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Event Reports

Recht, Sicherheit und Terrorismusbekämpfung

by Daliah Marhöfer

Militärische und nicht-militärische Perspektiven

Am 1. und 2. Juli 2013 veranstaltete die KAS Israel gemeinsam mit dem International Institute for Counter-Terrorism (ICT) am Interdisciplinary Center Herzliya (IDC) und dem Institute for National Security and Counterterrorism (INSCT) an der Syracuse University eine Konferenz zum Thema „Law and Security – Perspectives from the Field and Beyond“. Diese Veranstaltung hatte zum Ziel, zwischen Experten aus Militär, Justiz, Verwaltung, Wissenschaft, internationalen Organisationen und dem Privatsektor den Dialog über Fragen von Recht, Sicherheit und Terrorismusbekämpfung anzuregen.

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Im Rahmen der Diskussionen wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die bestehenden internationalen Normen ausreichen, um auf neuartige Bedrohungsformen wie Cyberkrieg oder Piraterie angemessen reagieren zu können. Zu Beginn der Veranstaltung wies der Leiter des ICT Boaz Ganor auf das Spannungsverhältnis zwischen Terrorismusbekämpfung und rechtsstaatlicher Demokratie hin, während William Banks, Juraprofessor an der Syracuse University und Leiter des dortigen INSCT, sowie Daphné Richemond-Barak, welche am IDC Herzliya lehrt, den fachübergreifenden Ansatz der Konferenz betonten.

Panel I : Förderung der Rechtsstaatlichkeit in volatilen Umgebungen

Das erste Panel beschäftigte sich mit der Frage der Förderung von Rechtsstaatlichkeit in volatilen Umgebungen. Dabei wurde offenkundig, dass es bislang an einer allgemein akzeptierten genauen Definition des Begriffs der Rechtsstaatlichkeit fehlt.

Amichai Magen, Senior Researcher und Head of Political Development am IDC Herzliya, hob drei zentrale Komponenten von Rechtsstaatlichkeit hervor: (1) die Gewährleistung der Sicherheit eines Landes durch den Staat sowie (2) die Leistungsfähigkeit und (3) die Legitimität des Staats. Im Sinne des Max Weber’schen Kriteriums, dass der Staat „innerhalb eines bestimmten Gebietes das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) in Anspruch nimmt“, gebe es wenigstens einen Konsens über den Minimalstandard von Rechtsstaatlichkeit, während über die Bedeutung der Menschenrechte für die Definition der „rule of law“ meist Uneinigkeit herrsche.

Als Gewaltmonopolprinzip verstanden, könne Rechtsstaatlichkeit auf jeden Fall eine normative Basis für Regierende und Regierte bilden. Gleichzeitig bedeute das Vorliegen einer volatilen Umgebung nicht zwingend, dass das Rechtsstaatsprinzip nicht verwirklicht sei; oftmals würden Lücken bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und damit bei der inneren Sicherheit eines Landes durch nichtstaatliche Kräfte gefüllt.

Steven Hill, Rechtsberater der US-Gesandtschaft bei den Vereinten Nationen, berichtete von den Aktivitäten der VN zu diesem Thema. Seit 2006 bemühen sich Mexiko und Liechtenstein um die Verabschiedung einer Resolution der Vollversammlung über „The rule of law at the national and international levels“, die eine weltweit verbindliche Definition von Rechtsstaatlichkeit ermöglicht. Eine Einigung sei noch nicht erzielt worden: Westliche Staaten betonten Wichtigkeit der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler Ebene, während Entwicklungsländer die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit im internationalen Kontext akzentuieren.

Linda Lourie vom US-Verteidigungsministerium berichtete von der derzeitigen Situation in Pakistan und der dortigen Arbeit ihres Hauses. In Pakistan herrsche ein Mangel an politischer Stabilität, an Sicherheit und an Vertrauen in die Rechtsordnung; das Vertrauen werde durch die weit verbreiteten Korruption und erhebliche Ausbildungsmängel bei den Gesetzeshütern untergraben. Trotzdem habe es in den letzten Jahren einige Verbesserungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit gegeben, beispielsweise ein Gesetz für faire Gerichtsverfahren. Das US-Verteidigungsministerium versuche, Pakistan in diesem Prozess zu unterstützen.

Dieter Fleck, ehemaliger Referatsleiter in der Rechtsabteilung des Bundesverteidigungsministeriums, schloss das Panel ab und nannte drei Säulen der Rechtsstaatlichkeit: (1) Regieren durch Recht, (2) Vorrang des Gesetzes, (3) Gleichheit vor dem Gesetz. Auf internationaler Ebene hänge die Rechtsstaatlichkeit von der Kooperation zwischen Staaten ab, weshalb man ein stabiles Forum dafür brauche – wie die Vereinten Nationen oder das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Um Rechtsstaatlichkeit in Ländern wie Pakistan zu sichern, solle es dort eine Vielzahl von Aktivitäten geben, nicht nur im militärischen Bereich. Gleichzeitig sollten nicht nur Symptome behandelt, sondern die Ursachen für Mängel in der Rechtsstaatlichkeit gefunden, Friedenstruppen besser geschützt und die Verpflichtung zum Ersatz von „Kollateralschäden“ klar geregelt werden.

Panel II: Recht und Sicherheit auf See

Das zweite Panel widmete sich der Frage von Recht und Sicherheit auf See angesichts der Bedrohung durch Piraterie. Das Problem der Piraterie beschäftigt die Menschheit schon seit der Antike, weshalb einige der ältesten Normen des Völkerrechts in diesem Kontext entwickelt wurden.

Um sich gegen moderne Piraterie zu schützen, nutzen viele Handelsredereien heute die Dienste privater Sicherheitsfirmen. Um eine solche handelt es sich bei Neptune Maritime Security, deren Arbeit Ian Simpson vorstellte. Er erklärte, dass Piraterie nicht nur finanzielle Auswirkungen auf die Schifffahrt habe, sondern auch psychologische, da sich Mannschaften mitunter weigerten, bestimmte Regionen zu befahren. Bewaffnete Teams wie die von Neptune Maritime Security bieten Schutz, allerdings sind sie in ihren Handlungsmöglichkeiten durch das Seerecht eingeschränkt. Daher erhalten die Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen auch eine intensive Rechtsausbildung, die unter anderem beinhaltet, wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Ernstfall zu beachten ist.

Eliav Lieblich vom IDC Herzliya sprach über die Herausforderungen der Strafverfolgung von Piraten und konzentrierte sich dabei auf den Einsatz der EU NAVFOR, die auf Grundlage der Weltsicherheitsrats-Resolution 1851 nun auch Piraten an Land angreifen kann – vorausgesetzt, dass dabei das Humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte beachtet werden. Das Humanitäre Völkerrecht könne hier ausnahmsweise einen größeren Schutz bieten als die Menschenrechte, da die Piraten an Land als Zivilisten schonend zu behandeln sind, während die Menschenrechte ihnen nur das Recht auf Leben sichern.

David Maraga, Richter am Kenianischen Berufungsgericht in Nairobi, legte seine eigenen Erfahrungen im strafrechtlichen Umgang mit Piraten dar. Kenia wird als Nachbarland Somalias regelmäßig mit solchen Fällen konfrontiert, ist Signatarstat des Seerechtsübereinkommens der VN (UNCLOS) und verfügt über mehr Erfahrungen bei der Strafverfolgung von Piraten als die allermeisten Länder. Für seinen Dienst am Schutz der zivilen Schifffahrt vor Piraterie erwartet Kenia jedoch die Unterstützung der Herkunftsländer; sie sollen die in Kenia wegen Piraterie verurteilten Häftlinge zurücknehmen.

Tara Helfman vom Syracuse College of Law berichtete von der Strafverfolgung von Piraten in den USA. Dabei stellte sie die wichtigsten Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts vor sowie eine Reihe von Gerichtsentscheidungen, die verdeutlichen, dass Gerichte in den USA teilweise noch unschlüssig über die genaue Definition von Piraterie sind. So wurde eine Gruppe von Umweltaktivisten als Piraten definiert und verurteilt, da sie aus privaten – wenn auch noch so ehrenwerten – Motiven Walfangschiffe angegriffen und beschädigt hatten. Schwierig sei auch die Abgrenzung zwischen Piraten und Terroristen; wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen sei definitorische Klarheit aber unabdingbar.

Terrorismus, Sicherheit und Menschenrechte: Ein persönlicher Werdegang vom Juraprofessor zum Parlamentsmitglied und Justizminister

Irwin Cotler, Mitglied der Liberalen Fraktion des Kanadischen Unterhauses, beschrieb in seinem Vortrag die verschiedenen Stationen seiner beruflichen Laufbahn und wie ihm diese Stationen verschiedene Blickwinkel auf die Themen Sicherheit und Recht eröffnet hätten. Als Juraprofessor setzte er sich insbesondere mit den Themen Terrorismusbekämpfung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auseinander. Seinem Verständnis nach ist der transnationale Terrorismus eine unmittelbare Demokratiegefährdung und die Terrorismusbekämpfung folglich zum Schutz der Menschenrechte notwendig. Es sei falsch, einen Gegensatz zwischen Terrorismusbekämpfung und Menschenrechtsschutz zu konstruieren.

In seiner Tätigkeit als Häftlingsberater setzte sich Cotler für eine Liberalisierung des Strafrechts und des Strafvollzugs ein. Bei Terrorakten habe für ihn jedoch nie ein Zweifel daran bestanden, dass solche Straftaten immer und überall kriminell und daher bestraft werden müssten. Das sei eine Frage der Selbstbehauptung offener Gesellschaften und freiheitlicher Demokratien. Das Diktum „Des einen Freiheitskämpfer ist des anderen Terrorist“ habe keine Gültigkeit: Terror sei Terror – unabhängig davon, ob die Motive schlecht oder (vermeintlich) gut seien. Die Art der Terror-Motive dürfe keinen Einfluss auf die straferechtliche Bewertung haben. In seinem Amt als Parlamentsmitglied wie als Justizminister habe für ihn im Umgang mit Terrorismus und Recht stets gegolten: „Verteidige deine Grundsätze und gehe keine Kompromisse ein.“ Diese Haltung legte er den europäischen Konferenzteilnehmern abschließend im Umgang mit der Listung der libanesischen Hizbollah als Terrororganisation nahe.

„Hot Scenario“: Auseinandersetzung mit Cyber-Kriegsführung

In einer weiteren Diskussionsrunde unter Leitung von William Banks wurde anhand eines fiktiven „Cyberkrieg“-Szenarios der rechtliche Rahmen für die Abwehr von Cyberangriffen auf internationaler Ebene erörtert.

Eitan Azani, stellvertretender Direktor des Instituts für Terrorismusbekämpfung, widmete sich in seinem Wortbeitrag dem sogenannten „elektronischen Dschihad“ als Form des Cyberterrorismus. Neben der Planung und Organisation von Angriffen und Verteidigungsmaßnahmen identifizierte Azani die Beeinflussung der Öffentlichkeit als wichtigstes Ziel terroristischer Aktivitäten im Internet. Die Terrororganisationen nutzten das WWW insbesondere, um ihre politische Agenda zu veröffentlichen, potentielle Mitglieder zu rekrutieren, bestehende Mitglieder auszubilden sowie Fundraising zu betreiben. Am Beispiel der „Hizbollah Cyber Group“ zeigte Azani auf, dass terroristische Gruppen zwar hoch motiviert seien, Cyberangriffe auszuführen, ihre operativen Fähigkeiten hierfür bisher jedoch nicht ausreichend sind.

Nimrod Kozlovski, Professor an der Universität Tel Aviv, vertrat in seinem Vortrag die Position, dass das Völkerrecht Recht nicht – zumindest nicht angemessen – auf Cyberbedrohungen reagieren könne. Wesentlich für das Rechtswesen sei die Verantwortungszuschreibung, die jedoch in der virtuellen Welt kaum zu verwirklichen sei. Ferner verwies Kozlovski auf Datenkollektion und -analyse als zentrale Bestandteile des Cyberkrieges. Nicht zuletzt der Datenskandal um PRISM zeige, dass die Einführung von rechtsstaatlichen Überprüfungsmechanismen, die proaktiv greifen, notwendig sei.

Eric Talbot Jensen, Professor an der Brigham Young University, fragte nach den rechtlichen Optionen im Falle eines Cyberangriffes und verwies ebenfalls auf die rechtliche Problematik der Verantwortungszuschreibung. Er widersprach Kozlovski in dem Punkt, dass das Völkerrecht nicht angemessen auf Cyberbedrohungen reagieren könne.

Michael Schmitt, Leiter der Völkerrechtsabteilung des US Naval War College, wies in seinem Wortbeitrag auf zentrale rechtliche Fragen im Kontext von Cyberangriffen hin: Wie kann auf Cyberangriffe angemessen reagiert werden? (U.a. ein Problem des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) Wie lange nach einem Cyberangriff kann ein Gegenangriff erfolgen? („Gegenwärtigkeit des Angriffs“ als Notwehr- und Nothilfevoraussetzung) Ist ein Cyberangriff als bewaffneter Angriff zu werten? Welcher Gewissheitsgrad bei der Verantwortungszuschreibung ist für Maßnahmen gegen den mutmaßlichen Angreifer notwendig? Schmitt zufolge liefert das geltende Völkerrecht auf die meisten dieser Fragen brauchbare Antworten; es gebe nur wenige rechtliche Lücken.

Nach Ansicht von Harvey Rishikof, Vorsitzender des Advisory Committee for the American Bar Association Standing Committee on Law and National Security, zeigen die unterschiedlichen Positionen der Diskussionsteilnehmer zu Fragen des Rechts im Cyberkrieg die Notwendigkeit, einen Dialog über Cyberkriegsrecht zu fördern.

Panel III: Der Gebrauch und Missbrauch von Drohnen

Im Mittelpunkt des dritten Panels stand die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes von Kampfdrohnen als Instrument der Terrorabwehr.

Zu Beginn der Diskussion betonte Michael Schmitt, dass in der rechtlichen Beurteilung nicht das Waffensystem an sich zu beurteilen sei, sondern dessen Einsatz. Bei einem Drohneneinsatz müsse man sich völkerrechtlich u. a. mit den bekannten Themen der Verletzung von Grenzen unbeteiligter (neutraler) souveräner Staaten, der gezielten Tötung von Individuen sowie des Konfliktstatus auseinandersetzen. Die rechtliche Beurteilung von Drohneneinsätzen betrete kein neues juristisches Terrain; sie erfordere jedoch eine klare Analyse der geltenden Rechtslage. Ein Beispiel dafür ist das Problem der „gezielten Tötungen“. Das Kriegsvölkerrecht erlaube die Tötung feindlicher Soldaten im Kampf. Es gelte aber nicht im Rahmen der Terrorbekämpfung (auch wenn metaphorisch vom „war on terror“ die Rede ist); hier müssten andere Rechtsgrundlagen herangezogen und die Menschenrechte beachtet werden.

Nach Ansicht von Ben Emmerson, UN-Sonderberichterstatter zur Förderung und Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, besteht eine Lücke zwischen Wahrnehmung und Realität von Drohneneinsätzen. Er monierte, dass Staaten, die Drohnen einsetzen, viel zu intransparent agierten; sie hätten sich deshalb Verunsicherungen in der Öffentlichkeit selbst zuzuschreiben. In diesem Zusammenhang erwähnte er ebenfalls das Problem der „gezielten Tötungen“.

Daniel Reisner, ehemaliger Leiter der Völkerrechtsabteilung der Israelischen Streitkräfte, verwies auf die unterschiedlichen Faktoren, die die Debatte um den Drohneneinsatz prägen. Jedes neue Waffensystem, das die emotionale Distanz zum Ziel vergrößere, stehe erst einmal im Verdacht, die Schwelle der natürlichen Tötungshemmung zu senken und damit die Bereitschaft zum Krieg zu steigern. Darüber hinaus bestehe die Annahme, dass Drohnenangriffe hohe Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung fordern, während sie zugleich das Risiko eigener Verluste minimieren. Nach Einschätzung Reisners lässt sich die These, dass die Opfer in der Zivilbevölkerung durch Drohen zunähmen, empirisch nicht belegen; Drohnen seien unter diesem Aspekt nicht gefährlicher – oft sogar weniger gefährlich – als andere Waffensysteme.

Panel IV: Die Rolle der Gerichte bei der Abwägung von Recht und Sicherheit

Das vierte Panel beschäftigte sich mit der Rolle von Gerichten bei der Abwägung von Recht und Sicherheit. Jean-Louis Bruguière, bekannt geworden durch die Festnahme des Terroristen „Carlos“ 1994, ehemaliger oberster französischer Ermittlungsrichter und Vizepräsident des Tribunal de Grande Instance in Paris, sprach über die Terrorbekämpfung in Frankreich. Dort habe man das Delikt Terrorismus ins Strafgesetzbuch integriert. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsbehörden sei in Frankreich zulässig; so könnten wichtige Informationen schnell ausgetauscht werden. Im Gegensatz zum Common Law seien diese Informationen gerichtsverwertbare Beweismittel.

Als ein großes Problem bezeichnete Bruguière jedoch die Fähigkeit von Terroristen, systematisch die für sie vorteilhaften Besonderheiten in den unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen zu identifizieren (z.B. Beweisverwertungsverbote) und diese für sich auszunutzen, um der Verfolgung und Bestrafung zu entgehen.

Gad Barzilai von der Universität Haifa vertrat die empirisch untermauerte These, dass Richter sich zu selten als Gegengewicht zur Exekutive verstünden. Da sie meist in die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Vertretern der nationalen Exekutive vertrauten, neigten sie systematisch dazu, zugunsten von Regierungen zu entscheiden. Es finde keine wirklich neutrale Abwägung von Recht und Sicherheit statt.

Roy Schondorf aus dem Justizministerium Israels beendete das vierte Panel, indem er über den Umgang internationaler Gerichte mit vertraulichen Sicherheitsinformationen von Staaten sprach. Oftmals liege es in der Hand der Gerichte zu entscheiden, ob solche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Das damit verbundene Risiko verringere die Bereitschaft von Staaten, ihr prozessrelevantes Wissen völlig offenzulegen. Dieses Problem gebe es zwar auch auf nationaler Ebene. Doch bestehe ein wesentlicher Unterschied: Auf nationaler Ebene sei der Staat nicht nur Ankläger, sondern auch Hüter der vertraulichen Informationen; vor einem internationalen Gericht könne er die zweite Funktion nicht ausüben. Internationale Organisationen bestünden aus Mitarbeitern unterschiedlicher Herkunftsländer, die keine besondere Loyalität gegenüber dem Staat empfänden, von dem die vertrauliche Information stammt.

Dem könne durch eine bessere Kooperation zwischen internationalen und nationalen Gerichten abgeholfen werden: Den nationalen Gerichte fiele dabei die Aufgabe zu, die vertraulichen Informationen auszuwerten. Auch könnten in solchen Fällen bereits bestehende Mechanismen wie der Komplementaritätsgrundsatz weiterhelfen; dieser Grundsatz regele die Entscheidungsbefugnisse von nationalen und internationalen Gerichten im Verhältnis zueinander. Über minder schwere Verstöße gegen das Völkerstrafrecht sollten grundsätzlich nationale Gerichte urteilen – vor allem dann, wenn zu den prozessrelevanten Informationen vertrauliche Auskünfte der nationalen Exekutie gehören.

Abschlussveranstaltung: Operation „Säule der Verteidigung“ – Eine Auswertung

Die letzte Veranstaltung bewertete die achttägige Operation „Säule der Verteidigung“ vom November 2012.

Zunächst gab Boaz Ganor eine Einführung in die Entwicklung „asymmetrischer Konflikte“: Entscheidend für den Sieg sei heute nicht mehr nur, die physische Kampffähigkeit des Gegners, sondern auch seine Motivation und Legitimität zu zerstören. „Hybride Terrororganisationen“ wie Hamas oder Hisbollah zielten nicht einfach darauf ab, israelische Zivilisten zu töten; ihre langfristige Strategie sei darauf gerichtet, den Verteidigungswillen der israelischen Bevölkerung zu zermürben und Israel in den Augen der Weltöffentlichkeit zu de-legitimieren.

General d. Res. Amos Gilad, Direktor für politische Planung und politisch-militärische Angelegenheiten am Jerusalem Center for Public Affairs sowie Chefberater des israelischen Verteidigungsministeriums für Sicherheitsbeziehungen zu regionalen und strategischen Partner, erläuterte die strategischen Überlegungen, die der Operation „Säule der Verteidigung“ zugrunde gelegen haben.

Nachdem die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen ein unerträgliches Ausmaß erreicht hätten, sei es darum gegangen, „Abschreckung wiederherzustellen“. Eine Bodenoffensive mit anschließender Besetzung des Gazastreifens sei aus drei Gründen nicht in Betracht gekommen: Erstens hätte dieser Schritt zu viele Opfer unter der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und bei den eigenen Truppen gefordert. Zweitens sei es ein „Alptraum“, den Gazastreifen als Besatzungsmacht regieren zu müssen. Und drittens hätte eine Bodenoffensive die ausgezeichneten Beziehungen zu Ägypten – genauer: zu den ägyptischen Sicherheitsorganen – empfindlich gestört.

Die ägyptischen Sicherheitsorgane, so Gilad, hätten nichts dagegen einzuwenden, wenn der Hamas durch Abschreckung ihre Grenzen aufgezeigt werden; sie seien jedoch strikt dagegen, dass Israel den Gazastreifen besetze. Angesichts der Anarchie in großen Teilen des Sinai, der zum Aufmarschgebiet von Dschihadisten, Waffenschmugglern und anderen Rechtsbrechern geworden ist, sei eine enge und vertrauensvolle Sicherheitskooperation zwischen Israel und Ägypten ein hohes strategisches Gut.

Avital Leibovich war während der Operation „Säule der Verteidigung“ für die Koordination der sozialen Medien zuständig. Während der Operation wurden das erste Mal großflächig solche Medien genutzt, um, so Leibovich, die Öffentlichkeit über das aktuelle Geschehen zu informieren, dem negativen Bild Israels in westlichen Staaten entgegenzuwirken und gleichzeitig auf Medienveröffentlichungen der gegnerischen Seite zu reagieren.

Der Gründungs-Chefredakteur der Times of Israel, David Horovitz, analysierte die Selbstpräsentation Israels in den sozialen Medien und betonte die schnellen israelischen Reaktionen und Gegen-Darstellungen auf Berichte aus dem Gazastreifen, sodass ausländische Journalisten sich ein vollständiges Bild machen konnten und sich die Sichtweise der Hamas nicht im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit als Narrativ festsetzen konnte. Trotzdem bleibe Israel auf dem Feld der Medien stets in der Defensive, weil in westlichen Ländern ein positives Vorurteil gegenüber dem „Underdog“ bestehe und Israel vor allem als militärische Übermacht wahrgenommen werde.

Jessica Montell von B’Tselem, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten einsetzt und während der Operation auf humanitäre Missstände hingewiesen hatte, erläuterte unter anderem, wie ihre Organisation versuche, belastbare Zahlenangaben über die Opfer unter den palästinensischen Zivilisten zu ermitteln. Während die israelische Seite dazu neige, diese Zahlen zu niedrig anzugeben, tendiere die palästinensische Seite zu überhöhten Angaben.

Noam Neuman von der Völkerrechtsabteilung der Israelischen Streitkräfte beleuchtete die rechtlichen Grundlagen, die während der Operation beachtet werden mussten. Zum einen musste zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden werden, zum anderen jeder Luftschlag gegen Raketenstellungen verhältnismäßig sein. Auch Neuman ging auf die Frage ein, wie man belastbare Zahlenangaben über die Opfer unter den palästinensischen Zivilisten ermitteln könne. Dazu sagte er, seine Einheit verwerte unterschiedlich Quellen – von Angaben aus dem Kreis der Nichtregierungsorganisationen bis hin zu Hamas-Informationen.

Feedback

Am Ende wurde von allen Teilnehmern eine rundum positive Bilanz gezogen: Der interdisziplinäre und akteursübergreifende Ansatz der Konferenz habe das Bewusstsein für die neuen Probleme der Balance von Sicherheit und Freiheit geschärft und gleichzeitig Wege aufgezeigt, wie wirksame Terrorabwehr und praktischer Menschenrechtsschutz auch angesichts neuer Entwicklungen miteinander vereinbart werden können. In vielen Fällen, so wurde ebenfalls deutlich, reichen die vorhandenen internationalen Normen aus, um diese Balance zu gewährleisten. Erreicht wurde auch das Ziel, Experten aus Militär, Justiz, Verwaltung, Wissenschaft, internationalen Organisationen und dem Privatsektor miteinander zu vernetzen, um den Wissens- und Erfahrungsaustausch über Lösungsansätze zu verbesser.

Daliah Marhöfer und Nicole Herbert

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