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Event Reports

Regional Workshop: Culture and Education in the Middle East – new Strategies and Approaches

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union ein Projekt durchgeführt, in dem insgesamt 86 Lehrer und ca. 1600 Schüler aus Israel, den palästinensischen Autonomiegebieten und Jordanien in demokratischen Werten fortgebildet und unterrichtet wurden. Idee des Projektes war es, einerseits durch Begegnung und persönlichen Kontakt, andererseits durch politische Bildungsarbeit einen Beitrag zur Veränderung der Mentalitäten zu leisten und Frieden auch in den Köpfen der Menschen zu ermöglichen.

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Nach Ablauf des EU-Projektes organisierte die KAS nun vom 20. bis 21. November mit 70 der am Projekt beteiligten Lehrern einen Bilanz ziehenden Workshop zu „neuen Strategien und Ansätzen über Kultur und Erziehung im Nahen Osten”.

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v.l.n.r.: Dr. Lars Hänsel, General Mansour, Micha Ben Hillel und Dr. Nedal Jayousi

Der Workshop wurde eingeführt von den Vorstehenden der am Projekt beteiligten Institutionen. Dr. Lars Hänsel, der Direktor Konrad-Adenauer-Stiftung Israel, rief dabei zunächst die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert ins Gedächtnis: Nach zwei Weltkriegen, kommunistischen und faschistischen Totalitarismen, Gulag und Holocaust würden die Europäer nun in freiheitlichen, demokratischen Gesellschaften friedlich zusammenleben. Auch Deutschland, 40 Jahre lang getrennt in Ost und West, habe gerade sein 20jähriges Jubiläum der Wiedervereinigung feiern können. Eigentlich sei es unvorstellbar, dass nach der kollektiven Erfahrung von Gewalt, Hass, Misstrauen und Angst freundschaftliche Koexistenz möglich sei. Diese Entwicklung Europas könne daher auch dem Nahen Osten Hoffnung machen. Der Direktor der Nichtregierungsorganisation „Palestinian House for Professional Solutions” Dr. Nedal Jayousi, der kürzlich für seinen Einsatz im israelisch-palästinensischen Dialog mit dem Friedenspreis „Mount Zion Award” ausgezeichnet wurde, und der Direktor des jordanischen „Amman Center for Peace and Development” General a. D. Mansour, betonten, welch einmalige Erfahrung es gewesen sei, in einer seit Generationen von Konflikten und Kriegen geprägten Region Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion zusammenzubringen. Es könne keinen Weg ohne Dialog und den Aufbau von Vertrauen geben, wobei Erziehung eine Schlüsselrolle spiele. Dies bestätigte auch Micha Ben Hillel von der Sha’ar Hanagev Schule in Israel, das Projekt habe im Kleinen dazu beigetragen, die Atmosphäre zu „enteisen” und könne durch den Unterricht nachhaltig Einfluss auf kommende Generationen nehmen.

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Prof. Rachel Elior und Sheikh Ahmad Diab mit Ehefrau

Auf dem Programm standen zunächst Vorträge über die Rolle Jerusalems in den drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Die Professorin für Jüdische Philosophie an der Hebräischen Universität Jerusalem Rachel Elior, der Prieser Nabel Haddad und der Scheich Ahmad Diab aus Hebron erläuterten, dass Jerusalem ein heiliger Ort für jede der Religionen sei, ein Ort des Friedens und nicht der Gewalt. Dennoch wurde in den Vorträgen auch deutlich, dass es sich dabei um ganz unterschiedliche Wahrnehmungen der Geschichte und kollektive Erinnerungen handelt. Die Menschen im Nahen Osten müssten daher lernen, so Prof. Rachel Elior, mit den jeweils anderen Positionen umzugehen und gegebenenfalls ihre eigenen zu relativieren. Da sich über Glaubensinhalte nur begrenzt streiten läßt, zeigte sich hier, im religiösen Diskurs, noch einmal besonders der Sinn und die Notwendigkeit von Toleranz.

„Niemand wird als Demokrat geboren, jede Generation muss dazu erzogen werden”, ist eine der Grundüberzeugungen der KAS. Deshalb war es auch für dieses Projekt essentiell, dass es nicht auf mehrmalige Treffen der Teilnehmer beschränkt blieb, sondern nachhaltig Einfluss auf den Unterricht nehmen wollte. In den vorangegangenen Workshops hatten die Teilnehmer daher zusammen Unterrichtseinheiten zu Themen wie „Gleichberechtigung”, „Toleranz”, „Rechtsstaatlichkeit” und „aktivem Bürgertum” erarbeitet, und auch neue Unterrichtsmethoden erprobt. Hieran anknüpfend wurden diesmal die Lehrer selbst in drei Gruppen unterteilt, in denen sie gemeinsam arabische und hebräische Gedichte lasen, ohne deren Herkunft zu kennen. Viele dieser Texte thematisierten ähnliche Erfahrungen wie zum Beispiel das Gedicht von Jehuda Amichai „An dem Ort, wo wir recht haben”:

An dem Ort, an dem wir recht haben,

werden niemals Blumen wachsen

im Frühjahr.

Der Ort, an dem wir recht haben,

ist zertrampelt und hart

wie ein Hof.

Zweifel und Liebe aber

lockern die Welt auf

wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.

Und ein Flüstern wird hörbar

an dem Ort, wo das Haus stand,

das zerstört wurde.

Die israelischen, palästinensischen und jordanischen Lehrer konnten sich in Texten wie diesem wiederfinden, die ihre Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen spiegelten. Kein Wunder also, dass die Zuordnung zu arabischen oder hebräischen Quellen oft nicht zu entscheiden war. Auf diese Weise erlebten die Workshopteilnehmer nicht nur im „Eigentest”, dass sie viel mehr verband, als sie vielleicht erwarteten, sondern nahmen auch die vergleichende Gegenüberstellung als Technik mit, in der Zukunft auch ihren Schülern mehr Verständnis für die jeweils „andere” Kultur beizubringen.

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Ein ganz besonderer Moment des Workshops war auch der interaktive Vortrag von Winkie Williamson, Beraterin für zivilgesellschaftliche Entwicklung der Europäischen Kommission, über „Talking or listening? An experience of intercultural dialogue”. Toleranz und Respekt seien leicht zu fordern, so führte Williamson aus, in der Praxis aber gingen uns Diskussionen oft so nahe, da sie meist sehr eng mit unserer eigenen Identität verknüpft seien. Was kennzeichne also einen guten Dialog, was einen schlechten? Sich hierüber Gedanken zu machen sei nützlich, um sein eigenes Verhalten zu überprüfen: Höre ich den anderen zu, lasse ich sie ausreden? Oder monologisiere ich und bin zu dominant in der Diskussion? Werde ich immer sicherer in meiner eigenen Meinung oder versuche ich stattdessen auch, mich in den anderen hineinzuversetzen? Fragen wie diese könnten dabei helfen, so Williamson, nicht mehr so oft in Unverständnis, Stress und Ärger auseinander zu gehen. Allerdings sei es keine Alternative, sich nur hinter Höflichkeit und politischer Korrektheit zu verstecken. Es sei daher manchmal ebenso wichtig, diese Selbstzensur zu durchbrechen, um herauszufinden, was der Gesprächpartner wirklich denke, und sei es nur mit der Frage „was denken Leute wie Sie über …”.

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v.l.n.r.: Dr. Lars Hänsel, Projektleiterin Annika Lübke und General Mansour

Zusammenfassend wurde auf dem Workshop festgehalten, welche Herausforderung das Projekt zu Demokratie- und Friedenserziehung für alle Beteiligten gewesen ist: Durch die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Region, wie erst kürzlich wieder in Gaza, sind die Menschen hier – auch wenn vielleicht nicht direkt betroffen – emotional sehr stark involviert. Insgesamt dominieren Vorurteile und antiisraelische bzw. antipalästinensische bzw. -arabische Einstellungen und nicht die Bereitschaft zu Dialog und friedlichem Ausgleich. Zu Beginn des Projektes waren deshalb viele Lehrer und Schüler sehr skeptisch. Es muss daher als umso erstaunlicher angesehen werden, dass das Projekt ein Erfolg war, wie sich schon daran zeigt, dass viele Teilnehmer auch außerhalb der organisierten Treffen über Mail und andere Medien in Kontakt geblieben sind, Vertrauen zueinander gefasst haben und nun durch ein gemeinsames Ziel verbunden sind. „Ich hätte nie gedacht, dass wir uns so ähnlich sind”, so äußerte sich zum Beispiel ein palästinensischer Teilnehmer, und eine israelische Schülerin schloss: „Ja, ich glaube, die meisten Palästinenser wollen genauso Frieden wie wir”. Die Lehrer und Schüler möchten als „Change Agents” in ihr soziales Umfeld zurückgehen, um so im Kleinen etwas zu bewirken. Insofern ist die Botschaft der KAS, im Sinne eines „aktiven Bürgertums” Einfluss zu nehmen auf soziale und politische Geschehen, bei den Projektteilnehmern angekommen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung konnte hier dazu beitragen, Ängste und Vorbehalte abzubauen, zwischen den Teilnehmern zu vermitteln und neue Perspektiven der Zusammenarbeit zu eröffnen. Dies entspricht einer ihrer generellen Zielsetzungen im Nahen Osten, Israelis, Palästinensern und Jordaniern dabei zu helfen, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für eine friedliche Zukunft zu entwickeln.

Anna Bernhardt

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