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Bedeutendes Medienecho auf KAS-Publikation

Rezension in „Haaretz“

Mit dem Wahlverhalten israelischer Araber bei den Knesset-Wahlen vom März 2006 beschäftigt sich ein Sammelband, der von KAS Jerusalem und ihrem Partner, dem Konrad-Adenauer-Programm für Jüdisch-Arabische Zusammenarbeit an der Universität Tel Aviv, herausgegeben wurde. Das Buch wurde jetzt von dem bekannten israelischen Journalisten Danny Rubinstein auf der prestigeträchtigen Literaturseite der führenden israelischen Tageszeitung "Haaretz" rezensiert.

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Untenstehend dokumentieren wir eine deutsche Übersetzung der Buchbesprechung, die am 31. Oktober 2007 erschienen ist (online hier).

HAARETZ – LITERATUR/Neue Bücher/Israelische Gesellschaft

Ist das eine Trennung (Hebräisch: Hitnatkut)?

Von Danny Rubinstein

Bei der 14. Wahl zur Knesset im Jahr 1996 haben 77% der israelischen Araber ihre Stimme abgegeben, im vergangenen Jahr waren es nur 56%.

Ein neuer Sammelband versucht dieses Phänomen zu analysieren und zu erklären.

Die arabische Minderheit in Israel und die 17. Knesset-Wahlen

Redaktion: Elie Rekhess. Herausgeber: Dayan Zentrum Universität Tel-Aviv, Konrad-Adenauer-Stiftung. 111 Seiten.

Die Wahlen zur 17. Knesset fanden in März 2006 statt; die vorliegende Artikelsammelung, die die Ergebnisse dieser Wahlen analysiert, wurde ein Jahr später publiziert, während welchem es etliche wichtige Entwicklungen in der Realität der israelischen Araber gab.

Es handelt sich um eine sehr wichtige Artikelsammelung, weil kein Mensch heute die Einschätzung bestreitet, dass die arabische Bevölkerung in Israel in der Zukunft eine zentrale Rolle bei der Bestimmung des Charakters des Staates Israel spielen wird.

Eine Erklärung für den komplizierten Status der arabischen Gemeinde in Israel liegt darin, dass es nicht immer ganz klar ist, wie sie genannt werden sollen: Bei der staatlichen Statistikregistrierung erschienen die Araber normalerweise als „Nichtjuden“, wobei alle wussten, was gemeint ist. Seit der Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion, in deren Zuge viele nicht jüdische Einwanderer ins Land kamen, verkomplizierte sich die Situation. In der alltägliche Sprache wurden sie „israelische Araber“ genannt und so auch in dieser Artikelsammelung (wobei manche der Verfasser den Begriff „die Araber in Israel“ befürworten, und der Unterschied ist klar).

Allerdings geht es in der Diskussion um einen sinnlosen Begriff. Vor der Gründung des Staates Israel in 1948 gab es einige Vorschläge, wie man den Staat nennen sollte: Judenstaat, Judäa usw. Der Name Israel wurde absichtlich gewählt, um den jüdischen Charakter des Staates zu betonen. Wenn man also „arabischer Israeli“ sagt, ist die Bedeutung folglich eigentlich „arabischer Jude“. Der Diskurs über die Möglichkeit zur gleichen Zeit arabisch und jüdisch zu sein, kann zu einer Verwirrung der Identitätsbegriffe führen: nationale, ethnische und religiöse – ein innerer Konflikt, der nicht aufgelöst werden kann.

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Das Titelblatt der Publikation.

Nach dem Krieg von 1967 wurden die Bewohner von Westbank und Gaza-Streifen „Araber aus den Gebieten (besetzten, befreiten usw.)“ genannt, um den Unterschied zwischen ihnen und den „israelischen Arabern“ zu betonen. Im Laufe der Zeit – eigentlich bis zum Oslo-Abkommen – wurde der offizielle Begriff „Palästinenser“ boykottiert. So oder so sehen sich schon seit Langem die israelischen Araber selbst als Palästinenser israelischer Staatsangehörigkeit. Das ist auch der übliche Begriff in der arabischen Welt.

Vor vielen Jahre schrieb ein palästinensischer Journalist, dass man die Palästinenser so wie Autos nach Modellen gliedern solle; die israelischen Araber sind das 1948er-Modell und die Araber aus den Gebieten sind das 1967er-Modell. Vielleicht war er der erste, der die israelischen Araber als „1948-Araber“ bezeichnete. Auf jeden Fall wird dieser Begriff meistens auf der palästinensischen Straße benutzt.

Nach meiner Erfahrung weiß ich, dass wenn Araber und Palästinenser neben einem Israeli auf einen israelischen Araber zeigen, sie normalerweise sagen „er ist einer von ihnen“ oder „Euer“, und das hat natürlich auch eine Bedeutung.

So wie die Bezeichnung der arabischen Gemeinde in Israel ein geladenes und zweideutiges Thema sein kann, gibt es diesbezüglich auch in Israel eine breite Palette von Meinungen. Es fehlt nicht an Israelis, die den israelischen Araber als „Krebs im Staatskörper“ ansehen. Es gibt hochrangige Vertreter in der Knesset und im Beamten-Apparat, die den Begriff in der Öffentlichkeit benutzen. Andere nennen sie „tickende Bombe“, was eine ähnliche Bedeutung hat. Der sensiblere Begriff, der sich im Rahmen des israelischen Konsensus befindet, ist „demographisches Problem“. Es gibt auch andere, die die positive Seite der israelischen Araber sehen wollen. Diese haben sie früher als „Die Brücke zum Frieden“ bezeichnet, aber nachdem viel Zeit vergangen war und es immer noch keinen Frieden gab, wurde es auch jenen klar, dass diese Brücke nicht funktioniert.

„Eine Brücke ist etwas, was man zertritt“ spottete mal ein arabischer Journalist, ähnlich wie die berühmte Aussage der Träges des Israel-Preises, Emil Habibi, der erwiderte, als ein Vorredner behauptete, es gebe in Israel eine jüdisch-arabische Koexistenz gibt: „Diese Koexistenz ist so wie jene zwischen einem Pferd und seinem Reiter.“

Aber die Frage ist, in welche Richtung marschiert die arabische Gemeinde in Israel und die vom Großteil der jüdischen Bevölkerung Israels als Bedrohung betrachtet wird? Zehn jüdische und arabische Forscher, die zu dem Buch je einen Artikel beigetragen haben, versuchen diese Frage zu beantworten durch die Erläuterung eines Phänomens: des Rückgangs der arabischen Wahlbeteiligung bei Knesset-Wahlen.

Die Daten sind klar und deutlich: Bei den 14. Knesset-Wahlen (1996), haben 77% Araber gewählt; zehn Jahre später, bei den 17. Knesset-Wahlen (2006) wählten nur 56%. In anderen Worten: Die Anzahl der wählenden Araber in Israel sinkt immer mehr ab.

Warum? Und was kann man daraus lernen? Auch bei den Juden gibt es einen Abstieg der Wahlbeteiligung und einen Anstieg der Protestwähler, wie etwa die Wahl der Pensionärs-Partei durch junge Israelis. Aber innerhalb der arabischen Bevölkerung ist das Problem deutlicher, sowohl quantitativ als auch ideologisch, weil es sich nicht nur um Gleichgültigkeit handelt, sondern um die Zustimmung zu den mehreren eindeutigen Aufrufen, die Wahlen zu boykottieren.

Warum passiert das? Es ist bekannt, dass die arabischen Parteien nie in die Koalition eingeladen wurden. „Alle Parteien sind koscher für solche Kooperation außer die arabischen. Diese Tatsache verstärkt die Frustgefühle und die Entfremdung und erneuert den Streit über die Effizienz der Teilnahme an den Wahlen“, schreibt Prof. Majd El-Haj von der soziologischen Fakultät an der Universität Haifa. „Es herrscht eine Enttäuschung über das politische Spiel in Israel (…), deswegen werden die Wahlen boykottiert und deswegen nimmt die Gleichgültigkeit zu“ erklärt Amal Jamal, Leiter der Politikwissenschafts-fakultät an der Universität Tel Aviv.

Der Rückgang der Anzahl der Wähler bei den Wahlen 2006 ist „eine beispiellose historische Wende“, zitiert der Herausgeber dieser Publikation, Elie Rekhess, den Forscher Assad Ghanem. Auch Raanan Cohen (ehemaliger Minister der Arbeitspartei) ist der Meinung, dass die Araber sich von der israelischen Politik entfernen, weil sie es nicht schaffen, ihren Status und ihre Situation durch parlamentarische Aktivitäten zu verbessern. Deswegen sehen sie ihrerseits keinen Sinn darin, für eine Institution abzustimmen, die rassistische Gesetzte ausarbeitet (als Beispiel genannt: der neue Gesetzentwurf, der dem Jüdischen Nationalfonds verbietet, Gründstücke an Araber zu verkaufen).

Alle Forscher sind sich einig, dass der Rückgang der arabischen Wahlbeteiligung die Entfremdung gegenüber dem Staat reflektiert. Diese Tendenz zeigt sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher innerhalb des arabischen Sektors. Ein Indiz hierfür ist die Dokumentenreihe, die vor einigen Monaten zum Thema „Die zukünftige Vision der palästinensischer Araber in Israel“ veröffentlicht wurde. Um die Inhalte der Vision-Dokumente in einem Satz zusammen zu fassen, kann man sagen: Sie fordern, den Staat Israel von einem Staat des jüdischen Volkes zu einem „Staat aller seiner Bürger“ zu wandeln. Derjenige, der dazu aufgerufen hatte, war der ehemalige Knessetabgeordnete Azmi Bischara, den man als arabischen Nationalisten betrachtet, wobei sein Verlassen Israels eine der dramatischsten Ereignissen für die israelischen Araber im vergangenen Jahr war.

Wenn die israelische Araber kein Vertrauen mehr für die Knesset aufbringen, die das demokratische Verfahren in Israel repräsentiert, an was glauben sie dann jetzt? Auch auf diese Frage geben die Forscher ähnliche Antworten. Ihrer Meinung nach geben heutzutage die israelischen Araber ihr Vertrauen einer Reihe von Vereinen, Organisationen und öffentlichen Einrichtungen, die von Arabern gegründet worden waren.

Josef Gabarin von der Jurafakultät in Haifa zählt in seinem Artikel ca. 20 solchen Einrichtungen auf: Staatlicher Verein der Behördenvorsitzenden, Follow-up-Komitee, verschiedene Zentren für Minderheitemrechte wie „Adallah“, „Mussawa“, „Kramma“, „Galiläa-Verein“, „Emil-Tumaa-Institut“, „Iben-Haldun-Verein“ und eine lange Reihe von anderen Einrichtungen in Bereichen wie Gesellschaft und Kultur. Die Dokumente der „zukünftigen Vision“ haben vier Einrichtungen aus dieser Liste veröffentlicht – nicht die Parteien und nicht die arabischen Abgeordnete.

Es könnte sein, dass diese Tatsache ein Beweis ist für die Schlussfolgerungen der Forscher: Die israelischen Araber empfinden die Aktivität im Rahmen dieser Vereine, innerhalb ihrer Gemeinden, als viel effektiver für ihre Zukunft als die Teilnahme an den Knessetwahlen, als ob diese mit ihnen nichts zu tun hätten.

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