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„Things could be worse“: Der Dialog zwischen Israelis und Palästinensern geht weiter!

Die jüngsten Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Konflikt, insbesondere der innerpalästinensische Bruderkampf zwischen der radikal-islamitischen Hamas und der moderaten Fatah, der andauernde Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen auf israelisches Territorium und der Einsatz „Gegossenes Blei“ als militärische Antwort Israels, haben sich die Rahmenbedingungen für einen Friedensprozess im Nahen Osten dauerhaft verändert.

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Hinzu kommt eine neue politische Situation in Israel nach den letzten Knessetwahlen, die aller Voraussicht nach eine rechtsgerichtete Regierung unter Führung Benjamin Netanjahus (Likud) hervorbringen wird. Auf internationaler Ebene wird von dem neuen US-Präsidenten Barak Obama eine neue Nahost-Strategie erwartet. Irans potentielles Streben nach einer nuklearen Bewaffnung wirkt sich ebenfalls auf die regionale Sicherheitssituation aus.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltete zusammen mit dem Israel-Palestine Center for Research and Information (IPCRI) eine Konferenz unter dem Titel „Understanding and Planning for New Factors Affecting the Israeli-Palestinian Conflict" vom 27. bis zum 28. Februar in Nazareth. Israelische und palästinensische Experten analysierten gemeinsam in zwei Arbeitsgruppen zu den Bereichen „Wirtschaft“ und „Politik“ die derzeitige Situation und diskutierten verschiedene Lösungsansätze.

Eine Perspektive für den Frieden?

Die Experten rückten die folgenden Fragen in den Mittelpunkt: Welche konkreten Auswirkungen haben die jüngsten Entwicklungen auf den israelisch-palästinensischen Friedensprozess und welche Friedensperspektive ist unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen realistisch?

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Der allgemeine Tenor der Konferenzteilnehmer lautete: „Things could be worse“. Trotz einer Konfliktverschärfung überwog eine realistische und pragmatische Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen für einen Friedensprozess. In der aktuellen Situation gehe es vor alle darum, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und den neuen Rahmenbedingungen begegnen. Eine Konfliktlösung sei in die Ferne gerückt – von Netanjahu wird keine rasche Zwei-Staaten-Lösung erwartet. Schon vor der Gaza-Krise galt die Umsetzung eines noch zu verhandelnden Abkommens über eine Zwei-Staaten-Lösung als unrealistisch. Jedoch biete seine Economic-Peace-Strategy eine realistische Grundlage für ein nachhaltiges Konfliktmanagement. Netanjahus Ansatz könne durchaus eine Grundlage für einen nachhaltigen Friedensprozess bilden, so die allgemeine Einschätzung der Konferenzteilnehmer. Welche Strategie die neue israelische Regierung unter Netanjahus Führung konkret verfolgen werde, hänge aber auch maßgeblich davon ab, welche Koalitionspartner in einer Likud-Regierung beteiligt sein werden.

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Die wohl größte Hürde für den Friedensprozess stelle jedoch der inner-palästinensische Konflikt zwischen der radikal-islamischen Hamas und der gemäßigten Fatah dar. Während einige Teilnehmer dies zu aller erst als inner-palästinensisches Problem betrachteten, das von den Palästinensern zu lösen sei, sprachen sich andere für eine aktive Strategie Israels und der internationalen Gemeinschaft aus, um eine palästinensische Einigung zu erzielen. Nur unter einer solchen Konstellation sei eine Zwei-Staaten-Lösung überhaupt möglich, so die Experten-Meinung.

Ungelöste Konflikte mit den Nachbarn Israels, so zum Beispiel mit Syrien, stünden einer Konfliktlösung im Wege. Es bestand ein weitgehender Konsens, dass die arabischen Nachbarstaaten Israels in den Friedensprozess einbezogen werden müssten und vor allem der potentiell nuklear bewaffnete Iran eine akute Bedrohung für den israelischen Staat darstelle und die Sicherheitssituation im Nahen Osten nachhaltig verändere. Dies mache eine regionale Friedensstrategie erforderlich. Anderen regionalen Akteuren komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Insbesondere Ägypten könne bezüglich einer Lösung für die vielschichtigen Problematiken im Gazastreifen einen wesentlichen Beitrag leisten. Doch auch der Türkei wird eine positive Rolle zugeschrieben.

Mit dem Economic-Peace zum Erfolg?

Zollunion oder Freihandelsabkommen – wie werden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und der PA in der Zukunft aussehen? Welche Schritte können jetzt konkret unternommen werden, um die wirtschaftliche Situation in der PA zu verbessern?

Diesen Fragen wurden in der Wirtschaftsgruppe nachgegangen. Als kleines Wirtschaftsland sind die Palästinenser vom Export abhängig. Die Teilnehmer waren der Ansicht, dass eine Zollunion mit Israel für die Palästinenser zwar finanziell am vorteilhaftesten sei, doch mit einem ungleich kleineren Wirtschaftsvolumen würden die Bedingungen vom wirtschaftlich stärkeren Israel diktiert. Durch den Grenzzaun sei die Abschließung eines Freihandelsabkommens möglich und die nächst beste Option; zu beachten sei aber, dass damit die Abwicklung der Warenausfuhr aufwendiger und teurer werde (beispielsweise müsse ein Herkunftszeugnis beigebracht werden).

Die meiste Zeit wurde der Frage gewidmet, was in der jetzigen Situation unternommen werden könne, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dabei seien Gaza und die Westbank mit völlig verschiedenen Voraussetzungen zu trennen. In Gaza hänge viel davon ab, ob es zu einer Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas komme. Als erstes müsse in Gaza Wiederaufbau betrieben werden. Der Aufbau der Infrastruktur werde aber nur kurzfristig Arbeitsplätze schaffen.

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In der Westbank sei das größte Hindernis für den Handel die eingeschränkte Beweglichkeit aufgrund der Straßensperren. Um effektiv und schnell auf Terrorwarnungen reagieren zu können, liegt die Befehlsgewalt auf sehr niedriger militärischer Ebene. Dies sei aber auch gerade das Hindernis im Abbau solcher Straßensperren. Ein effektiver Handel sei so nicht möglich. Auch die reibungslose Ausfuhr sei nicht sichergestellt; oft blieben die Waren tagelang hängen. Unter solchen Bedingungen seien keine Investoren zu gewinnen.

Der am meisten Erfolg versprechende Absatzmarkt sei weiterhin Israel. Ägypten importiere sehr wenig aus dem Nahen Osten; Jordanien sei ein konkurrierender Markt. Der Welthandel sei für kleine Unternehmen kaum erreichbar. Im Gegensatz zu großen Unternehmen, die sich eine eigene Abteilung leisten könnten, die sich mit den Exportbedingungen auseinandersetze und das richtige Timing für den Absatz ihrer Produkte eruieren könne, hätten kleine Unternehmen nicht die notwendigen Ressourcen. Dazu kämen jetzt noch die Wirtschaftskrise und der damit einhergehende Protektionismus.

Ohne eine Änderung der politischen Rahmenbedingungen scheint momentan nur die Summe von kleinen Maßnahmen realistisch. Die Arbeitsgruppe schlug vor, man solle leichteren Zugang zu den wichtigen Touristenstädten (Jericho, Bethlehem) anstreben, damit die Touristen dort auch übernachten könnten. Weiterhin sollten Erlaubnisse für eine größere Anzahl von Arbeitern nach Israel für das Baugewerbe erteilt werden. Momentan arbeiteten 16.000 palästinensische Arbeiter im Baugewerbe in Israel; Bedarf für weitere 5.000 liege vor. Ein von Japanern initiierter Plan für eine trilaterale Industrie und Landwirtschaftszone solle umgesetzt werden. Großes Interesse besteht für die Palästinenser an der Wiedereröffnung der „Jerusalem Chamber of Commerce“. In Jenin könne das lokale Gewerbe gefördert werden, wenn man die bestehende Erlaubnis für die Einreise von arabischen Israelis zu Fuß auf eine Erlaubnis, mit dem eigenen Fahrzeug einzureisen, erweitern würde. Grundsätzlich seien auch Kooperationen kleiner Unternehmen mit Israelis sehr erfolgreich; die Produktion erfolge in der Westbank und der israelische Partner sorge für die reibungslose Überfuhr nach Israel und den dortigen Absatz. In Gaza müssten Projekte zur Infrastruktur initiiert werden, vor allem Straßen- und Häuserbau (Fenster seien äußerst notwendig) und Abwasseraufbereitung.

Neben diesen inhaltlichen Impulsen sendeten die Veranstalter und Teilnehmer der Konferenz in wichtiges symbolisches Signal: Der Dialog zwischen Israelis und den Palästinensern geht weiter, trotz den jüngsten Entwicklungen im andauernden Nahost-Konflikt.

Katja Tsafrir und Jan Schoofs

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