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Zum Alltag des Mitarbeiters der Konrad-Adenauer-Stiftung in Afghanistan

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Ein Soldat, im Wüstentarnanzug mit Helm, Schutzweste und Waffe, vor karger Landschaft. Verwackelte Bilder einer grauen Stadt mit Rauchsäulen im Hintergrund: So sehen die meisten Deutschen Afghanistan, denn sie kennen die Fernsehbilder und Fotos aus den Zeitungen, wenn wieder irgendwo ein Anschlag passiert ist. Doch was heißt es, in Kabul zu arbeiten und keine Uniform zu tragen? Keine Patrouille zu fahren oder Minen zu räumen?

Seit elf Jahren sind die Deutschen hier. Und neben den Soldaten, die in Mazar-i-Scharif und in Kabul für Sicherheit sorgen sollen, arbeiten zahlreiche Vertreter ziviler Organisationen im Land, denn es geht um mehr als den Schutz vor Anschlägen. Allein die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) verfügt über 300 entsandte Mitarbeiter vor Ort, dazu kommen das Goethe-Institut, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und eben auch wir, die Politischen Stiftungen. Ziel der Arbeit ist es, vereinfacht gesagt, die afghanische Gesellschaft auf allen Ebenen in die Lage zu versetzen, einen funktionierenden Staat aufzubauen. Und dazu gehört anderes als nur die Entwaffnung der Aufständischen: Bildung, Verwaltung, Infrastruktur, wirtschaftliche Entwicklung beispielsweise. Dafür sind zivile Experten nötig, in vielen Feldern, von akademischer Lehre bis zur Müllentsorgung.

Die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung konzentriert sich auf drei Bereiche: die Ausbildung von Journalisten des staatlichen Fernsehens Radio Television Afghanistan, um eine unabhängige Berichterstattung zu fördern, die Unterstützung der Universitäten bei Forschung und Lehre zur Verbesserung des Standards der Hochschulausbildung und schließlich die Ausbildung junger afghanischer Diplomaten in den Bereichen Politische Bildung sowie Friedensund Konfliktforschung. Die Ziele sind ambitioniert, der Weg zu ihnen ist oft steinig – Erfolge und Rückschläge halten sich die Waage. Was das in der Praxis heißt, werde ich oft gefragt, und die Antwort ist: nichts anderes als in vielen Entwicklungsländern, nur mit noch mehr Einschränkungen; die meisten davon sind der noch immer fragilen Sicherheitslage geschuldet.

 

Sicherheitsmaxime: „Low Profile“

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat ein Büro mitten in Kabul, ein ehemaliges Wohnhaus, umgeben von einer hohen Mauer. Kein Schild weist darauf hin, wer dahinter sitzt – aus Sicherheitsgründen. Acht Mitarbeiter arbeiten hier, inklusive Fahrer und Wächtern. Ich bin der einzige Deutsche vor Ort. Hinter der Mauer läuft ein ganz normaler Büroalltag: Mitarbeiterbesprechungen, E-Mails beantworten, Abrechnungsfragen, Planung von Bildungsmaßnahmen, Gesprächstermine, Telefonate. Jeden Morgen gibt es ein kurzes Sicherheitsbriefing. Die giz unterhält in Kabul ein Risk Management Office, das auch für uns zuständig ist. Von dort werden Nachrichten und Hinweise darauf verschickt, wenn es Anschlagswarnungen gibt, wo Demonstrationen geplant sind und welche Stadtviertel man besser meiden sollte. Das ist wichtig, wenn man unterwegs ist zu den Partnerorganisationen, in die Deutsche Botschaft, zu afghanischen Behörden – immer mit vorheriger Anmeldung, mit Dienstpass in der Tasche und mit dem Fahrer. Auch am Auto gibt es keinen Hinweis auf die Institution. „Low profile“ heißt das beim Risk Management.

Regelmäßig werden von der Konrad-Adenauer-Stiftung Seminare und Workshops veranstaltet, geleitet von lokalen Experten, aber auch von uns selbst. Das sind Vorlesungen an der Universität, Seminare mit künftigen Diplomaten, auch Veranstaltungen in den Provinzen gehören dazu. Aus dem so gewonnenen Wissen werden Berichte geschrieben, Artikel für Publikationen, es gibt Presseinterviews und Stellungnahmen. Rund 5.000 deutsche Soldaten sind in Afghanistan stationiert; das Interesse an diesem Einsatz ist daher nach wie vor groß.

Lieb gewordene Annehmlichkeiten, die unser deutsches Alltagsleben bietet, fehlen in Afghanistan. Was uns selbstverständlich ist und unser Leben zu Hause spontan macht, muss lange vorausgeplant werden. Der Generator muss immer genug Diesel haben, falls der Strom ausfällt; das Auto muss zu jeder Zeit funktionsfähig sein, für Geld muss man Schecks ausschreiben. Viel Zeit verwendet man, um zu erklären, warum man für alles eine Quittung braucht und warum jeder Euro genau abgerechnet werden muss. Genug Trinkwasser muss da sein, denn das etwas trübe Leitungswasser kommt aus dem eigenen Brunnen, Vorräte für eine Woche sind da, falls in der Stadt Anschläge verübt werden und man „festsitzt“. Gesprächstermine erfordern gründliche Planung, da die Sicherheitsrichtlinien der jeweiligen Partner oft sehr streng sind. Veranstaltungen können kurzfristig ausfallen, wenn es ernst zu nehmende Warnungen gibt. Und nach Einbruch der Dunkelheit geht niemand gern vor die Tür.

 

Gratwanderung zwischen Routine und Paranoia

Ich wohne in meinem Büro, aus mehreren Gründen: Es ist nicht leicht, eine Wohnung zu finden, in der Heizung und Wasserhahn funktionieren und die auch ein Mindestmaß an Sicherheit bietet. Der Weg zur und von der Arbeit kann zum Risiko werden. Die Freizeit in Afghanistan besteht im Wesentlichen aus dem Lesen von Büchern und dem Anschauen von Filmen auf DVD – eine Form der Isolation, die für viele Entsandte zur psychischen Belastung werden kann. Eine solche Lebensweise erfordert ein gewisses Maß an phlegmatischem Temperament.

Was braucht es noch? Man muss Sicherheitsrisiken erkennen können, darf keine Routine aufkommen lassen, aber auch nicht paranoid werden und überall Anschläge vermuten – eine Gratwanderung. Die Afghanen haben viel schlimmere Zeiten erlebt und sind durch unbestimmte Warnungen nicht aus der Ruhe zu bringen. Ist man als Ausländer übermäßig ängstlich, hat man den Respekt schnell verspielt.

Ergibt es Sinn, was wir hier tun? Ja, zweifellos. In jedem Land ist solide Bildung der Schlüssel zu erfolgreicher Entwicklung. Afghanistan hat jahrzehntelange Kriege erlebt, oft unverschuldet, als Spielball der Großmächte im Kalten Krieg. Die Menschen hier brauchen die Chance auf eine lebenswerte Existenz, auf Arbeit und Qualifikation. Wir Deutschen sind beliebt in Afghanistan, niemand unterstellt uns koloniales Anspruchsdenken und viele Projekte werden als echte Hilfe beim Aufbau des Landes wahrgenommen. Gute Voraussetzungen, um einen Beitrag für die Zukunft des Landes zu leisten, auch wenn das für den entsandten Mitarbeiter Einschränkungen und Opfer bedeutet.

Der Weg zu einer besseren Zukunft ist von vielen Rückschlägen begleitet, auch von vermeidbaren. Es dauert, bis auch die Machtelite des Landes verstehen wird, dass mit Korruption und Misswirtschaft langfristig kein Staat zu machen ist. Aber: Auch in Deutschland sind Demokratie und Wohlstand nicht über Nacht und ohne Hilfe von außen entstanden.

 

Tinko Weibezahl, Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Afghanistan

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