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In der zweiten Runde der finnischen Präsidentschaftswahlen ist die seit 2000 amtierende Präsidentin Tarja Halonen (62) für eine weitere, letzte Amtszeit wiedergewählt worden. Die Wahl wird auch für die Europäische Union von Bedeutung, wenn Finnland im Juli für sechs Monate die EU-Präsidentschaft übernimmt.
Die Überraschung bei dieser Entscheidung war allein der Umstand, dass die haushohe Favouritin von ihrem konservativem Mitbewerber Sauli Niinistö in eine Stichwahl gezwungen wurde, die sie nur wenig überzeugend mit 51,8% zu 48,2% gewinnen konnte.
Im ersten Wahlgang hatte die Kandidatin der Sozialdemokraten und der linken Allianz, die lange als populärste politische Führungspersönlichkeit seit der finnischen Unabhängigkeit 1917 galt, mit 46,3% nicht die erwartete absolute Mehrheit erhalten.
Sie verbesserte ihr Ergebnis dann um 5,5%, während der jetzige und künftige Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank Niinistö, dem nur Aussenseiterchancen eingeräumt wurden, seinen Stimmenanteil von ursprünglich 24,1% in der Stichwahl verdoppeln konnte.
Halonen hatte die Oberhand in 13 der 15 Wahldistrikte, Niinistö lediglich in Oulu und Vaasa.
Dass es am Ende für ihn doch nicht reichte, schreiben erste Analysen der zögerlichen Wahlbeteiligung der Wähler der Zentrums Partei zu, die traditionell mit Kokoomus (National Coalition Party) um die Wähler der bürgerlichen Mitte im Wettbewerb steht. Der Kandidat der Zentrums Partei, Ministerpräsident Matti Vanhanen, hatte im ersten Wahlgang nur 18,6% der Stimmen erhalten und anschliessend zur Wahl Niinistö´s aufgerufen.
Die Wahlbeteiligung betrug 77,1%, gegenüber 73,8% im ersten Wahlgang, wo es den Sozialdemokraten und der Linksallianz offenbar nicht gelungen war, ihre Anhänger zu mobilisieren, die von einem glanzvollen Sieg Halonens ausgegangen waren.
Der Wahlkampf um das höchste Staatsamt in Finnland, das dem Amtsinhaber wenig Einfluss auf die Innenpolitik, wohl aber auf die Aussenbeziehungen gibt, verlief nordisch diszipliniert. Meinungsverschiedenheiten wurden deutlich bei der Diskussion über die künftige Rolle des Präsidenten, die einige Parteien vollständig auf repräsentative Aufgaben reduzieren wollen. Auslöser waren unterschiedliche Auffassungen zur Sicherheitspolitik und Terrorismusbekämpfung. Hier brach Niinistö ein in den zurückliegenden Wahlkämpfen sorgsam gepflegtes Tabu, indem er offen für eine NATO-Mitgliedschaft Finnlands eintrat. Halonen dagegen begrenzte ihre Ausflüge in die internationale Politik auf die Forderung, die ohnehin tradtitionell engagierte Entwicklungshilfe ihres Landes noch weiter auszubauen.
Das sie mit dieser „weicheren“ Annäherung an die finnische Aussen- und Sicherheitspolitik vermutlich mehr Unterstützung erhalten hat, zeigen Meinungsumfragen, nach denen die Mehrzahl der Finnen von einer NATO-Mitgliedschaft befürchten, sie würde die Terrorgefahren für ihr Land erhöhen und nicht senken.
Niinistös Wirtschaftskompetenz und sein Ansehen als erfolgreicher, früherer Finanzminister haben offenkundig auf jene Wählerkreise attraktiv gewirkt, die die Erfolgsgeschichte der finnischen Volkswirtschaft und des damit einhergehenden Modells des Wohlfahrtstaates unter den Druck der demografischen Entwicklung und der Folgen der Globalisierung geraten sehen. Bei einer Arbeitslosenrate von 8,2% und einer wachsenden Abhängigkeit von einigen Technologieunternehmen wachsen Zweifel daran, ob Finnland seine ihm vom Weltwirtschaftsforum nunmehr bereits drei Jahre hintereinander zuerkannte Rolle als der Welt wettbewerbfähigste Volkswirtschaft wird aufrechterhalten können.
So mag die Präsidentenwahl auch einen Prozess des Umdenkens in der Innenpolitik einleiten, in dessen Folge die Parteien der bürgerlichen Mitte, insbesondere die regierende Zentrumspartei und die in der Opposition stehende Kokoomus, stärker zusammenrücken und zu gemeinsamen Programmen und Strategien für die Zukunft des Landes gelangen. Dass Ministerpräsident Vanhanen, der mit den Sozialdemokraten von Tarja Halonen eine Koalition bildet, zur Wahl des konservativen Mitbewerbers aufgerufen hat, mag ein erstes Zeichen dafür sein.
Thomas Bernd Stehling