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Straflosigkeit für Genozide ein Ende setzen

Kritische Bestandsaufnahme internationaler Tribunale mit Professor Cassese

„Trotz aller Schwierigkeiten – die Welt braucht Internationale Gerichtshöfe zur Verfolgung von systematischen Verbrechen.“ So lautete die grundlegende These von Professor Antonio Cassese während seines Vortrages auf Einladung von KAS Jerusalem und Minerva Center for Human Rights an der Hebräischen Universität. Als erster Präsident des Internationalen Tribunals für das ehemalige Jugoslawien und ehemaliger Beauftragter des UN-Generalsekretärs für die Darfur-Untersuchungskommission ist der Professor der Universität Florenz einer der weltweit führenden Experten zum Thema internationales Recht.

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Seine Einschätzung der Notwendigkeit internationaler Tribunale begründete er auch mit einem Zitat des deutschen Philosophen Karl Jaspers, der zu den Verbrechen Adolf Eichmanns und der Nationalsozialisten gesagt hatte: „Ihre Taten waren Verbrechen gegen die Menschheit. Über sie muss deshalb von der ganzen Menschheit gerichtet werden.“ Als erster Präsident des Internationalen Tribunals für das ehemalige Jugoslawien und ehemaliger Beauftragter des UN-Generalsekretärs für die Darfur-Untersuchungskommission ist der Professor der Universität Florenz einer der weltweit führenden Experten zum Thema internationales Recht. Seine Einschätzung der Notwendigkeit internationaler Tribunale begründete er auch mit einem Zitat des deutschen Philosophen Karl Jaspers, der zu den Verbrechen Adolf Eichmanns und der Nationalsozialisten gesagt hatte: „Ihre Taten waren Verbrechen gegen die Menschheit. Über sie muss deshalb von der ganzen Menschheit gerichtet werden.“

Aus eigener Erfahrung berichtete Cassese anschaulich von den Problemen, die mit dem Aufbau und Wirken internationaler Tribunale verbunden sind: „Internationale Tribunale sind sehr teuer – und extrem langsam.“ Die hohen Kosten seien auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, etwa auf Investitionen in die nötige Infrastruktur und Ausgaben für die erforderliche Übersetzung aller Sitzungen und Dokumente.

Um die Dauer der Verfahren – oftmals mehrere Jahre – zu verstehen, müsse man sich die Komplexität eines internationalen Tribunals vor Augen führen, so Cassese: Die Richter stammten aus aller Welt und oftmals aus grundverschiedenen Rechtstraditionen. Diese in Einklang zu bringen, sei eine sehr schwierige Aufgabe. Erschwerend komme hinzu, dass man bei Prozessen, in denen es um Genozid geht, nicht nur die Tat selbst, sondern auch den Kontext der Tat untersuchen müsse – es gelte, den organisierten Charakter des Verbrechens zu beweisen und zu belegen, dass es sich um systematische Verbrechen unter Zustimmung und Unterstützung einer staatlichen oder nicht-staatlichen Organisation gehandelt habe. Dafür seien weitreichende Ermittlungen nötig, die oft dadurch erschwert würden, dass aus Sicherheitsgründen nicht vor Ort recherchiert werden könne.

In der Tatsache, dass die Tribunale fast immer in Ländern angesiedelt sind und tagen, in denen die zu beurteilenden Geschehnisse nicht stattgefunden haben, sah Cassese einen weiteren Nachteil: „Weil sie so weit von den jeweiligen Orten des Geschehens entfernt sind, haben die Tribunale oft nur einen geringen Einfluss auf die Bevölkerungen, die von diesen Verbrechen betroffen sind.“

Als schwerwiegendste Einschränkung der Effektivität internationaler Gerichtshöfe identifizierte Cassese die Tatsache, dass diese nicht über eigene ausführende Organe verfügen, die etwa angeklagte Personen festnehmen können. In solchen Fällen sei man von der Kooperation verschiedener Staaten abhängig, die man um Verfolgung und Auslieferung von Verdächtigen bitten müsse. Die Zusammenarbeit lasse aber oft zu wünschen übrig.

Trotz aller Probleme sei die Wichtigkeit internationaler Tribunale evident: Nicht nur, weil man in den vergangenen Jahren durchaus große Erfolge habe verzeichnen können, sondern auch, weil die Schwere der Verbrechen eine Untersuchung und Bestrafung durch ein Organ der internationalen Völkergemeinschaft zwingend notwendig mache. Eine wichtige Errungenschaft der Tribunale sei bereits die Schaffung eines historischen Archivs über Genozide in Form von Prozessakten: „Wir dürfen Verbrechen gegen die Menschheit nicht vergessen. Die Zeit, in der Völkermörder ungestraft davongekommen sind, muss zuende sein. Dazu leisten internationale Tribunale einen wichtigen Beitrag“, sagte Professor Cassese abschließend.

In der folgenden regen Diskussion diskutierten Studenten der Hebräischen Universität und renommierte israelische Menschenrechtsexperten gemeinsam mit Professor Cassese, wie die Bedürfnisse von Staaten nach Souveränität und die Forderungen internationaler Gerichtshöfe miteinander in Einklang gebracht werden können.

Obenstehend dokumentieren wir einen Bericht des Helmut-Kohl-Instituts über die Veranstaltung als pdf-Datei (in Englisch).

Rolf Behrens

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