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Event Reports

Die Stellung der Familie in der Europäischen Union

XIII. Internationale Konferenz: "Die Rolle der katholischen Kirche im Prozess der europäischen Integration

Vom 13. – 14. September 2013 fand in Tomaszowice bei Krakau die 13. Konferenz zur Rolle der Katholischen Kirche im Prozess der europäischen Integration statt, diesmal zur aktuellen Lage der Familie im heutigen Europa.

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Organisatoren waren unter anderem die Päpstliche Universität Johannes Paul II. in Krakau, die Konrad- Adenauer-Stiftung in Polen, die Robert-Schuman-Stiftung in Luxemburg,die polnische Gruppe in der Fraktion der EVP (Europäische Volkspartei, christdemokratisch) im Europäischen Parlament, der Verlag „Wokół Nas“ (Um uns) aus Gleiwitz sowie die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE).

An der Konferenz nahmen fast 300 Gäste teil – Politiker, Vertreter der Katholischen, Evangelischen und Orthodoxen Kirche, Experten, Wissenschaftler, Regierungsvertreter sowie Vertreter von Nichtregierungs-Organisationen.

Das Thema der Konferenz „Die demografische Entwicklung und die Rolle der Familie“ ist mittlerweile zu einer der wichtigsten Herausforderungen des modernen Europas geworden. Parallel zum rückläufigen Bevölkerungswachstum zerfallen die traditionellen Familienstrukturen. Beide Phänomene sind eng miteinander verbunden. Die Familie war in der Vergangenheit der Ort, an dem bestimmte Werte und wichtige soziale Funktionen vermittelt wurden, der mittlerweile von anderen Institutionen ausgefüllt wird. Heutzutage wird der Prozess der sich lockernden Beziehungen zwischen den Generationen immer deutlicher sichtbar. Außerdem ist eine Ambivalenz erkennbar: Einerseits wird in die Familienangelegenheiten und die Erziehung der Kinder eingegriffen, andererseits erkennen die Verantwortlichen den Auftrag der Familien angesichts des demografischen Wandels durchaus an, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass familienfreundliche Politik gemacht wird. Ein weiteres Problem stellt sich im Hinblick auf die Frage der Definition von Familie in einzelnen Ländern und auf europäischer Ebene. Familie, Ehe und Lebenspartnerschaft werden innerhalb der Gesetzgebungen unterschiedlicher EU-Länder unterschiedlich verstanden und definiert. Die Konferenzteilnehmer vertraten ebenfalls das gesamte Spektrum der Ansichten zu diesem Thema. Trotz mangelnden Konsens waren sich auch die axiologischen Teilnehmer einig, dass das Wohl der Familie von besonderem Interesse und Aufgabe von Gemeinden, Kirchen, Regierungen und supranationalen Institutionen sei.

Die Konferenz wurde vom polnischen Präsidenten Bronisław Komorowski eröffnet. „Heute kämpfen Europa und die Familie mit großen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Sowohl Europa als auch die Familie befinden sich in der Krise. Wir dürfen nicht nur Angst erfüllt die Ursachen der Probleme erläutern, sondern müssen uns vor allem auf die Suche nach Lösungsansätzen machen, um die Situation zu ändern. Diese Ansätze können auch im Zuge der Europäischen Integration sichtbar werden“, so der Präsident. Er fügte außerdem hinzu, dass die Veränderungen in der Zivilgesellschaft sowie die Wirtschaftskrise die Instabilität der Familie widerspiegelten und die demografische Krise verstärkten. Daher sei es eine der wichtigsten Aufgaben eines vereinten Europas und Polens, jetzt einen umfassenden Ansatz zu den familiären und demografischen Problemen zu entwickeln.

Laut dem Staatspräsidenten sollte es das politische Ziel sein, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern und die Menschen nicht vor die Wahl zu stellen: Job oder Kinder? „Allen, die Familien gründen und Kinder großziehen und so die künftigen Generationen sichern, müssen wir so viel Unterstützung wie möglich bieten, sowohl staatliche als auch gesellschaftliche. Ein besonderes Augenmerk muss hierbei auf die Situation der Alleinerziehenden gelegt werden, alleinerziehende Mütter und zunehmend auch alleinerziehende Väter.“ Er wies in dieser Hinsicht auch auf die Tätigkeit der Regierung hin. „Wenn die Familienpolitik wirksam sein soll, muss sie die lokale Autonomie, Identität und Umwelt ebenso berücksichtigen, wie regionale und nationale Faktoren.“

Erzbischof Celestino Migliore, Apostolischer Nuntius in Polen, wies in seiner einführenden Rede auf die besondere Rolle der Familie in der Entwicklung der Gesellschaft und auf die Pflichten des Staates bei der Unterstützung der Familien hin. Dr. Stanisław Dziwisz, Erzbischof von Krakau, hielt einen weiteren Einführungsvortrag und ging erneut auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der aktuellen Krise in Europa und der Krise der Familie ein. Zu den Bedrohungen für und den Gründen der „verschwimmenden“ Identität der Familie gehörten auch die neue Form von Partnerschaften und der sexuellen Aufklärung, die im Gegensatz zur christlichen Lehre stehen. Der Kardinal nannte die Familie in Anlehnung an Johannes Paul II. „das Fundament der europäischen Zivilisation“.

Teil I

Die Familie und ihre Bedeutung aus der Perspektive des Christentums

Bischof Tadeusz Szuman, Bischof der evangelischen Diözese in Kattowitz, hob die Position der Evangelischen Kirche hervor. Das biblische Bild der Familie und des Paares befindet sich hier im Zentrum der Diskussion. Die Ehe sei die Grundlage der Familie, so Bischof Szuman. Sie sei etwas Heiliges, aber kein Sakrament. Der grundlegende Ansatz der Ehe ist die Fortpflanzung. Im Hinblick auf die soziale Rolle stellte Bischof Szuman fest, dass die Ehe auf der Gleichberechtigung von Mann und Frau basiert.

Pater Maksim Obukhov, Vorsitzender der russischen Bewegung "Für die Verteidigung des Lebens und der Familienwerte", wies in seiner Einschätzung der familiären Situation in Russland auf die schrumpfende Rolle des Christentums und eine sich ausbreitende Krise hin. Die Herausforderung in diesem Zusammenhang sei die Verteidigung der Familie als Institution für das Leben und die Verteidigung von Familien mit vielen Kindern. Anschließend wurde ein Brief von Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Regierungsbevollmächtigte für Gleichbehandlung, verlesen, in dem sie die Frage der Souveränität der Familie hervorhob. Außerdem ging es um die Ursache der demografischen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die geringe Reichweite von staatlichen Maßnahmen für Familien und Alleinerziehende.

Teil II

Die Konfrontation der Familie mit den Herausforderungen der modernen Welt

Dieser Teil der Konferenz wurde von Erzbischof Henryk Hoser SAC, Diözesanbischof von Warschau-Praga, mit der Frage nach der Rolle der Familie in der Gesellschaft eröffnet. Er stellte fest, dass die Familie das wichtigste Kriterium einer Zivilisation ist. Bedrohlich für die europäischen Gesellschaften ist, dass sie sich von traditionellen Werten wegbewegt. Diese Verschiebung wurde bereits in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sichtbar und die kulturelle und moralische Revolution von 1968 führte zu einer kompletten Umkehrung der Herausforderungen und Traditionen der Familie. Das eingesetzte Konzept der Postmoderne hat hierbei die Entspiritualisierung des Menschens gefördert.

Auf das Definitionsproblem von Familie in nationalen oder zwischenstaatlichen Dokumenten wies Prof. Marguerite Peeters, Direktorin des Instituts für Interkulturellen Dialog in Brüssel, hin. Laut Prof. Peeters ist die Familie eine Gemeinschaft der Liebe. Dieser gemeinschaftliche Ansatz steht im Gegensatz zu den momentan prominenten und geförderten individualistischen, rationalistischen und dekonstruktivistischen Ansätzen. In Dokumenten der Vereinten Nationen und der EU wird die Familie als grundlegende Einheit für Reproduktion, Konsum und Produktion bezeichnet. Die Diagnose lautet, dass das einstig heilige Sakrament der Ehe und Familie, zukünftig ein ganz normaler Bestandteil der Gesellschaft sein wird, ohne besondere Vorrechte zugreifen zu können.

Nach den Vorträgen begannen die Beratungen in zwei Arbeitsgruppen.

Arbeitsgruppe I

Ehe versus Lebenspartnerschaft - was ist Familie?

Ria Oomen-Ruijten, niederländische Europaabgeordnete der EVP-Fraktion, führte das Argument an, dass die Familie ein wichtiger Teil jeder Gesellschaft ist, ein Ort, an dem Kinder soziale Normen und Werte erwerben und diese wiederum an ihre eigenen Nachkommen weitergeben. Mit diesem Modell, in katholischen Kreisen bekannt, kann nicht jeder etwas verbinden. Einige Forscher argumentieren sogar, dass die Familie im traditionellen Sinne gar nicht mehr existiert. Die Realität ist pluralistisch und die Normen können auch auf nicht eheliche Partnerschaften übertragen werden. Oomen-Ruijten sieht den Trend zur Säkularisierung auf dem Vormarsch. Für sie ist daher jede Form von dauerhafter Beziehung von Bedeutung, auch wenn sie nicht dem heiligen Sakrament der Ehe gleich ist. Die Folgen einer gescheiterten Beziehung sind (auch für die Kinder) dieselben, egal ob die Partner verheiratet waren oder nicht. Oomen-Ruijten wies auf die Priorität der Notwendigkeit hin, die Stabilität von Partnerschaften zu gewährleisten.

Der nächste Diskutant war Dr. Jan Olbrycht, polnischer Europaabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Er äußerte sich besorgt über junge Menschen, die sich von der Kirche entfernen. Er betonte auch, dass die Katholiken den Herausforderungen von heute gerecht werden müssten. Allerdings könnte an den erklärten moralischen Werten nicht gerüttelt werden, sie seien nicht Gegenstand der Verhandlungen, sagte MdEP Olbrycht. Wenn das passieren würde, träte die Kirche nur noch als Geber bestimmter „Dienste“ (z.B. Heirat) auf, aber nicht als Hauptstütze der Werte. Er sagte, dass es notwendig sei, an der EU-Definition von Familie zu arbeiten, um eine positive Veränderung im Denken über Familie herbeiführen zu können.

In der folgenden Diskussion mit dem Publikum, sagte Bischof Prof. Tadeusz Pieronek, dass es wichtig sei, einen Unterschied zwischen der heiligen Ehe und einer zivilrechtlichen Partnerschaft zu machen. Außerdem lenkte er die Aufmerksamkeit auf das Naturgesetz, als Quelle von Werten und Normen.

Arbeitsgruppe II

Gender - Neue Ethik oder Ideologie?

Die Debatte der zweiten Arbeitsgruppe begann Prof. Dr. habil. Inga Iwasiów, Leiterin der Abteilung für Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts am Institut für Polnische Sprache und Kultur der Universität Stettin, mit einer Diskussion über Gender Studies in den Sozialwissenschaften sowie das Studium der Kultur und der Gleichstellung der Geschlechter. Im Anschluss präsentierte und unterschied sie den essentialistischen und den konstruktivistischen Ansatz innerhalb der Debatte. Außerdem erläuterte sie Gender Mainstreaming als eine bestimmte politische Methode für die Analyse gesellschaftlicher Phänomene. Des Weiteren betonte sie, dass man diese wissenschaftliche Methode nicht für den Bevölkerungsrückgang in Europa verantwortlich machen könne.

Eine andere Herangehensweise an das Problem stellte Gyorgy Hölvényi vor, Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Kultur und Bildung in Ungarn. Es sei zu einer geistigen Erosion in Europa nach 1968 gekommen, die die Förderung neuer Ideologien wie z. B. Gender Mainstreaming noch verstärkt hätten. Er sagte, dass die aktuelle ungarische Regierung (gestellt von der konservativen Fidesz) Familie auf traditionelle Art und Weise definiert, als eine Vereinigung von Mann und Frau, und dass dies auch so in der Politik vermittelt und unterstützt würde.

Die Beratungen der Arbeitsgruppe schloss Andrzej Grzyb, polnischer Europaabgeordnete der EVP-Fraktion, ab. Er stellte fest, dass in einigen Ländern Partnerschaften auf einer Augenhöhe mit Familien betrachtet werden. Er erklärte weiter, dass sie die Unterstützung der liberalen Medien hätten und als Ausdruck bürgerlicher Freiheiten verstanden würden, trotz der Proteste in Spanien oder Frankreich. Zudem wies er darauf hin, dass der Grund für die hohen Scheidungszahlen und fehlende Großfamilien die Armut und die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen seien.

Außerdem sprach Dr. Norbert Neuhaus von der Robert-Schuman-Stiftung in Luxemburg. Er sagte, dass das Konzept Gender viele Bedeutungen in sich trägt und das eine einheitliche Definition daher schwierig sei. Das Konzept der Gleichstellung der Geschlechter beinhaltet einen Mann und eine Frau. Dennoch hegte er Zweifel, ob die Gleichstellung auch die Angleichung der sozialen Rollen beider Geschlechter bedeuten muss. Es bleibe offen, wie die Gender-Frage in der Politik behandelt würde – als Methode zur Analyse oder als Norm.

Teil III

In welche Richtung steuert die EU-Familienpolitik?

Prof. Pierpaolo Donati, Soziologe an der Universität von Bologna, hielt den einführenden Vortrag. Er erklärte, dass die Gender-Ideologie in Europa mehr gefördert worden sei als die Familienpolitik und dass die EU versuchen sollte, eine größere Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Ansätzen zur Familienfrage zu finden. Es scheint, dass sich die EU in eine andere Richtung bewegt, sodass die Familie in die private Sphäre der Bürger verschoben wird und es keinen qualitativen Unterschied zwischen Partnerschaften und der Ehe gibt. Er beschrieb eine familienfreundliche Politik, die auch die wirtschaftlichen Probleme (Arbeitslosigkeit), Bildung und nachhaltige Entwicklung umfasst.

Als Nächstes sprach Roża von Thun, polnische Europaabgeordnete der EVP-Fraktion, und erörterte die Familienpolitik in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Sie wies darauf hin, dass das Europäische Parlament für diesen Bereich nicht zuständig ist und eine familienfreundliche Politik zu den spezifischen Herausforderungen auf nationaler oder regionaler Ebene gehört. Hierbei müssen zivilgesellschaftliche Bewegungen und soziale Initiativen in Aktion treten, die die Politik nationale Regierungen und supranationale Institutionen beeinflussen können.

Nächster Redner war Dr. Paweł Kowa, polnischer Europaabgeordneter der EKR/fraktion. Kowal erklärte, man müsse die Familienpolitik der einzelnen Länder besser koordinieren. Er betonte, dass es einer anderen Familienpolitik und anderen Maßnahmen bedarf, um ein Bevölkerungswachstum zu gewährleisten. Die Sorge um die Familie sei Sache des Staates, da die Konsensbildung auf europäischer Ebene schwierig sei. Familienpolitik wird erst durch soziale Zugeständnisse an die Familie umgesetzt, z. B. der Mutterschaftsurlaub. Die Öffentlichkeit hätte zudem ambivalente Erwartungen. Auf der einen Seite steht das Bedürfnis nach Sicherheit, aber auf der anderen Seite die Forderung nach genügend Freheiten. Das Ziel der Politiker solle es sein, beiden Bedürfnissen nachzukommen und gleichermaßen gerecht zu werden. François Biltgen, ehemaliger Justizminister von Luxemburg, wies auf die nationale, weil angemessene Ebene für die Umsetzung der Familienpolitik hin und betonte die Rolle der nationalen Traditionen.

Dr. Andrzej Sadowski, Vizepräsident des Adam-Smith-Zentrums in Warschau, betonte in seiner Rede die negativen Auswirkungen von zu hoher sozialer Unterstützung und Absicherung. Als Beispiel nannte er Großbritannien, wo die soziale Hilfe für alleinerziehende Mütter zu einer wachsenden Zahl unehelicher Kinder geführt hat. Laut Dr. Sadowski ist das Rezept zur Lösung der demografischen Probleme mehr Beschäftigung, denn Arbeitslosigkeit würde die Menschen eher von einer Ehe abhalten.

Beendet wurde die Konferenz von Prof. Władysław Zuziak, Rektor der Päpstlichen Universität von Johannes Paul II. in Krakau.

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