Fremdenfeindliche Ausschreitungen überschatten den südafrikanischen Wahlkampf. In einem Slum in Sydenham, einem Stadtteil von Südafrikas drittgrößter Metropole Durban, machte ein Mob Jagd auf malawische Einwanderer. Zeitungsmeldungen zu Folge wurde zuvor Diebesgut bei Malawiern gefunden und zurückgefordert. Als nichts geschah, reagierten die südafrikanischen Bewohner des Armenviertels mit Selbstjustiz und jagten die Malawier mit Gewalt fort. Mittellos und verängstigt kehrten einige von ihnen in ihr Heimatland im Norden zurück, andere entschieden sich zu bleiben. Seitdem sich die südafrikanische Wirtschaft auf Talfahrt befindet, nehmen Verteilungskämpfe um Wohnraum und Arbeitsplätze am unteren Rande der Gesellschaft zu. Nach den pogromartigen Ausschreitungen in den Jahren 2008 und 2015 hat sich in Südafrika nicht viel geändert: es sind vor allem afrikanische Einwanderer, die weit verbreiteten Vorurteilen ausgesetzt sind und in erster Linie den Unmut ihrer südafrikanischen Nachbarn in den Townships und den illegalen Armensiedlungen zu spüren bekommen.
Ereignisse wie jüngst in Durban sind in Südafrika keine Seltenheit. Zwar verurteilten Politiker aller Parteien die Vorkommnisse und die Regierung bemühte sich um Schadensbegrenzung indem sie den Botschaften der afrikanischen Länder der Region versicherte, ihre Bürger hätten in Südafrika nichts zu befürchten. Gleichwohl verfolgen fast alle Parteien einen einwanderungskritischen Diskurs im Wahlkampf und widerstehen nicht der populistischen Versuchung, aus dem verbreiteten Fremdenhass Vorteile zu ziehen. So forderte zuvor Johannesburgs Bürgermeister Herman Mashaba per Twitter das Innenministerium dazu auf, endlich das Problem der großen Anzahl illegaler Migranten zu lösen. Seine Partei, die oppositionelle Democratic Alliance (DA), tat sich anfangs schwer damit, einen einwanderungskritischen Wahlkampf zu führen. Dies widersprach zu sehr dem liberalen Selbstverständnis der Partei. Umfragen zeigten jedoch die Popularität Mashabas Haltung, so dass die DA schließlich mit der Forderung einer stärkeren Überwachung von Südafrikas Grenzen als Stellvertreterthema in den Wahlkampf zog. Auch der ANC nutzt die ausländerkritische Stimmung für seine Zwecke. Der Premierminister der wirtschaftlich wichtigsten Region Gauteng, David Makhura (ANC), schlug unlängst vor, Ausländer sollten im Gegensatz zu den Südafrikanern für die öffentliche Gesundheitsversorgung zahlen. ANC-Gesundheitsminister Dr. Aaron Motsoaledi schlug in die gleiche Kerbe als er Ausländer beschuldigte, das Gesundheitssystem zum Kollabieren zu bringen. Selbst Präsident Ramaphosa nahm Ausländer ins Visier als er ihnen in einer Wahlkampfrede pauschal vorwarf, nach Südafrika zu kommen und in den Townships illegale Geschäfte zu betreiben. „Wir werden dem ein Ende bereiten“, so der ANC-Spitzenkandidat in seiner Kampfansage. Auch die kleine Oppositionspartei Inkatha Freedom Party (IFP) fordert in ihrem Wahlprogramm eine härtere Gangart gegenüber Immigranten. Besonders die Grenzüberwachung solle verbessert werden, da Ausländer mit Südafrikanern im informellen Sektor um Arbeit konkurrierten. Ausgerechnet die linksradikale Oppositionspartei der Economic Freedom Fighters, die sonst keine Gelegenheit auslässt, populistisch zu agitieren, erliegt nicht der Versuchung in das gleiche Horn zu stoßen. Die Xenophobie müsse aufhören, Ausländer klauen Südafrikanern keine Jobs, so der EFF-Parteivorsitzende Julius Malema. Allerdings verteidigt Malema verbal nur afrikanische Einwanderer. Gelegentlich hetzt er gegen asiatische Einwanderer oder indischstämmige Südafrikaner.
Xenophobie: ein unausgesprochenes Problem
Südafrika ist weltweit eines der größten Empfängerländer von Asylbewerbern. Das liegt zum einen daran, dass es einen großen Zustrom über den Landweg aus anderen afrikanischen Ländern gibt, die aus verschiedenen Motiven nach Südafrika emigrieren. Zum anderen werden Asylanträge nur langsam bearbeitet, weshalb sich mit rund 1,4 Millionen statistisch eine so hohe Anzahl an Asylsuchenden ergibt. Derzeit werden zwischen 90 bis 95 Prozent aller Asylgesuche abgelehnt. Gerade einmal 3,3 Prozent der erfassten Bevölkerung in Südafrika sind Ausländer. Auf Basis der offiziellen Statistik ist es daher schwer zu behaupten, Ausländern nähmen Einheimischen Arbeit und Wohnraum weg. Allerdings gesellt sich zu den legalen Migranten eine hohe Dunkelziffer illegaler Einwanderer. Die Grenzsicherung ist durchaus mangelhaft und korrupte Grenzbeamte tragen zur Durchlässigkeit bei. Erste Anlaufstelle für illegale Einwanderer sind die Townships und illegale Siedlungen. Sie sind folglich die Brennpunkte, in denen es seit jeher einen harten Verteilungskampf gab. Die Versprechungen des ANC, nach denen es allen Südafrikanern besser gehen werde, haben sich 25 Jahre nach Ende der Apartheid nicht für alle erfüllt. Diese ökonomisch Abgehängten betrachten den Zustrom illegaler Einwanderer mit Missgunst und der Angst, sozial noch weiter abzusinken. Es bedarf daher nur wenig, um an diesen Orten einen politischen Flächenbrand zu entfachen. Ausländerkritische Agitation wird hier oft als Aufruf missverstanden, den Worten Taten folgen zu lassen.
Auch in Alexandra, einem Township im Norden Johannesburgs, fanden teilweise gewalttätige Proteste statt, die sich nicht nur gegen Regierungsversagen, sondern auch gegen Zustrom von Einwanderern richtete. Auf knapp sieben Quadratkilometern sollen sich 200.000 Einwohner drängen. Das Township ist nicht nur Ankunftsstätte von Migranten, sondern liegt auch in kurzer Entfernung zum Geschäftszentrum Sandton, dem reichsten Viertel Afrikas, das viele Arbeitsplätze auch für gering Qualifizierte bietet. Ein kurzer Arbeitsweg ist in Südafrika bares Geld wert, da arme Leute durchschnittlich ein Viertel bis ein Drittel des Monatseinkommens für Transport aufbringen müssen. Die Ereignisse in Alexandra stehen exemplarisch dafür, dass die Politik bisher keinen richtigen Weg gefunden hat, das Problem der Xenophobie zu adressieren. Einerseits bestehen evidente Probleme, die man nicht verschweigen kann, andererseits spielen Politiker mit dem Feuer, sollten sie ausländerfeindlichen Nährboden mit markigen Aussagen unterfüttern, die zwar in diesen Bevölkerungsteilen gut ankommen, jedoch nicht konstruktiv zur Lösung der Probleme beitragen.
ANC initiierte Proteste in DA-regierten Gemeinden
In Alexandra richteten sich die Proteste vor allem gegen den DA-Bürgermeister Mashaba, der jedoch die Verantwortung von sich wies. Die ANC-Regierung habe von 1994 bis 2016 zu wenig getan, um Alexandra in geregeltem Maße zu urbanisieren, d.h. Wasser- und Stromversorgung, Abfallentsorgung und Wohnraum bereitzustellen. Außerdem seien Mittel des Alexandra Renewal Project (ARP) von ANC-Politikern veruntreut worden. Die Proteste seien nun vom ANC initiiert und politisch motiviert. Besonders letzterer Vorwurf ist nicht leicht von der Hand zu weisen, da bekannte ANC-Vertreter inmitten der Proteste standen und als Rädelsführer gelten. Zudem kam es zu weiteren Protesten in Townships in Pretoria und Bekkersdaal (Provinz Gauteng) sowie an verschiedenen Orten in der Provinz Western Cape, die merkwürdigerweise gut koordiniert und zeitgleich abliefen. Im Western Cape regiert die DA bereits seit 2009 und in Gauteng in einigen Gemeinden seit 2016. Die teilweise gewalttätigen Proteste richteten sich hauptsächlich gegen mangelnde Leistungserbringung der Lokalregierung, doch hatten sie auch vielerorts xenophobische Tendenzen. In Alexandra richtete sich der Unmut der eingesessenen Bevölkerung nicht nur gegen den Bürgermeister, sondern besonders gegen die afrikanischen Einwanderer. Zeitungen zitierten eine Reihe von Bewohnern Alexandras, die den Ausländern vorwarfen Wohnraum und Arbeit wegzunehmen und dass siekeine Möglichkeiten hätten, sich dagegen zu wehren.
Es ist durchaus möglich, dass ANC-Ortsverbände den Straßenprotest auch dafür nutzen, um innerhalb der Partei stärkeres Gewicht zu erlangen. Im ANC besteht nicht nur die Sorge, in der wichtigen Provinz Gauteng die absolute Mehrheit zu verlieren, sondern auch die Nervosität aufgrund der vorherrschenden Lagerkämpfe. Diese charakterisieren sich darin, dass mit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Cyril Ramaphosa der Korruption beschulidgte Politiker gegen ihre Entmachtung kämpfen. Größtenteils sind diese Weggefährten des vorigen Präsidenten Jacob Zuma. Auch wenn es unklar ist, wie groß beide Lager innerhalb der Partei sind, so bestimmt der Machtkampf seit Monaten die Schlagzeilen. Im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen unglaubliche Korruptionsskandale und deren politisch schwierige Aufarbeitung. Ramaphosa ist um Transparenz bemüht, doch trifft er auf harten Widerstand im Parteivorstand. Zudem belasten fragwürdige Geldannahmen von Ramaphosas Sohn die Glaubwürdigkeit des Präsidenten selber.
ANC „noch nie so gespalten wie zuvor“
Wahlprognosen sehen dennoch Präsident Ramaphosa mit deutlich über 50 Prozent der Stimmen vorne. Allerdings besteht unter politischen Analysten und Insidern die weit verbreitete These, dass er eine starke Mehrheit von über 60 Prozent brauche, um innerhalb der Dauerregierungspartei über die Stärke zu verfügen, unliebsame und korrupte Widersacher von einflussreichen Posten fernzuhalten. Langjährige Wegbegleiter von Ramaphosa sehen die Partei „so gespalten wie nie zuvor“.
Die Herausforderung besteht darin, dass die Kabinettsposten durch das oberste ANC-Parteigremium, die so genannte Top Six, bestätigt werden müssen. Hier verfügt Ramaphosa über keine Mehrheit und muss Kompromisse eingehen. Sollte sich Ramaphosa nach der Wahl am 8. Mai nicht mit seinen Personalvorstellungen durchsetzen können, könnten sich seine innerparteilichen Gegner länger in Partei und Regierung halten, Grabenkämpfe fortführen und dringende Reformen blockieren.
Fäuste fliegen bei Buchvorstellungen von Enthüllungsjournalist Myburgh
Besonders die Rolle des schillernden Generalsekretärs der Partei, Ace Magashule, sorgte für viel Wirbel, nachdem der Investigativjournalist Pieter-Louis Myburgh in seinem jüngst veröffentlichten Buch „Gangster State“ Magashule schwere Korruption, Veruntreuung und Einschüchterung vorwarf. Der Beschuldigte wies die Vorwürfe nicht nur weit von sich und bezeichnete sie als „Fake News“, sondern orchestrierte auch den Jugendverband des ANC, öffentliche Vorstellungen des Buches lautstark und mit Gewalt zu stören. In einer Buchhandlung im Norden Johannesburgs eilten bei einer Buchvorstellung der Sicherheitsdienst und die Polizei herbei, um die Gäste vor dem ANC-Mob zu schützen. Es wurde gar von Vertretern des ANC-Jugendverbands zu einer Bücherverbrennung in Magashules Heimatprovinz Free State aufgerufen. Die Parteiführung rief ihn und die ANC-Jugendliga jedoch zur Räson und verbot die Verbrennungen, wohl wissend um die zu erwartende negative Presseberichterstattung. Unbeachtet dessen führte der Vorfall zu Diskussionen in Medien und Sozialen Netzwerken über die Unberechenbarkeit der Reaktionen von Teilen des ANC, sollte bei künftigen Wahlen die Mehrheit verloren gehen. Eine wirkliche Prüfung der Demokratiefähigkeit wird der ANC erst durchlaufen, wenn er nicht mehr die nationale Regierung stellen wird.
Die Ereignisse und die in der Folge unkoordinierte Reaktion des ANC spiegeln die große Uneinigkeit in der Partei wider. Der Wahlkampf wird unkreativ und ohne Verve geführt, verbunden mit der Erwartung, man werde schon die absolute Mehrheit erreichen. Es sind besonders junge Politiker, die in den Rängen der Partei fehlen, um auch nachrückende Wählerschichten anzusprechen. Ramaphosa erfreut sich zwar einer großen Popularität, doch auch von ihm kommen wenig konkrete Politikvorschläge, außer der Versprechung, man werde alles besser machen. Mehr denn je drängt sich der Eindruck auf, dass der ANC dem langfristigen Abwärtstrend wenig entgegenzusetzen hat. Der Verlust der Provinz Gauteng wäre nur die Ouvertüre einer Veränderung der politischen Landschaft in Südafrika, in der Koalitionsregierungen und wechselnde Mehrheiten zu der Tagesordnung gehören und die Politik in den Parlamenten und nicht ausschließlich in den Parteizentralen bestimmt wird.
To commit you must sign in.