Asset Publisher

Single title

Günstige Großwetterlage

by Michael Mertes

Für Zuversicht im Blick auf die israelisch-palästinensischen Verhandlungen gibt es gute Gründe

Verspricht der neue Anlauf zu direkten Gesprächen zwischen Israelis und Palästinensern Erfolg? Das fragten am 29. Juli 2013 – dem Tag des Beginns der Verhandlungen in Washington – der Österreichische Rundfunk (Ö1/ORF) und das Domradio Köln Michael Mertes, den Leiter der KAS Israel, für ihre Mittagsmagazine.

Asset Publisher

Ö1/ORF: Am Telefon ist der Nahostexperte Michael Mertes von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem. Herr Mertes, jetzt also ein neuer Versuch von Israel und den Palästinensern, einander näherzukommen. Warum sollte es diesmal besser laufen?

Michael Mertes: Ich denke, dass die Großwetterlage, dass die regionale Konstellation günstiger ist als in früheren Zeiten. Es hat zum einen, wie wir alle beobachten konnten, eine sehr intensive Reisediplomatie von US-Außenminister Kerry gegeben. Aber auch regional sind die Mächte aus der Arabischen Liga, die an einer Lösung besonders interessiert sind, vor allem die Saudis, sehr aktiv gewesen, um auf die Palästinenser Druck auszuüben, sich doch jetzt wieder mit den Israelis zusammenzusetzen.

Günstig ist auch die Schwächung der Hamas durch den Umsturz in Ägypten. Es gibt ja diese Spaltung innerhalb der Palästinensischen Gebiete zwischen der Fatah auf der einen Seite und der Hamas auf der anderen Seite. Die Schwächung der Hamas ermöglicht es jetzt der Fatah, wieder voranzuschreiten.

Und als letzten Punkt würde ich doch auch erwähnen, dass Ministerpräsident Netanjahu selbst in letzter Zeit immer wieder betont hat, die Zwei-Staaten-Lösung sei absolut erforderlich, um Israel als jüdischen Staat, als Staat mit einer jüdischen Mehrheit zu erhalten. Diese Mehrheit sei auf Dauer gefährdet – und damit auch der jüdische Charakter Israels –, wenn es nicht zu einer Zwei-Staaten-Lösung komme.

Ö1: Nun wird schon die Tatsache, dass wieder geredet wird, als Erfolg bezeichnet. Aber ist es mehr als ein Punkt für die amerikanische Auenpolitik, mehr als ein Punkt für die nicht gerade verwöhnte US-Regierung? Kann wirklich etwas Konkretes herauskommen?

Mertes: Natürlich ist das ein Punkt für die US-Regierung, die ja auf den vielen anderen Baustellen, wenn ich das so nennen darf, des Nahen Ostens nicht richtig voran kommt; ich erwähne nur Syrien. Da wollen sie natürlich ein Erfolgserlebnis auf einem kleineren Schauplatz haben – und das ist aus nahöstlicher Sicht ein kleinerer Schauplatz. Ich denke aber auch, dass die Beteiligten – ich habe eben Netanjahu erwähnt – wissen, dass die Gelegenheit im Moment günstig ist. Der Nahe Osten befindet sich in Aufruhr, und alle Beteiligten sind sehr daran interessiert, dass wenigstens an diesem Punkt etwas Stabilität eintritt.

Ö1: Die Nahostregion ist ein einziger Brandherd – wahrscheinlich eines der Argumente, warum die Israelis jetzt an den Verhandlungstisch kommen. Zähneknirschend hat man eine Vorbedingung erfüllt und die Freilassung von 100 Palästinensern beschlossen. Vor allem bei den Angehörigen von Anschlagsopfern stößt das auf Unverständnis. Hat Israel damit schon die Schmerzgrenze erreicht oder sind weitere Zugeständnisse denkbar?

Mertes: Es sind weitere Zugeständnisse nicht nur denkbar, sondern auch notwendig. Es gilt generell, dass beide Seiten Träume aufgeben müssen. Die israelische Seite muss den Traum aufgeben, dass sie sich größere Teile der Westbank einverleiben kann, und die palästinensische Seite muss zum Beispiel den Traum aufgeben, dass sie das Rückkehrrecht der Palästinenser realisieren kann. Wir müssen damit rechnen: Wenn es zu einem Kompromiss kommt, der auch von Israel natürlich Konzessionen verlangen wird, dann wird es in Israel erhebliche innenpolitische Auseinandersetzungen über das Ergebnis geben.

Ö1: Gegensätze gibt es nicht nur in Israel, bei den Palästinensern sind sie eigentlich noch größer, die sind ja nach wie vor gespalten. Wie sehr kann die gemäßigte Seite für alle Palästinenser sprechen, also auch für die im Gazastreifen?

Mertes: Ich glaube, dass man eine vernünftige Lösung für dieses Problem gefunden hat – nicht nur auf palästinensischer, sondern auch auf israelischer Seite –, indem man gesagt hat: Das Ergebnis der Verhandlungen wird dem Volk in einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt. Aus palästinensischer Sicht ist das eine sehr vernünftige Lösung: Alle Umfragen, die auch die Konrad-Adenauer-Stiftung in den vergangenen Jahren durchgeführt hat, zeigen eindeutig, dass eine große Mehrheit der Palästinenser sich eine Zwei-Staaten-Lösung wünscht und dass eine Mehrheit auch bereit ist, für dieses Ziel Kompromisse einzugehen.

Ö1: Heute Abend der Startschuss für neue Nahostverhandlungen – und vielleicht diesmal auch mit der Chance auf Erfolg. Vielen Dank, Michael Mertes von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Jerusalem!

Asset Publisher

comment-portlet

Asset Publisher