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Event Reports

Minderheiten in Demokratien - Israel und Deutschland im Vergleich

by Eva Keeren Caro

Studienprogramm für Young Leaders-Delegation

Im Rahmen des Jubiläumsjahres rief die KAS Israel eine ganz besondere Initiative ins Leben: Eine Delegation deutscher Young Leaders war eingeladen, ein mehrtägiges Studien- und Informationsprogramm in Israel zu absolvieren und dabei die vielfältigen Facetten des Landes in Gesprächen mit lokalen Entscheidungsträgern und Experten kennen zu lernen. Das Besondere an der Delegation war dabei, dass es sich bei den eingeladenen Teilnehmern ausschließlich um Deutsche mit Migrationshintergrund und muslimischen Glaubens handelte.

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Als Teilnehmer des Studienprogramms hatte die KAS Israel zehn führende Köpfe und Multiplikatoren aus Deutschland eingeladen, die sich vor allem durch ihr Engagement im Bereich Integration von Minderheiten auszeichnen. Dazu gehörten neben der Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf MdB und Vertreterinnen aus dem Bundeskanzleramt auch Unternehmer sowie Teilnehmer, die sich im akademischen Leben, in der Extremismusprävention und in vielen anderen Bereichen engagieren.

Vier Tage lang führte die Delegation Gespräche mit israelischen Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Armee und Zivilgesellschaft und besuchte dabei neben Jerusalem auch die Städte Tel Aviv und Herzliya. Ziel des Programms war es, den deutschen Teilnehmern ein klareres Verständnis für die israelischen Herausforderungen zu vermitteln, während den hiesigen Gesprächspartnern hierdurch gleichzeitig ein Austausch mit Repräsentanten der deutschen muslimischen Community ermöglicht wurde. Damit konnten nicht nur Vorurteile abgebaut werden, sondern es wurden zudem enge Kontakte geknüpft, Synergie-Effekte entdeckt und Lösungsansätze für gemeinsame Herausforderungen diskutiert. Nicht nur zeigten sich die Teilnehmer der Delegation bereichert von ihren Eindrücken, Auch die sondern vor allem die israelischen Gesprächspartner waren beeindruckt von der Gruppe. In einer Zeit, in der in Israel der Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland skeptisch betrachtet wird, war dieser Effekt besonders wichtig. Damit wendet sich die KAS gegen die verbreitete Befürchtung in Israel, dass die historische deutsche Verantwortung für Israel in dieser „neuen Generation“ nicht gleichermaßen präsent ist und geteilt wird. Die Gruppe hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Antisemitismus auch bei jungen deutschen Führungskräften muslimischen Glaubens verurteilt wird.

Tag 1

Dr. Michael Borchard, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, führte die Gruppe zunächst mit einem politischen Briefing an die aktuelle Situation im Land heran. Er stellte darin, auch angesichts der anhaltenden Terrorwelle innerhalb des Landes und im der Westbank, zwei Unruheherde heraus, die für welche die Sicherheitspolitik Israels derzeit hauptsächlich bestimmend seien, namentlich Ostjerusalem und der Gazastreifen. In Jerusalem sei zu befürchten dass aus einem nationalen und territorialen Konflikt mit religiösen Dimensionen ein religiöser Konflikt mit nationalen Dimensionen werde. Da zweiteres kaum beherrschbar sei, sei eine Deeskalation so entscheidend wichtig. Was Ostjerusalem betrifft, so rechtfertige keine soziale Perspektivlosigkeit die Anwendung von Gewalt, auch führe soziale Benachteiligung nicht automatisch in den Terrorismus, aber die prekäre soziale Lage, insbesondere der jungen Generation spiele jenen in die Hände, denen wie Hamas, an einer Aufheizung der Lage gelegen sei.

Die Lage in Gaza zu stabilisieren liege auch in Israels Interesse, sdo Borchard, da eine „Implosion“ des Gazastreifens, die von UNWRA-Funktionären befürchtet wird, unabsehbare Folgen für Israel und die Westbank haben werde. Dies habe das israelische Militär bereits erkannt und spiele an der Grenze zu Gaza derzeit eine wichtige, stabilisierende Rolle. Inklusive der Lieferung von Baumaterial, trotorz der Gefahr, dass dieses Material für den Tunnelbau verwendet werde. Des Weiteren kritisierte er die anti-israelische Boykottbewegung, da diese lediglich dazu beitrage, dass sich das Land weiter isoliere.

Auf das umfassende Briefing besuchte die Delegation die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, von welcher sich die Teilnehmer sichtlich bewegt zeigten. Im Reflexionsgespräch wurde anschließend über die Frage diskutiert, ob sich ein Ereignis wie der Holocaust in Deutschland wieder ereignen könnte und wie wachsendem Antisemitismus durch Erziehung effektiver entgegengewirkt werden könne. Nach einer kurzen Pause zur „Verdauung“ des Gesehenen und Gehörten endete dDer erste Programmtag endete mit einem ausführlichen interreligiösen Tischgespräch mit Vertretern der großen Weltreligionen in Jerusalem. Dabei stellten Kadi Dr. Iyad Zahalka (Vorsitzender des Jerusalaem Sharia Court), Pfarrerin Gabriele Zander (Auguste Viktoria auf dem Ölberg), Pater Dr. Nikodemus Schnabel (Dormitio-Abtei)und Ofer Zalzberg (KUMU Council) in kurzen Impulsen ihre jeweiligen Sichtweisen auf spezifische Probleme, aber auch Perspektiven die Frage nach der Koexistenz der Religionen in der Heiligen Stadt.

Tag 2

Am zweiten Programmtag tauschte sich die Delegation zunächst mit Experten des Israel Democracy Institute (IDI) über demokratische Herausforderungen für Israel und Deutschland aus. Insbesondere kam dabei auch die Frage nach der Integration von Flüchtlingen aus nicht-demokratischen Staaten in das deutsche System zum Tragen. Eli Bahar, Leiter des Center for National Security and Democracy im IDI, betonte dabei, Einwanderer sollten nicht nur Rechte einfordern, sondern auch deren Fortbestand durch ihre Beteiligung am gesellschaftlichen Leben sichern.

Im Anschluss briefte der aus Berlin stammende Sprecher des European Desk der israelischen Armee, Major. Arye Shalicar, die Gruppe zu aktuellen sicherheitsrelevanten Themen und tauschte sich mit den Delegationsteilnehmern über das Thema „Identitäten“ und dessen Relevanz in beiden Ländern aus. Beeindruckt waren die Teilnehmer nicht nur von der inhaltlichen Auseinandersetzung, sondern auch von den Schilderungen, die Major Shalicar über seine Jugendjahre in Berlin-Wedding, seine Erfahrungen mit Ausgrenzung, aber auch mit Freundschaften zu muslimischen Bürgern mit Migrationsgeschichte zum Ausdruck brachte.

Im Rahmen eines gemeinsamen Mittagessens traf die Delegation mit dem Leiter des European Desk des israelischen Außenministeriums, Sammy Revel, zusammen. Dieser ging vor allem auf den aktuellen Stand der bilateralen Beziehungen mit Deutschland ein. Obwohl die Partnerschaft derzeit – vor allem auf Regierungsebene - auf festen Füßen stehe, sei ein steter Austausch innerhalb (vor allen Dingen jungen Generation) der Zivilgesellschaft von allergrößter Wichtigkeit, um gegenseitiges Verständnis und zukunftsfeste Beziehungen zu fördern. Des Weiteren sei es angesichts des politischen Chaos in der Region an der Zeit für Europa und Israel, eine „Koalition der Willigen“ zu schließen, um gemeinsamen Herausforderungen durch religiösen Extremismus und Gewalt effektiver entgegentreten zu können.

In den Räumlichkeiten der israelischen Knesset wurde die Gruppe im Anschluss gleich von drei Abgeordneten empfangen. Den Anfang machte den Anfang machte Knesset-Sprecher MK Yuli Edelstein, welcher sich sichtlich beeindruckt zeigte von den Biografien der Delegationsteilnehmer. „Auch die Knesset ist ein Ort der Minderheiten“, so Edelstein, welcher der im kommenden Monat zum ersten Mal Deutschland besuchen wird. Bevor sich MK Sharren Haskel (Likud) der gemeinsamen Diskussion über die aktuelle politische Lage in Israel stellte, begrüßte MK Nachman Shai (Ha-Avoda), Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe in der Knesset, die zehn Young Leaders zum Gespräch. Wie eng die deutsch-israelischen Beziehungen seien, könne man daran sehen, dass er alleine am diesem Tag mit sieben Gruppen von deutschen Politikern zusammenkommen werde, so der Abgeordnete. Er ermutigte die Gruppe zudem, es nicht bei dem aktuellen Besuch in Israel zu belassen, sondern die Beziehungen durch Folgebesuche zu intensivieren. Auch MK Sharren Haskel zeigte sich beeindruckt von ihren deutschen Gesprächspartnern und bot an, den Austausch im Rahmen ihres kommenden Berlin-Besuchs im November fortzusetzen.

Den Tag rundete ein Austausch mit Mitchell Barak ab, welcher der als Leiter des Meinungsforschungs- und Beratungsinstituts KEEVOON der Gruppe einen Überblick über politische Trends im Heiligen Land präsentierte. Nicht nur gab er der Gruppe Informationen zu Demografie, sozialer Struktur und Wahlverhalten in Israel mit auf den Weg, auch und dabei vor allem zeigte er politische Hindernisse für den Friedensprozess auf und analysierte die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure.

Tag 3

Am Mittwochmorgen traf die Delegation mit dem Leiter des KAS-Auslandsbüros in Ramallah, Marc Frings, zusammen. Aufgrund der Sicherheitslage musste von einem Besuch des Büros vor Ort leider Abstand genommen werden. Statt dessen gab Frings nahe der Jerusalemer Altstadt einen Überblick über die aktuelle politische Situation in der West Bank und Gaza. Unter anderem berichtete er von einem dramatischen Rückgang der Beliebtheit von Präsident Mahmoud Abbas. Das Vertrauen in Regierung und palästinensische Sicherheitskräfte sei, insbesondere seit dem Anschlag auf Bewohner des Dorfes Duma im Juli, nahezu zerstört. Die Führungen auf beiden Seiten des Konflikts wüssten zudem, die Religion zu instrumentalisieren, um von eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten abzulenken.

Nach Mittag wurde das Programm in Israels zweitgrößter Stadt Tel Aviv mit einem Briefing durch die Gesandte der der Deutschen Botschaft in Israel, Frau Monika Iwersen, weitergeführt. Auch hier standen die aktuelle Sicherheitslage und das deutsch-israelische Verhältnis im Fokus der Diskussion.

Die Gespräche am Nachmittag standen thematisch ganz unter dem Titel „Start-Up Nation meets Land of Ideas“. In Diskussionen mit Dr. Ramzi Halabi (Tsofen), Kevin Baxpehler (ProSieben/Sat1) und Gregor Schlosser (AHK Israel) wurde der Frage nachgegangen, welche politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen den Aufstieg Israels zur „Start-Up Nation“ begünstigt haben, und vor allem: Was Deutschland hier von Israel lernen kann.

Tag 4

Am vierten und letzten Tag des Informationsprogrammes traf die Delegation an der IDC Herzliya auf Dr. Amichai Magen, um mit ihm über Radikalisierungstendenzen unter jungen Muslimen hüben wie drüben zu diskutieren. Der Islam in Europa befinde sich in einer Identitätskrise, dessen Lösung Mut erfordere und von innerhalb der muslimischen Community angestoßen werden müsse. „Kehrt Euch nicht vom Islam ab, sondern erneuert ihn für das 21. Jahrhundert“, forderte Dr. Magen die Gruppe auf.

Nachfolgend besuchte die Delegation die Eastern Mediterranean International School, an welcher Schüler aus über 40 Ländern gemeinsam lernen und leben. Im Gespräch mit Jugendlichen aus Israel und seine Nachbarländern, Jemen, Bhutan, Europa und Südamerika erfuhren die Gäste, wie friedvolles Miteinander gelebt werden kann und teilten ihre Erfahrungen als Mitglieder einer Minderheit in Deutschland.

Den Abschluss des Programms bildete die gemeinsame Konferenz des Konrad-Adenauer-Program for Jewish-Arab Cooperation (KAP) und des Moshe Dayan Centers an der Tel Aviv University zum Thema „Minority Leadership in Democratic Countries – The Cases Israel and Germany“, durch welche sich die Delegationsteilnehmer über Möglichkeiten und Hindernisse für die Partizipation von Minderheiten informierte und in Form von aktiver Teilnahme beitrug . Neben Ghaida Rinawi-Zoabi (INJAZ) und Dr. Itamar Radai, dem akademischen Leiter des KAP, repräsentierten die Delegationsteilnehmer Esra Kücük (Junge Islamkonferenz, Leiterin) und Yunus Emre (Leiter des CDU-Netzwerks Integration Rheinland Pfalz) zum Thema Leadership and the „Challenge of Integration“ die deutsche Seite in diesem Diskurs. Im darauffolgenden Panel diskutierte Honey Deihimi, Leiterin des Referats Gesellschaftliche Integration im Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zusammen mit dem Knesset-Abgeordneten MK Dr. Yousef Jabareen (Joint List) über „The Future of Leadership and Equality“.

Der Erfolg des Programms zeigte nicht nur, wie groß das gegenseitige Interesse an einem Dialog zwischen Israelis und muslimischer Community in Deutschland ist, sondern auch, wie wichtig ein nachhaltiger Austausch ist bzw. für die Zukunft sein wird. Die KAS Israel wurde dadurch in ihrem Vorhaben gestärkt den Dialog weiter auszubauen und zu fördern.

Die Gesprächspartner der Gruppe, aber auch weit darüber hinaus, hegen die Erwartung, dass sich die Konrad-Adenauer-Stiftung dauerhaft für den Meinungsaustausch von jungen Muslimen und der israelischen Gesellschaft auseinandersetzt. Insofern war diese erste Reise einer solchen Gruppe, die es in dieser Form bislang so nicht gab, eine Pilotveranstaltung. Eine Fortsetzung solcher Begegnungen ist angedacht.

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