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Seminar

Die Beduinen in Israel – Probleme – Lösungen

Internationale Konferenz

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Bedrängt und bedürftig – Beduinen im Negev

Im Süden Israels in der Negevwüste leben nach Angaben des Central Bureau of Statistics (CBS) und dem Innenministerium Israels 138.000 Beduinen. Abweichend davon, ergeben die Zahlen des CBS zusammen mit den Daten des Regional Council for Unrecognized Bedouin Villages (RCUV) eine Anzahl beduinischer Einwohner im Negev von ungefähr 159.000 Personen.

Das CBS veröffentlicht jedoch keine Daten aus den illegalen, von offizieller israelischer Seite nicht anerkannten beduinischen Dörfern und Siedlungen. Die Nichtregierungsorganisation Adalah, welche sich für die Rechte der arabischen Minderheit in Israel einsetzt, beklagt darüber hinaus, dass die Beduinen betreffende Daten, nur ein negatives Bild dieser wiedergeben und dafür genutzt werden würden, die Beduinen als Bedrohung des Staates zu behandeln.

Die Anzahl der in den so genannten illegalen Siedlungen lebenden Menschen wird von Seiten des israelischen Innenministeriums mit 55.305 beziffert, während der RCUV eine Anzahl von 76.364 angibt (Stand nach 2002) . Mehr als die Hälfte der beduinischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Die Wachstumsrate der Bevölkerung in den nicht anerkannten Siedlungen beträgt dem RCUV zufolge insgesamt 5,86 % . Zum Vergleich betrug die jährliche Wachstumsrate der gesamten israelischen Bevölkerung im Jahre 2004 nur 1,8% .

24 Prozent der Einwohner in den nicht anerkannten Dörfern haben kaum oder nur eingeschränkten Zugang zu sauberem Wasser und Abwasserleitungen. Mit der Vorenthaltung von Wasser wird jedoch ein grundlegendes Menschenrecht verletzt. Schließlich benötigt der Mensch nicht nur täglich frisches Trinkwasser, sondern auch Wasser für seine persönliche Hygiene etc.

Zugleich entbehren viele Unterkünfte dieser Siedlungen einen Anschluss an das Stromnetz sowie den Zugang zu anderen wichtigen Infrastrukturen, genannt seien die Verfügbarkeit medizinischer Betreuung und der Zugang zum Bildungswesen.

Die Association for Civil-Rights in Israel (ACRI) führt ferner die in nächster Nähe zu einigen der illegalen Siedlungen liegenden Mülldeponien an, welche ein zusätzliches Sicherheits- und Gesundheitsrisiko für die Bewohner darstellen. Offene, in der näheren Umgebung befindliche oder direkt durch die Orte führende Abwasserleitungen verursachen zudem regelmäßige Plagen von Mosquitos und anderen Schädlingen.

Mit diesen Mängeln einher gehen akute Probleme bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung vor allem in den nicht anerkannten Siedlungen. „Physicians For Human Rights“ klagen nicht nur das generelle Fehlen medizinischer Strukturen in den Siedlungen, sondern auch Probleme bezüglich der Versorgung der Bevölkerung mit grundlegenden Medikamenten an. Da viele der Siedlungen bzw. die dort befindlichen „medizinischen Einrichtungen“ nicht an das Stromnetz angeschlossen sind, können dort keine Medikamente zum Einsatz kommen, welche einer Kühlung bedürfen, wie zum Beispiel Insulin.

Traurige Folge dieser Lebensumstände ist eine beispiellos hohe Säuglingssterblich-

keit (17,1 % im Jahr 2002, gegenüber 4,0 % im jüdischen Sektor) . Des Weiteren leiden Teile der Bevölkerung in den nicht anerkannten Dörfern an Unter- und Mangelernährung.

Nicht zuletzt werden die Bewohner dieser illegalen Siedlungen von Hauszerstörungen und Zwangsumsiedlungen in Planstädte durch die israelischen Behörden bedroht. Der knappe Wohnraum und eine überforderte Infrastruktur in den Planstädten, sowie die erzwungene Umsiedlung fort vom Stammland der Beduinenstämme lassen diese Regierungspläne zu keiner echten Lösung für die Beduinen der illegalen Siedlungen werden.

Die Lage in den sieben geplanten und anerkannten Beduinenstädten stellt sich aufgrund des ihnen zugeteilten Landes als schwierig dar, da das Platzangebot keinen organisierten Ausbau und keine Erweiterung der Städte erlaubt. Zudem bieten diese Städte kaum Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, so dass Arbeitsplätze, wenn überhaupt, lediglich außerhalb dieser Städte zur Verfügung stehen. Dort erfahren die Menschen wiederum systematische Diskriminierungen. Die Arbeitslosenquote im beduinischen Sektor wird auf 55% der Erwachsenen geschätzt, wobei sie bei den Männern bei 30% und bei Frauen um die 80 % liegen soll.

Wie oben bereits erwähnt gibt das CBS Daten, welche die nicht anerkannten Siedlungen betreffen, nicht heraus. Es stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen hat dieses Versäumnis für jene Ortschaften?

Die vom CBS erhobenen Daten werden zur Grundlage politischer Richtlinien und Entscheidungen auf regionaler Ebene verwand, d. h. Entscheidungen werden nach den festgestellten Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung in ihren Ortschaften getroffen.

Die Abwesenheit der illegalen beduinischen Siedlungen in den Erhebungen ist demnach nicht nur ein politisches Statement als Form der Negierung bzw. Nichtanerkennung ihrer Existenz. Vor allem hat dies Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in diesen Gebieten, die sich in einer Aberkennung fundamentaler Menschenrechte gegenüber der beduinischen Bevölkerung äußert.

Nicht zuletzt verletzt diese Ignoranz das Recht der Gleichheit aller vor dem Gesetz, da Gesetzesinitiativen und –anträge unter diesen Umständen nicht die Bedürfnisse aller Bevölkerungsteile mit im Blickfeld haben.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung gibt in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Beduinenforschung in Beer-Sheva das „Statistical Yearbook of the Negev Bedouin“ heraus.

Neben allgemeinen Fakten zur Demographie der beduinischen Bevölkerung, beinhaltet das statistische Jahrbuch Daten zu wirtschaftlich-sozialen Lebensbedingungen, Gesundheits- und Wohlfahrtswesen, Erziehung- und Ausbildungssituation, u.a..

Ergebnisse dieser Studien sind zum Beispiel die Illustration der außergewöhnlichen Bevölkerungsstruktur der Beduinengesellschaft im Negev. So waren zum Zeitpunkt der Erhebungen 25 Prozent der Bevölkerung unter vier Jahre alt und 1,3 Prozent gelten als alte Bevölkerung, während der Anteil der Untervierjährigen in der Gesamtbevölkerung bei 10,8 Prozent und bei den Alten bei 9,8 Prozent liegt. Das monatliche Durchschnittseinkommen der Familie eines Angestellten in Israel lag im Jahr 2000 bei 10988 NIS im Monat. Hingegen standen Familien in der Planstadt Rahat 4559 NIS und in der Ortschaft Segev Shalom nur noch 4301 NIS im Monat zur Verfügung.

Da zuvor kaum Informationen über die beduinische Einwohnerschaft im Negev zur Verfügung standen, bieten diese Forschungen nunmehr eine Grundlage zur Auseinandersetzung mit und zum Verständnis von zentralen Problemen der Beduinengesellschaft, wie sie in sozialen und ökonomischen Kontexten sowie beiden allgemeinen Lebensbedingungen der Beduinen vorliegen.

Damit füllt das Jahrbuch die Lücke, welche das CBS augenscheinlich bewusst offen lässt. Neben der Bereitstellung von „Basiswissen für politisches Gestalten“ wird die Lebenssituation der beduinischen Bevölkerung im Negev überhaupt in seiner Gesamtheit verlässlich erfasst. Die enthaltenen Daten sollen nicht nur politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung stehen, sondern auch Basisinformationen für fortführende Forschungen im Bereich der Beduinenforschungen bereitstellen.

Einen weiteren Ertrag des Kooperationsprojektes der Adenauer Stiftung mit dem Zentrum für Beduinenstudien stellt die Veröffentlichung der statistischen Untersuchung „Awareness and Utilization of Social, Health/Mental Health Services among Bedouin-Arab Women, Differentiated by Type of Residence and Type of Marriage“ von Prof. Al-Krenawi, Ben-Gurion Universität, dar.

Hierfür wurden nicht nur demographische Daten über die Frauen und ihre Familien erhoben, sondern auch Daten hinsichtlich ihres Ausbildungsstandes, ihrer Berufstätigkeit sowie Ehestandsdaten. Der den wirtschaftlichen Status betreffende Abschnitt der Untersuchung beinhaltet neben den objektiven auch subjektive Fakten, so zum Beispiel die Frage nach ihrer Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation und dem Einkommen. Weitere Datensätze betreffen die Bereiche des Gesundheits- und Sozialsystems und inwiefern die Frauen diese ihren Bedürfnissen entsprechend nutzen. Wichtige Unterscheidungsmerkmale innerhalb der Untersuchungsgruppe der Frauen stellen die Variablen der Eheform (monogame oder polygame Ehe), sowie der Form des Wohnortes (illegal oder anerkannte Siedlung) dar.

Insgesamt zielt die Untersuchung darauf ab, die Lebensumstände und Lebenszufriedenheit der Frauen näher zu ergründen.

In der beduinischen Gemeinschaft finden wir noch heute eine traditionelle, hierarchisch-patriarchalische Lebensweise vor, in der das Individuum hinter den kollektiven Interessen des Stammes zurück stehen muss.

Beduinische Frauen sind Gegenstand verschiedener Konfliktfelder. Einerseits sind sie verwurzelt in und abhängig von den althergebrachten Familienstrukturen, welche ihnen kaum persönlichen Freiraum und Entwicklungsmöglichkeiten offen lassen. Andererseits erfahren sie die alltäglichen Schwierigkeiten und Benachteiligungen als Mitglied der beduinischen Minderheit.

So beklagt der CEDAW-Bericht vom Juli 2005 die miserablen und eingeschränkten Lebensbedingungen beduinischer Frauen im Negev, welche kaum oder keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, Bildungs- und Gesundheitswesen haben. Darüber hinaus wird besonders die Situation in den illegalen Siedlungen angemahnt, da die dort lebenden beduinischen Frauen in ärmlichsten Wohnverhältnissen existieren müssen, mit keinem oder eingeschränktem Zugang zu Wasser, Strom, sanitären Einrichtungen und Gesundheitspflege. Weiterhin werden stärkere Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots der Polygamie und des Mindestalters für Heirat gefordert.

Die Untersuchung Al-Krenawis, welche die Lebenssituation beduinischer Frauen im Fokus hat, ergänzt damit den Informations- und Wissensstand über beduinisches Leben um den privaten, vor allem weiblichen Bereich. Wie die Daten des Statistischen Jahrbuches sollten nun diese Erkenntnisse zur Verbesserung der Lage und Lebenssituation, in diesem Fall der Frauen, nutzbar gemacht werden.

Im Ergebnis lassen sich folgende Forderungen zusammenfassen: Es ist notwendig, die beduinische Gemeinschaft an die Bedürfnisse und Erfordernisse der modernen Gesellschaft heranzuführen. Polygamie, so zeigte Al-Krenawis Analyse, hat einen negativen Einfluss auf die Familiensituation im Allgemeinen, aber auch auf die Individuen und ihre Lebenszufriedenheit im Besonderen. Neben der Forderung nach Arbeitsmöglichkeiten für Frauen steht die Forderung nach Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten für Frauen im Mittelpunkt. Es muss diesbezüglich angemerkt werden, dass die in den illegalen Siedlungen lebenden Frauen einen noch geringeren Bildungsstand aufweisen als Frauen in anerkannten Siedlungen.

Der Staat Israel kennt zwei Schulsysteme, ein jüdisches und ein arabisches System. Dabei unterscheiden sich nicht nur die Lehrpläne und Lehrinhalte voneinander, sondern auch die Bedingungen unter denen die jeweiligen Schüler lernen. So benötigen arabische Schüler weitaus mehr Klassenräume , als ihnen aktuell zur Verfügung stehen. Besonders in der Negevregion sind die vorhandenen Räume zudem oft in einem beklagenswerten Zustand, sofern die Siedlungen, hier vor allem die nicht anerkannten, überhaupt über entsprechende Gebäude verfügen. Der Unterricht muss daher häufig in baufälligen Gebäuden oder alternativ in privaten Räumen abgehalten werden. Ein weiteres Problem stellen die meist weiten Wegstrecken zu den Schulen dar. So legen manche Schüler mehr als 50 Kilometer Strecke für den Schulweg zurück. Man muss sich hierbei vor Augen führen, dass durch die weiten Distanzen gerade Mädchen der Besuch von Schulen ungleich schwerer gemacht wird.

Die Konrad Adenauer Stiftung setzt an dem Punkt der Förderung und Ermöglichung von Bildung an. Seit dem Jahr 2002 unterhält die Stiftung ein Programm zur Eingliederung in das akademische Bildungssystem für Beduinenschüler im Negev.

Ziel dieses Programms ist die Verbesserung der akademischen Leistungen der beduinischen Schüler, welche ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt bzw. in ihrer akademischen Laufbahn erhöhen soll. Zu diesem Zweck erhalten die Schüler in den Schulen Sonderunterricht in Hauptfächern des Abiturs, sowie bei Bedarf Sonderunterricht in Hebräisch. Weiterhin sind wöchentliche Kurse an der Ben-Gurion Universität ein Bestandteil des Programms. Fünf Stunden pro Woche belegen die Schüler Kurse aus den Bereichen Technologie und Naturwissenschaften.

Das Studienjahr 2004-2005 begann mit 900 Schülern der 10., 11., und 12. Klasse, während im ersten Jahr „nur“ 200 Programmteilnehmer gezählt wurden.

Vor allem Frauen machen von diesem Angebot regen und erfolgreichen Gebrauch. So stieg der Frauenanteil bei den Teilnehmern des Programms. Ebenso stieg auch der Anteil der Beduinenstudentinnen an der Ben-Gurion Universität von 44 im Jahr 1998 auf 217 im Jahr 2004 an. Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass Frauen in zunehmenden Maße die Chance ergreifen, sich durch eine universitäre Ausbildung Freiheiten zu schaffen und sich den Weg aus ihrer traditionellen Gemeinschaft bahnen.

Durch ihre Förderungen und Aktivitäten versucht die Adenauer Stiftung in Jerusalem einen Beitrag zur Verständigung mit den und Integration der Beduinen in Israel zu leisten. Als Bürger dieses Staates müssen ihnen die gleichen Chancen, Wege und Lebensbedingungen zur Verfügung stehen, wie jedem anderen israelischen Staatsbürger auch.

Literatur

Al-Krenawi, Alean: Awareness and Utilization of Social Health/Mental Health Services among Bedouin-Arab Women, Differentiated by Type of Residence and Type of Marriage, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Negev Center for Regional Development, Ben Gurion University of the Negev & The Center for Bedouin Studies & Development, Beer-Sheva, 2004

Association for Civil-Rights in Israel (ACRI): The Bedouins in Israel: A Special Report, by Yashuvi, Naama, November 1998 Siehe: http://www.acri.org.il/english-acri/engine/story.asp?id=99 (10/10/2005)

Association for Civil-Rights in Israel: Bedouin Children Have the Right to Education Within Their Village, Update 2002, unter: http://www.acri.org.il/english-acri/engine/story.asp?id=98 (10/10/2005)

Coursen-Neff, Zama: Discrimination against Palestinian Arab Children in the Israeli Educational System, in: International Law and Politics, Vol.36:749, 2004

Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Thirty-third session, 5-22 July 2005, Concluding comments: Israel; siehe:

http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/cedaw33/conclude/israel/0545042E.pdf (10/10/2005)

El-Sana, Morad: The Official Data on the Absent-Present Arab Bedouin, in: Addalah´s Newsletter, Volume 14, June 2005

Global IDP Project: Israel: displaced Arabs have little grounds for optimism, despite small Bedouin success, 2.June 2005. Siehe: www.idpproject.org (10/1 0/2005)

Länderbericht Israel der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Europäische Nachbarschaftspolitik:

http://europa.eu.int/comm/world/enp/pdf/country/Israel_11_May_DE.pdf (11/10/2005)

Norwegian Refugee Council/ Global IDP Project: Profile of Internal Displacement: Israel. Compilation of the information available in the Global IDP Database of the Norwegian Refugee Council (as of 2 June, 2005), siehe unter: http://www.db.idpproject.org

The Center for Bedouin Studies and Development: Newsletter, Volume 5, Spring 2005

Statistical Yearbook of the Negev Bedouin 2004, Center for Regional Development, Ben Gurion University of the Negev & The Center for Bedouin Studies & Development, Beer-Sheva, 2004

Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV): http://www.gfbv.ch

The Association of Fourty: http://www.assoc40.org

Interessante Informationen auf den Seiten der Physicians For Human Rights: http://www.phr.org.il

http://www.beduinen-online.de

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Ben Gurion Universität des Negev, Beer Sheva

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Dr. Lars Hänsel

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