien und Moldawien zählen zu den Schlusslichtern, aber auch hier zeigt der Trend nach oben. Facebook und Online-Medien sind für viele Menschen eine immer wichtigere Informationsquelle – nicht nur für Privates, auch für Politik. News-Portale füllen Lücken in der polarisierten Medienlandschaft, und über Facebook werden Protestmärsche koordiniert.


Christian Spahr, Leiter des Medienprogramms Südosteuropa, Auslandsbüro Sofia der Konrad-Adenauer-Stiftung


Lateinamerika
Auf keinem Kontinent wachsen Twitter und Facebook so schnell wie in Lateinamerika. Schon bald werden die Latinos weltweit den ersten Platz unter den Facebook-Nutzern einnehmen. Das prognostizieren die unabhängigen Marktforscher von „eMarketer“.

Der Zugang zum Internet ist in den meisten Ländern Lateinamerikas kostengünstig. Smartphones sind stark verbreitet. Es gibt allerdings noch erhebliche Unterschiede bei der Nutzungsintensität zwischen Stadt und Land. Aber die Bresche zwischen Arm und Reich ist in Lateinamerikas sozialen Netzen schon abgeschafft: eine klassenlose digitale Gesellschaft. Gleichzeitig setzen Regierungen, die sich selbst als Akteure im „Klassenkampf“ verstehen, sehr viel daran, Fernsehen, Radio und Zeitungen zu kontrollieren, um sie „in den Dienst des Proletariats“ zu stellen. Wo deshalb – wie in Kuba und Venezuela – die traditionellen Medien nicht mehr funktionieren, schaffen Facebook und Twitter eine Gegenöffentlichkeit.

Ein prominentes Beispiel ist der Fall der jungen Schneiderin Marvinia Jiménez aus Valencia in Venezuela. Bei einem Protest am 24. Februar 2014 wurde sie von einer Polizistin der Guardia Nacional zu Boden geworfen. Die Polizistin setzte sich auf ihren Oberkörper, schnallte ihren Helm ab und schlug damit zweimal gegen den Kopf der wehrlosen Demonstrantin. Den dritten Schlag stoppte ein anderer Polizist.

Am selben Tag wurden zwei Amateur-Videos (www.youtube.com watch?v=ls_WbABCD4s, www.youtube.com/watch?v=fn74MZBnDJA, www. youtube.com/watch?v=Lp2k739e6_I) und eine Fotoserie des Vorfalls auf Twitter und Facebook veröffentlicht und verbreiteten sich rasant. Die Regierung sah sich zur Strafverfolgung veranlasst. Die Polizistin war von Facebook-Nutzern identifiziert worden, die Fotos aus ihrem privaten Profil mit anklagenden Kommentaren verbreiteten. Die kollektiv generierte Rundumperspektive der Tat beschäftigte die Öffentlichkeit tagelang – unter anderem in Form von Karikaturen. Eine Karikatur von WEIL (Tal Cual, 26. Februar 2014) zeigt im Hintergrund Venezuelas Staatspräsidenten Nicolás Maduro, der dazu auffordert, friedlich Karneval zu feiern; im Vordergrund steht die prügelnde Polizistin.


Georg Eickhoff, Auslandsbüro Montevideo der Konrad-Adenauer-Stiftung

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