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Country Reports

Saudisch-Syrische Annäherungen

Die Gespräche zwischen dem saudischen König Abdullah und Syriens Präsident Bashar al-Assad Anfang Oktober 2009 sind nicht nur ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Eiszeit zwischen beiden Ländern. Sie bringen Bewegung in das Beziehungsgeflecht der Länder des Nahen und Mittleren Ostens.

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Seit dem Krieg im Irak 2003 und der Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri 2005 hatten sich die traditionell guten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Syrien erheblich verschlechtert: Syrien hatte den Krieg scharf kritisiert und dessen Hinnahme durch Saudi-Arabien verurteilt. Nach dem Attentat auf Hariri, den führenden Repräsentanten der libanesischen Sunniten sowie Freund und Verbündeter des saudischen Königs, wurde Syrien mit dem Mord in Verbindung gebracht. Hariri hatte versucht, sein Land vom syrischen Einfluss zu befreien. Syrien unterstützt vor allem die libanesischen Schiiten, während Saudi-Arabien sich immer mehr als zumindest regionale Schutz- und informelle Führungsmacht des sunnitischen Islam begreift. Der Isolation Syriens als Teil einer Achse von Iran bis zur schiitisch libanesischen Hisbollah schlossen sich nicht nur USA und EU, sondern unter anderem auch Saudi Arabien an.

 

 

Saudi-Arabiens Außenpolitik vor neuen Perspektiven

 

 

Im Laufe des letzten Jahres hat die Isolation Syriens jedoch erste Risse erhalten: Präsident Assad konnte mehrere Staatsoberhäupter und hochrangige Diplomaten, zuletzt den US-Nahostsonderbeauftragten George Mitchell, empfangen. Nicht zuletzt die Beziehungen zu den USA haben sich seit dem Amtsantritt Barack Obamas deutlich verbessert. Syriens Unterstützung für die Islamisten von Hamas (Palästinensische Gebiete) und Hisbollah (Libanon) mit entsprechenden destabilisierenden Folgen für diese Länder, Syriens offene Allianz mit Teheran sowie die vermutete Unterstützung von Extremisten im Irak hatten Assad noch die Kritik und Isolation der Bush-Regierung eingetragen. Obama scheint eher auf Veränderungen durch Diplomatie zu setzen.

 

 

Dies eröffnete auch der saudischen Außenpolitik neue Perspektiven. Sie ist einerseits immer noch sehr stark am engen Bündnis mit den USA orientiert, sucht aber andererseits zunehmend nach eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Für beides ist die Annäherung an Syrien beispielhaft: Einerseits findet sie im Einklang mit den USA statt, andererseits setzt Saudi-Arabien eigene Akzente. Aufgrund Syriens kontinuierlicher Einmischung in die libanesische Innenpolitik blieb Saudi-Arabien so dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga vom März 2008 in Damaskus wie viele andere arabische Staaten fern und unterstützte so zunächst Syriens Versuch nicht, aus seiner jahrelangen politischen und wirtschaftlichen Isolation herauszufinden. Während eines trilateralen Treffens mit Jordaniens König Abdullah II hat Saudi-Arabiens König Abdullah Präsident Assad abermals aufgefordert, den Bestimmungen des UN-Sicherheitsrates gemäß Resolution 1559 zum vollständigen Truppenabzug aus dem Libanon nachzukommen.

 

 

König Abdullahs Besuch in Damaskus – Hoffnung für Libanon?

 

 

Dies änderte sich jedoch bald danach. Schon im September 2009 hatten sich König Abdullah und Präsident Assad im Rahmen der Eröffnungszeremonie der König Abdullah Universität für Wissenschaft und Technologie Jeddah getroffen und dabei ein gutes Gesprächsklima demonstriert. Einen zusätzlichen Schritt in den saudisch-syrischen Annäherungen markierte nun der Besuch des Saudischen Königs in Damaskus am 7. und 8. Oktober 2009. Dieses Treffen ist bedeutsam, da es der erste Besuch König Abdullahs in Syrien in seiner Regentschaft als König (seit 2005) ist. Nach Jahren politischer Feindschaft bemüht sich auch das Baath-Regime in Syrien um mehr Offenheit und zeigt Verhandlungsbereitschaft. Auf der Agenda des Treffens standen der Nahost-Konflikt und die humanitären Verhältnisse in Gaza, die Notwendigkeit der Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit für den Libanon und der Irak.

 

 

Um die bislang stagnierende Kabinettsbildung von Ministerpräsident Saad Hariri im Libanon zu befördern, haben beide Seiten in einem bilateralen Treffen ihre Kooperation bei der Formung einer Regierung der Nationalen Einheit zugesagt. Saad Hariri ist, nachdem sein erster Versuch einer Regierungsbildung über Meinungsverschiedenheiten mit der von der schiitischen Hisbollah angeführten Opposition gescheitert war, ein zweites Mal als designierter Ministerpräsidenten mit der Kabinettsbildung beauftragt worden. Seine pro-westliche, von Saudi Arabien unterstützte Koalition des „14. März“, die sich aus der von Hariri angeführten „Zukunftsbewegung“, der christlichen Phalange, der progressiven Sozialistischen Partei und anderen kleineren Gruppierungen zusammensetzt, hatte die Parlamentswahlen vom 7. Juni 2009 zwar gewonnen, jedoch nicht die nötige Mehrheit erreicht, um eine Regierungskoalition zu bilden. In anschließenden Konsultationen hatte Hariri eine Einigung mit der Opposition über die zu vergebenden 30 Ministerposten erzielen wollen. Die Gegenseite, die von Syrien unterstützte Allianz des „8. März“ unter Führung der Hisbollah hatte bisher Hariris Vorschläge einer Kabinettzusammensetzung abgelehnt. Aus Sicht einiger Kommentatoren ist ein friedlicher Ausgang der Verhandlungen zur Regierungsbildung von den saudisch-syrischen Beziehungen abhängig, da beide Länder einen maßgeblichen Einfluss auf die beteiligten libanesischen Parteien ausüben. Der Streit um die Regierungsbildung zeigt, wie sehr das Schicksal des Libanon von der Politik äußerer Mächte abhängt. Das saudisch-syrische Tauwetter wurde immerhin von Vertretern fast aller libanesischen Fraktionen aus beiden Lagern begrüßt.

 

 

Syriens Beziehungen zum Iran

 

 

Irans Atomprogramm und dessen damit verbundenes regionales Hegemoniestreben stehen in direkter Rivalität zu Saudi-Arabiens informellem Anspruch auf die Rolle einer – auf dem sunnitischen Islam beruhenden – regionalen Führungsmacht. Aus diesem Selbstverständnis leitet Saudi-Arabien nicht mehr eine Isolation Syriens, sondern dessen Einbindung ab. Schließlich ist Syrien ein mehrheitlich sunnitisches Land, wenn auch der Präsident einen alevitischen Hintergrund hat. Bereits das Treffen von Riad im März 2009 zwischen Saudi Arabien, Ägypten, Syrien und Kuwait spiegelt diese Intention deutlich wider: Zum einen sind die Staatsoberhäupter übereingekommen, im Interesse der arabischen Staaten Irans Einfluss auf die arabische Welt einzudämmen. Zudem bekundete damals Saudi-Arabien bereits seinen Willen, bilaterale Versöhnungsgespräche mit Syrien zu führen.

 

 

Syrien kann nicht zuletzt aus Sicht Saudi-Arabiens eine wichtige Mittlerrolle hinsichtlich des Iranischen Nuklearprogramms einnehmen. Während seines 15. Staatsbesuches erklärte Präsident Assad in Teheran, Syrien sei weiterhin an einer intensiven regionalpolitischen Kooperation mit dem Iran interessiert. Das Bündnis Iran-Syrien beruht dabei nicht auf ideologischer oder religiöser Nähe, sondern vor allem auf einer gemeinsamen politischen Feindschaft zu Israel und den USA; sie unterstützen gemeinsam die sunnitische Hamas in den palästinensischen Gebieten und die schiitische Hisbollah im Libanon. Das allzu enge Bündnis mit dem Iran und die besonders im Zuge von dessen Atomprogramm benachteiligte internationale Stellung Syriens hatte eine tiefe bis heute andauernde Wirtschaftskrise zur Folge. Sie zwingt Syrien zu einer mindestens teilweisen Öffnung und zu einer Diversifizierung seiner Außenpolitik. Dies zeigt auch die jüngste Annäherung an die Türkei.

 

 

Doch ein komplettes Ausbrechen Syriens aus der Koalition mit Iran ist nicht zu erwarten. Nicht zuletzt aus saudischer Sicht ist dies auch gar nicht angestrebt. Saudi-Arabien sei eher, so eine Analyse der Neuen Züricher Zeitung, an einer weiterhin guten Beziehung Syriens zum Iran interessiert, da Syrien als Kommunikationskanal nach Teheran dienen und dort einen mäßigenden Einfluss auf die Regierung ausüben könne. Syrien könnte demnach eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen dem Iran einerseits und den sunnitischen arabischen Ländern unter informeller Führung Saudi-Arabiens sowie dem Westen andererseits einnehmen. Eine solche Rolle könnte in Anbetracht des nach wie vor schwierigen Ringens um eine friedliche Einhegung des Atomprogramms immer wichtiger werden.

Auch der Irak würde von einer syrisch-saudischen Annäherung profitieren. Die Versöhnung beider Länder könnte einen friedlichen politischen Übergang zur Souveränität nach einem US-Truppenabzug erleichtern. Schließlich stehen sich auch hier religiöse und politische Gruppen gegenüber, die von Saudi-Arabien einerseits und von Syrien und Iran andererseits gefördert werden. Nach Ayman Abdel Nour, Mitglied der syrischen Baath Partei, sei Syrien willens, die Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen des Irak zu reduzieren und direkte Gespräche zu führen. Damit wäre ein weiterer Grund für Syriens Isolation abgeschwächt.

 

 

Ein Wendepunkt in den syrisch-saudischen Beziehungen

 

 

Iran ist lediglich eines der Motive für die saudische Initiative, einen intensiven Dialog mit Syrien aufzubauen. Syriens Rolle im Nahost-Konflikt und im Libanon ist von zentraler Bedeutung. Saudi-Arabien kann seine Interessen in der Region besser mit Hilfe Syriens als gegen Syrien durchsetzen. Das Treffen zwischen Assad und Abdullah in Damaskus bezeugt Saudi-Arabiens starkes Interesse, Syrien aus seiner isolierten Stellung zu lösen, engere diplomatische Beziehungen zu knüpfen und einen neuen Partner in der Region zu gewinnen. Syrien seinerseits ist vor dem Hintergrund des im Mai 2006 verabschiedeten Fünfjahresplans, der den Beginn einer Transformation der syrischen Wirtschaft weg von einer Planwirtschaft einleitete, auf finanzielle Hilfe von außen angewiesen. Das saudische Dialogangebot wird auch deshalb begrüßt, weil es mit einer Zusage finanzieller Unterstützung einherging. Zur Erleichterung der saudischen Investitionen wurde während des Treffens in Damaskus ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem saudischen Finanzminister Ibrahim Assaf und seinem syrischen Amtskollegen Mohammed Hussein unterzeichnet. Außerdem bekundeten beide Finanzminister ihren Willen, sich um eine Vergrößerung des Handelsvolumens, das sich zurzeit auf ca. 1.4 Millionen Euro beläuft, durch Abbau von Handelsbarrieren zu bemühen. Das Treffen zeigte deutlich, dass im Moment sowohl Syrien als auch Saudi-Arabien mehr an einer Kooperation als an Konfrontation gelegen ist. Dies wird sicher auch als Zeichen für andere Länder der Region aufgefasst werden, die Beziehungen zu Syrien zu verbessern.

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Philipp Dienstbier

Philipp Dienstbier

Director of the Regional Programme Gulf States

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