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Internationales Recht als strategischer Vorteil

KAS-Minerva-Veranstaltung zu Völkerrecht in asymmetrischen Konflikten

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Mit der Rolle von Recht und Gesetz in asymmetrischen Konflikten befasste sich jetzt eine Diskussionsveranstaltung von Konrad-Adenauer-Stiftung und Minerva-Zentrum für Menschenrechte an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Unter der Themenstellung „Institutionelle Verpflichtungen im Kriegsrecht“ sprachen zwei ausgesprochene Experten auf diesem Gebiet: Professor Eyal Benvenisti von der Universität Tel Aviv und Oberst Pnina Sharvit-Baruch, Leiterin der Abteilung für Internationales Recht im Büro des Militärischen Generalanwalts der israelischen Armee.

Benvenisti identifizierte zu Beginn seines Referates eines der bedeutendsten Merkmale von asymmetrischen Konflikten zwischen regulären Armeen demokratischer Staaten und Guerillas und Terroristen: Die eine Seite habe vorab die strategische Entscheidung getroffen, sich an internationales Recht zu halten, während die andere diese vermeintliche Schwäche ausnutze und sich ihrerseits bewusst dagegen entscheide, sich an humanitäres Völkerrecht zu halten.

Was auf den ersten Blick wie eine Benachteiligung der demokratischen Armee erscheinen mag, ist laut Benvinisti in Wirklichkeit ein Vorteil – aus fünf Gründen: die Einhaltung von Recht und Gesetz hilft, Konflikte schneller zu beenden, sie verstärkt den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung und in der Weltöffentlichkeit, sie begrenzt die Verschwendung von Ressourcen und die Kosten für einen etwaigen Wiederaufbau, sie bedingt einen Anspruch auf Beidseitigkeit und stärkt vor allem die eigene moralische Position.

Als Reaktion auf das relativ neue Phänomen asymmetrischer Kriegsführung schlug Benvenisti die Schaffung eines neuen Straftatbestandes vor: „die Verbreitung und Förderung einer Ideologie, die das Verüben von Kriegsverbrechen unterstützt.“ Eine solche neue Kategorie von Verbrechen könne dazu beitragen, auch Guerillas völkerrechtlich zu belangen und die Attraktivität von irregulärer Kriegsführung für diese Gruppen zu senken.

Benvenisti betonte, dass die Einhaltung von Kriegsrecht im Kampfeinsatz eine gründliche Ausbildung und Vorbereitung von Soldaten erfordere. Truppen müssten darauf vorbereitet werden, binnen Bruchteilen von Sekunden erkennen zu können, welche Handlungsalternativen ihnen offenstehen. Eine solche Ausbildung ermögliche nicht nur eine humanere Kriegsführung, sondern reduziert auch die Unsicherheit der einzelnen Soldaten und mache sie so zu effektiveren Soldaten: „Wenn es darum geht, Opfer in der Zivilbevölkerung zu vermeiden, stimmen militärische und humanitäre Interessen überein.“

Dass es wichtig sei, Völkerrecht und seine Einhaltung auf allen Ebenen der Armee zu verankern, betonte auch Oberst Sharvit-Baruch. Seit 2000 – dem Ausbruch der sogenannten „Al-Aqsa-Intifada“ – habe sich auf diesem Gebiet notgedrungen sehr vieles entwickelt. So nähmen armee-eigene Rechtsberater mittlerweile an allen größeren Manövern der israelischen Armee (IDF) teil. Und während des Libanon-Krieges seien diese rund um die Uhr im Einsatz gewesen, um militärische Entscheidung zu beurteilen und juristischen Rat zu erteilen. Auch Sharvit-Baruch betonte, dass dies zu einem großen Teil aus Eigeninteresse geschehe: „Je mehr die Weltöffentlichkeit die israelische Armee als einen Akteur ansieht, der sich an geltendes Recht hält, desto mehr Unterstützung erhalten wir – und desto mehr Zeit haben wir, Operationen erfolgreich durchzuführen.“

Wie die juristische Ausbildung junger israelischer Soldaten praktisch aussieht, führte Sharvit-Baruch in einer eindrücklichen Präsentation vor: Die IDF hat eine spezielle, interaktive Software entwickelt, in der Rekruten u.a. Einspielfilme mit realistischen Einsatzsituationen gezeigt werden und dazu anschließend Fragen zu möglichen Handlungsalternativen gestellt werden. Die Software hat sich laut Sharvit-Baruch bei Armeen befreundeter Staaten bereits zu einem "Exportschlager" entwickelt.

Benvenisti äußerte abschließend seinen Wunsch, dass die IDF ein juristisches Handbuch mit bindenden Regeln für ihre Soldaten veröffentlichen möge, wie es die US-Armee bereits besitzt. Dies würde laut Benvenisti die Ausbildung der Soldaten weiter erleichtern, bei der gemeinsamen Erarbeitung einen Lernprozess bei Juristen und Militärs fördern und schließlich auch den Dialog zwischen Israel und der internationalen Gemeinschaft über das sich ständig weiterentwickelnde Völkerrecht voranbringen.

Rolf Behrens

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